Mit Kopftuch in der Karibik: Kubas Musliminnen kämpfen um Anerkennung

Der Glaube hat einen schweren Stand auf der sozialistischen Insel. Trotzdem hat sich Tausende Kilometer von Mekka entfernt eine kleine islamische Gemeinde gegründet. Die Muslime trotzen Vorurteilen, dem Amtsschimmel und der Mangelwirtschaft. Von Guillermo Nova

Unbarmherzig brennt die Karibiksonne auf die Dächer von Havannas Altstadt, in den Straßen flirrt die Hitze und Maryam Camejo hat Durst. Es ist Ramadan, und auch auf der sozialistischen Karibikinsel gelten die Fastenregeln des Korans. «Das Schwierigste ist, bei dieser Hitze den ganzen Tag kein Wasser zu trinken», sagt Camejo. «Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran.»

Die junge Frau macht sich fertig für das Freitagsgebet in der einzigen Moschee auf Kuba. Mit ihrem Kopftuch fällt sie auf, wenn sie durch das historische Stadtzentrum läuft. Eine Muslimin in Kuba – für Camejo ganz normal: «Nur weil ich Muslimin bin, höre ich ja nicht auf, Kubanerin zu sein.» Vor sieben Jahren nahm sie den Glauben an, trotz der Vorurteile, die ihr entgegenschlugen.

«Am Anfang fühlst du dich wie aus dem eigenen Umfeld gelöst. Die Leute schauen dich seltsam an und du beginnst einen Identitätswandel, einen kulturellen Wandel», sagt Camejo, die heute anderen Frauen in der Moschee Koran-Unterricht gibt.

Wenn die Sonne untergeht, brechen die Gläubigen gemeinsam das Fasten. Camejo setzt sich mit ihren Glaubensschwestern auf einen Teppich in der Moschee und die Frauen teilen Reis mit Bohnen, Süßkartoffeln, Salat, Lammfleisch, Brot und Datteln.

Nach der sozialistischen Revolution von Fidel Castro war Religiosität in Kuba jahrzehntelang nicht gerne gesehen. Erst seit 1992 herrscht Glaubensfreiheit. Neben dem auf der Insel verbreiteten Katholizismus und dem Santería-Kult ist der Islam die absolute Minderheit. Musliminnen, die den islamischen Kleidungsvorschriften mit Verschleierung von Kopf, Armen und Beinen folgen, fallen krass auf zwischen den oft extrovertiert und körperbetont gestylten Kubanerinnen.

Camejo empfindet das Kopftuch als Erleichterung. «Ich möchte nicht, dass man mich nach den westlichen Maßstäben beurteilt wie so ein Super-Topmodel», sagt sie. Der Hijab - also das Kopftuch - sei auch eine Weigerung, sich zum Objekt machen zu lassen. «Ich möchte lieber, dass man mich daran misst, wer ich bin, was ich denke und fühle.»

Die kubanische Regierung veröffentlicht keine Zahlen zu Muslimen auf der Insel. Die 2007 registrierte Islamische Liga Kubas ist die einzige staatlich anerkannte muslimische Gemeinschaft. Inoffizielle Schätzungen gehen von etwa 2.500 Islam-Anhängern aus. Die meisten sind Sunniten und: nicht in den Glauben hineingeboren, sondern konvertiert.

Auch wenn die Anhängerschaft auf Kuba klein ist, gibt es ein internationales Ringen um Einfluss. Die Botschaft Saudi-Arabiens verschenkt Korane, die türkische Regierung will bei der Finanzierung einer großen Moschee helfen - die könnte dann aussehen wie die Ortaköy-Moschee in Istanbul. Um die kleine schiitische Gemeinde kümmern sich iranische Vertreter.

Isaura Argudín stammt aus einer katholischen Familie. Aus Neugier hatte sie einst die Moschee besucht, und zunächst viele Fragen. «Mit jeder Antwort, die ich erhielt, merkte ich, dass ich mich stark mit dem Islam identifiziere», sagt sie. Heute trägt sie den muslimischen Namen Aneesah Nour Abdullah.

Einige Kunden in ihrer Apotheke hätten sie gemieden, als sie angefangen habe, das Kopftuch zu tragen, berichtet sie. Das habe sich aber wieder gegeben. Einmal seien in einem Fahrstuhl alle Mitfahrer auf eine Seite gewichen, als sie eingestiegen sei. Auf der Straße tuscheln die Leute über die Frau mit dem Kopftuch. «Ich habe mich entschieden, es zu tragen, und ich fühle mich als eine befreitere Frau», sagt Argudín. «Es ist wie ein Schutz und meine Identität. Ich betrachte mich als anders als der Rest der Frauen.»

Der Wunsch, sich abzuheben in einer Gesellschaft, in der so oft das Kollektiv Identität stiften soll - das verbindet die Kubanerinnen, die zum Islam konvertierten. Einige suchen in der Religion die Kraft, ihr Leben in eine andere Richtung zu lenken.

Eine Frau, die sich nur Balkys nennt, ebenfalls zum Islam konvertiert, sagt: «Mein Leben heute ist ganz anders als mein früheres Leben. Alles war Party, Alkohol - ich habe über die Stränge geschlagen. Alles war egal.» Der Islam habe sie auf den rechten Weg geführt. «Heute bin ich eine Frau mit der Willensstärke, um etwas aus mir zu machen.»

Ein starker Wille ist auch nötig, um in dem sozialistischen Einparteienstaat seinen Glauben zu leben. Die Bürokratie läuft schleppend, besonders wenn es sich um religiöse Anliegen handelt. So haben die Behörden bislang der Forderung nach einem Friedhof für die muslimische Gemeinde nicht zugestimmt - ebenso wenig jener nach einem Schlachthof, in dem Tiere «halal» geschächtet werden können.

Und die Mangelwirtschaft stellt die Muslime in Kuba vor eine weitere Herausforderung: Eine der wichtigsten Zutaten der kubanischen Küche ist Schweinefleisch - das aber gilt im Islam als unrein. Wenn dann mal wieder wie so oft Hühnchen, Kalbfleisch und Eier in den Supermarktregalen fehlen, werden die Konvertiten notgedrungen zu Vegetariern. (dpa)