Protest im Irak gegen neuen Regierungschef - Muktada al-Sadr mahnt zu Mäßigung

Inmitten der politischen Krise im Irak hat Staatschef Barham Saleh einen neuen Regierungschef nominiert. Er beauftragte am Samstag den ehemaligen Kommunikationsminister Mohammed Allawi mit der Regierungsbildung. Allawi kündigte vorgezogene Neuwahlen an und versprach, die Gewalt gegen Demonstranten aufzuklären. Der einflussreiche Schiitenführer Muktada al-Sadr sagte Allawi seine Unterstützung zu. Zugleich forderte er zum Ende der Straßenblockaden im Irak auf. Al-Sadr appellierte an seine Anhänger, in dem von Protesten erschütterten Land eine Rückkehr zum Alltag zu ermöglichen. Auf Twitter drängte er sie dazu, mit den Sicherheitskräften zusammenzuarbeiten.

Die Proteste gingen aber am Sonntag in Bagdad sowie den Provinzen Basra, Nassirija und Kerbela gegen die Ernennung Allawis weiter. In Bagdad nahmen Augenzeugen zufolge auch viele Schüler und Studenten an den Protesten teil. In Kerbela blockierten Demonstranten mehrere Hauptstraßen, woraufhin Sicherheitskräfte scharfe Munition und Tränengas einsetzten. Mehrere Menschen wurden demnach verletzt.

Durch die Ernennung laste eine "riesige historische Verantwortung auf meinen Schultern", sagte Allawi. Zuvor hatte er sich in einer Videobotschaft an die regierungskritischen Demonstranten gewandt und sie aufgefordert, ihre Proteste fortzusetzen. "Wenn ihr nicht mit mir seid, werde ich gar nichts ausrichten können", sagte der 65-jährige Ex-Minister.

Nach wochenlangen Massenprotesten hatte Ministerpräsident Abdel Mahdi im Dezember seinen Rücktritt eingereicht. Er blieb aber geschäftsführend im Amt. Am Samstag gratulierte er seinem designierten Nachfolger.

Präsident Saleh hatte dem tief zerstrittenen Parlament am Mittwoch eine Frist bis Samstag für die Nominierung eines neuen Regierungschefs gesetzt. Kurz vor Ablauf des Ultimatums erzielten die verschiedenen Parteien schließlich eine Einigung.

Der einflussreiche Schiitenführer Al-Sadr nannte die Ernennung Allawis einen "guten Schritt". Er hoffe, dass das Volk den Ex-Minister als neuen Regierungschef akzeptiere und Geduld habe. In Bagdad formierte sich aber umgehend Protest gegen den neuen Regierungschef. "Wir lehnen Allawi ab", riefen Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz.

Laut der irakischen Verfassung hat Allawi nun einen Monat Zeit, eine Regierung zu bilden. Neben der Zustimmung der verfeindeten politischen Lager im Irak ist ein neuer Regierungschef auch auf die Unterstützung durch die schiitischen Autoritäten, das Nachbarland Iran, die US-Regierung und nicht zuletzt auch die regierungskritische Protestbewegung angewiesen.

Im Irak kommt es seit Anfang Oktober zu landesweiten Protesten gegen die politische Führung und die weit verbreitete Korruption im Land. Dabei kamen nach Angaben der vom Parlament gewählten Menschenrechtskommission mehr als 460 Menschen ums Leben. Mehr als 20.000 Demonstranten wurden verletzt. (dpa/AFP)