Deutsche Islamkonferenz diskutiert über Integration

Zuletzt hatten die erzkonservativen Islamverbände das Gremium dominiert. Unter Innenminister Seehofer soll sich das ändern: Beim Auftakt zur vierten Phase wollen liberale Muslime für Toleranz und Offenheit sprechen.

Der Bundesinnenminister steht in dieser Woche vor einer diplomatischen Bewährungsprobe. Erstmals empfängt Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch und Donnerstag die Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz (DIK). Eröffnen will er das Treffen des 2006 von seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) gegründeten Gremiums mit einer Grundsatzrede.

Seine Aussage, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, dürfte Seehofer so pauschal nicht wiederholen, auch wenn dem laut Umfragen eine Mehrheit der Deutschen zustimmt. Aber welcher Islam gehört zu Deutschland - und will überhaupt dazugehören? Darüber diskutieren in Berlin neben Integrationspolitikern und Wissenschaftlern viele Muslime mit teils sehr kontroversem Blick auf ihre Religion.

Dem innerislamischen Streit zwischen säkular-liberalen Gläubigen und den konservativen Islamverbänden war das Ministerium in der abgelaufenen dritten Arbeitsphase noch ausgewichen und hatte lediglich Verbandsvertreter eingeladen. Dafür sprach zwar, dass Organisationen wie die türkisch-islamische Ditib oder der Zentralrat der Muslime rund 70 Prozent der Moscheegemeinden kontrollieren und konkrete Ergebnisse so leichter zu erzielen waren, etwa in Bereichen wie inländischer Imamausbildung, Wohlfahrtspflege und Seelsorge.

Doch Kritiker halten die Verbände lediglich für die Speerspitze eines politischen "Scharia-Islam" mit Berührungspunkten zum Islamismus. Gesteuert aus dem Ausland, förderten sie Abschottung und Parallelgesellschaften, Intoleranz, Nationalismus und eine buchstabengetreue Auslegung des Koran.

Glaubt man den Warnungen, geht es den Verbänden im Dialog mit dem Staat vor allem um die Gleichstellung mit den Kirchen, nicht um Integration. Für die Beheimatung von Muslimen in Deutschland seien sie denkbar schlechte Partner. Gegen den Alleinvertretungsanspruch der Verbände spricht in jedem Fall, dass sie weniger als ein Drittel der bis zu 4,7 Millionen Muslime in Deutschland umschließen.

In ihrer vierten Phase soll die Islamkonferenz nun wieder das ganze Bild zeigen und mehr Raum für progressive Stimmen schaffen. Ziel sei eine breite und kontroverse Debatte über die Frage, "wie ein Islam in, aus und für Deutschland entstehen kann", hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Staatssekretär Markus Kerber stellte klar, dass es dafür nur einen Rahmen geben kann: den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und das Grundgesetz.

Am Wochenende wurde bekannt, dass das Bundesinnenministerium auch über Finanzierungsmodelle für Moscheen und muslimische Gemeinden diskutieren will. Kerber sagte der "Bild"-Zeitung: "Das Ziel muss sein, dass die Moscheen in Deutschland nicht mehr von Finanzhilfen aus dem Ausland abhängig sind."

Neben Verbandsvertretern diskutieren zum Auftakt in Berlin prominente Muslime wie die Anwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates und der Psychologe Ahmad Mansour, der sich gegen Extremismus engagiert. Beide gehören zu den Unterzeichnern einer "Initiative säkularer Islam", die mit Blick auf die Konferenz ein Gegengewicht zu den Verbänden sein will. Sie seien besorgt über zunehmende Islamfeindlichkeit wie auch über wachsenden Islamismus. "Wir wollen einen Islam, der auf der Freiheit und dem Selbstbestimmungsrecht des Individuums basiert und ein entspanntes Verhältnis zur deutschen Gesellschaft fördert."

Die Themen der Berliner Auftaktpodien widmen sich nun wieder grundsätzlichen Fragen: Man diskutiert über "Integrationsförderung vor Ort" oder "Engagement für ein gelingendes Miteinander", aber auch über den wichtigen Punkt "Imamausbildung in Deutschland". In den kommenden Jahren sollen dann "themenoffen" und "flexibel" Gesprächsformate mit wechselnden Teilnehmern von staatlicher und muslimischer Seite, aber auch Vertretern aus Kirchen und Judentum folgen.

Die Herausforderungen der Integration dürften nicht kleiner werden. Zwar haben schätzungsweise rund zwei Millionen Muslime den deutschen Pass, und gerade unter den Eingebürgerten verstehen sich viele gar nicht mehr als traditionell gläubig. Aber befeuert durch die Flüchtlingskrise lebt jeder vierte Muslim erst seit wenigen Jahren hier, und weitere werden kommen. Die entscheidende Frage wird sein, ob sich hierzulande ein aufgeklärtes, tolerantes Koranverständnis durchsetzt oder orthodoxe Hardliner den Ton angeben. Die Debatte darüber kann der Staat zwar fördern, sie bleibt aber eine innerislamische. (KNA)