Patriarch Sako und Shirin Ebadi: Islam braucht dringend Reform

Der chaldäische Patriarch Kardinal Louis Raphael Sako und die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi haben bei einer internationalen Tagung in Österreich tiefgreifende Reformen des Islam eingefordert.

Der Islam braucht nach den Worten Sakos dringend ein "religiöses Update" für mehr Toleranz. Viele Muslime benötigten einen Mentalitätswandel, damit sie Angehörige anderer Religionen nicht länger als zweitrangig behandeln, sagte er laut einem Bericht der österreichischen Presseagentur Kathpress (Montag) bei einer internationalen Tagung im Stift Heiligenkreuz. "Nicht alle Muslime sind fanatisch, aber die antichristliche Mentalität ist durchgängig verbreitet", so der in Bagdad residierende Patriarch.

Allein in den vergangenen 15 Jahren hätten aufgrund des islamistischen Terrors, aber auch wegen alltäglicher Gewalt und Diskriminierung gegen religiöse Minderheiten rund eine Million Christen den Irak verlassen. Nicht einmal mehr eine halbe Million sei verblieben.

Den Islam sieht Sako in einer großen inneren Krise. Ohne Erneuerung, etwa eine moderne Koran-Exegese, die von der buchstabengetreuen Auslegung Abstand nehme und religiöse Texte zeitgemäß interpretiere, habe der Islam keine Zukunft. "Wir haben allein im Irak bereits eine Million junge Muslime, die sich als nicht gläubig bezeichnen; und zwar als Folge von islamistischem Fundamentalismus und Terrorismus."

Die iranischstämmige Ebadi plädierte in ihrem Vortrag für die Trennung von Religion und Staat in muslimischen Ländern. Einige Staaten wie Tunesien seien auf diesem Weg, andere jedoch wie Iran und Saudi-Arabien noch weit davon entfernt. Im Iran seien die Christen als religiöse Minderheit zwar mit Einschränkungen anerkannt, zugleich seien zivil- und strafrechtliche Diskriminierungen schon in der Verfassung verankert, so Ebadi. Andere religiöse Minderheiten wie die Bahai hätten überhaupt keine Rechte. Und auch Muslime litten unter den strikten Regelungen. Derzeit sitzen laut Ebadi rund 300 ehemalige Muslime in Haft, weil sie zum Christentum übergetreten sind.

Es sei ihre tiefste Überzeugung, so die im Londoner Exil lebende Friedensnobelpreisträgerin, dass es für archaische Auslegungen von Koran und Scharia im 21. Jahrhundert keinen Platz geben dürfe. Viele moderne Muslime dächten so. Mehr Dialog und Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Christen sei dringend notwendig. (KNA)