Tunesien vor schwieriger Regierungsbildung nach Wahl

Tunesien steuert nach der Parlamentswahl auf eine schwierige Regierungsbildung zu. Die gemäßigt islamistische "Ennahda"-Partei lag laut einer am Sonntag im Staatsfernsehen veröffentlichten Nachwahlbefragung mit 17,5 Prozent der Stimmen knapp in Führung. Auf Platz zwei folgte demnach mit 15,6 Prozent die Partei "Herz Tunesiens" des inhaftierten Medienunternehmers Nabil Karoui. Beide Parteien haben eine gemeinsame Regierung ausgeschlossen.

Sollte der Ausgang bestätigt werden, ergäbe sich ein tief gespaltenes Parlament. "Ennahda" müsste mehrere Rivalen zur Zusammenarbeit bewegen. Offizielle Ergebnisse wurden am Sonntag nicht mehr erwartet.

Vor Veröffentlichung der Nachwahlbefragung hatte zuerst Karoui den Sieg für seine Partei reklamiert. Wenig später erklärte aber auch "Ennahda", sie sei stärkste Kraft geworden.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission bei lediglich 41 Prozent. Acht Jahre nach der Revolution, die zur Einführung der Demokratie führte und den Arabischen Frühling inspirierte, sind insbesondere viele junge Tunesier enttäuscht von der Politik. Für Unfrieden sorgt besonders die Arbeitslosigkeit, die höher als unter dem im September verstorbenen langjährigen Autokraten Zine El-Abidine Ben Ali ist.

Experten hatten eine Fragmentierung des Parlaments und eine schwierige Regierungsbildung befürchtet. Schon bei der Präsidentschaftswahl vor einem Monat wurden die etablierten Parteien abgestraft. Die Wahlbeteiligung lag laut der Oberen Wahlbehörde ISIE mit 41,3 Prozent noch einmal unter der damaligen Teilnahme. Ein amtliches Endergebnis wird in den kommenden Tagen erwartet.

Neben der Parlamentswahl steht derzeit auch noch der Ausgang der Präsidentenwahl an. In der ersten Runde im September hatten sich mit Karoui und dem parteilosen konservativen Juraprofessor Kais Saied zwei politische Außenseiter durchgesetzt. Der Sieger wird kommenden Sonntag in einer Stichwahl ermittelt. Karoui sitzt wegen Geldwäsche- und Steuerbetrugsvorwürfen in Haft. Er weist alle Vorwürfe zurück. (Reuters/dpa)