Viele Tote bei Massenprotesten gegen Einbürgerungsgesetz in Indien

Tag für Tag gibt es in Indien Großdemonstrationen gegen ein neues Einwanderungsgesetz. Es soll illegal eingereisten Migranten die Einbürgerung erleichtern - sofern sie keine Muslime sind.

In Indien sind bei den seit Tagen anhaltenden Massenprotesten gegen ein Einbürgerungsgesetz 22 Menschen getötet worden. Das teilten die Behörden am Sonntag mit. Das Gesetz erleichtert illegal eingereisten Migranten aus den drei mehrheitlich muslimischen Nachbarländern Bangladesch, Pakistan und Afghanistan die Einbürgerung - wenn sie keine Muslime sind. Allein am Sonntag protestierten landesweit wieder Hunderttausende Menschen.

Rund 200.000 Menschen nahmen nach Angaben der Polizei in Jaipur, der Hauptstadt des nordwestlichen Bundesstaates Rajasthan, an einer friedlichen Demonstration teil. Kleinere Proteste gab es Berichten zufolge auch in der Hauptstadt Neu-Delhi sowie in Chennai, Patna, Kolkata, Mumbai und in einigen Städten im nördlichen Bundesstaat Uttar Pradesh.

16 der 22 Menschen wurden in Uttar Pradesh getötet, wie die Behörden am Sonntag mitteilten. Dort war es bei einer Demonstration am Freitag zu Gewalt gekommen. Menschen hätten Feuer gelegt, mit Steinen geworfen und öffentliches Eigentum beschädigt. Ein Achtjähriger sei bei einer Massenpanik getötet worden, als die Polizei versucht habe, eine Menschenmenge aufzulösen. Andernorts verliefen die Proteste weitgehend friedlich. Trotz eines Versammlungsverbots und einer Abstellung von Internetdiensten gab es auch am Samstag Demonstrationen.

Seit dem 10. Dezember gehen Menschen in dem überwiegend von Hindus bewohnten Land auf die Straßen. Kritiker sehen das Einwanderungsgesetz als Verstoß gegen die säkulare Verfassung Indiens, weil es Rechte an die Religion bindet. Premierminister Narendra Modi argumentiert hingegen, dass das Gesetz lediglich religiös verfolgten Menschen aus Nachbarländern helfe. Menschen in der indischen Grenzregion befürchten einen Zustrom von Zuwanderern.

«Dieses Gesetz ist gefährlich, weil es den Eindruck vermittelt, dass Muslime Bürger zweiter Klasse sind, die weniger Rechte haben als andere Gemeinschaften in Indien», sagte der Politikwissenschaftler Yogendra Yadav.

Die Wut der Bürger richtet sich auch gegen ein geplantes landesweites Bürgerregister (NRC). Dafür müssten die Einwohner Indiens nachweisen, dass sie rechtmäßige Bürger des Landes sind. Bisher gibt es ein solches Register nur im nordöstlichen Staat Assam. Innenminister Amit Shah hat angekündigt, die Registrierung bis 2024 flächendeckend vornehmen zu wollen.

«Wir haben das NRC bisher nicht diskutiert», sagte Premierminister Modi am Sonntag bei einer Wahlkampfveranstaltung für seine hindunationalistische Partei in der Hauptstadt Neu-Delhi, wo Anfang 2020 Kommunalwahlen stattfinden. Die Sache sei dem Kabinett noch nicht vorgelegt worden, es gebe keine Neuregelung, sagte er weiter.

«Das sind Lügen, die von der Opposition verbreitet werden, um die Leute aufzuhetzen.» Modi verteidigte auch das Einwanderungsgesetz. «Dieses Gesetz hat nichts mit den 1,3 Milliarden Menschen in Indien zu tun. Ich versichere den muslimischen Bürgern Indiens, dass dieses Gesetz nichts für sie ändern wird», sagte der Premier. Kritisch wird das Einwanderungsgesetz aber auch von der internationalen Gemeinschaft gesehen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnte am Sonntag vor einer weiteren Eskalation der Auseinandersetzungen in Indien. «Wer 200 Millionen Muslime ausgrenzt und die laizistischen Prinzipien der Verfassung ignoriert, spielt in dem Viel-Religionen- und Viel-Völker-Staat Indien mit dem Feuer», erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. Die damit einhergehenden Einschränkungen der Demonstrations- und Meinungsfreiheit seien ein schwerer Schlag für Asiens größte Demokratie, kritisierten die Menschenrechtler. (dpa)