UNHCR: Wegen Corona Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln evakuieren

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) fordert wegen der Gefahren durch die Ausbreitung des Coronavirus eine Evakuierung der überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln. "Die Menschen leben jetzt schon unter extrem risikoreichen Bedingungen, auf engstem Raum eingepfercht, ohne ausreichende Hygiene", sagte Boris Cheshirkov vom griechischen UNHCR am Montag. Besonders schlimm sei die Situation weiterhin auf Lesbos, wo derzeit rund 20.000 Flüchtlinge und Migranten gezählt werden, bei einer Aufnahmekapazität von gerade mal 3.000 Plätzen.

Die Organisation fordert bereits seit Monaten, die Menschen aufs Festland zu bringen, doch nun sei die Lage wegen Corona noch prekärer. Solange eine Evakuierung nicht stattfinde, versuche man, bei der Ausrüstung und Vorbereitung auf Corona zu unterstützen. "Wir verteilen mehr Geld an die Menschen, damit sie Hygieneartikel wie Desinfektionsmittel kaufen können, und unterstützen den Staat dabei, die Hygienemöglichkeiten vor Ort zu verbessern - mehr Seife, mehr Wasserhähne und Toiletten", sagte Cheshirkov. Bisher stünden die Menschen weiterhin zu Dutzenden eng gedrängt in Schlangen, um an eine der wenigen Waschmöglichkeiten zu gelangen.

Insgesamt leben derzeit auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos laut griechischem Bürgerschutzministerium rund 40.000 Flüchtlinge und Migranten - bei einer Kapazität von gerade mal 6.000 Plätzen.

Auch Vertreter aus der deutschen Politik und von Menschenrechtorganisationen forderten eine Evakuierung der Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln. Grünen-Chef Robert Habeck sagte, die Lage der Menschen in den Flüchtlingslagern auf Lesbos und anderen griechischen Inseln sei "ohnehin dramatisch". Er verwies dazu auf "Überfüllung, fast keine medizinische Ausstattung, miserable Hygiene." Sollte in den Lagern das Coronavirus ausbrechen, werde dies katastrophale Folgen haben.

Der Grünen-Vorsitzende rief dazu auf, die Lager so schnell wie möglich zu evakuieren. "Andere Europäer, auch Deutschland, sollten helfen. Dazu gehört die schon zugesagte Aufnahme von Kindern", mahnte er die Bundesregierung zur Einhaltung ihrer Zusagen.

Deutschland hatte Anfang März zugesagt, als Teil einer "Koalition der Willigen" einen "angemessenen Teil" von bis zu 1.500 besonders schutzbedürftigen Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. "Natürlich ist das in der Lage schwierig", sagte Habeck mit Blick auf die Corona-Krise. "Aber die Lehre aus Corona muss sein, mehr Kooperationsgeist, Entschlossenheit und Solidarität", sagte Habeck. Dies gelte im eigenen Land wie international.

Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl drängte erneut auf die "umgehende Evakuierung" von Lagern wie dem überlasteten Camp Moria auf Lesbos. "Deutschland muss handeln", forderte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Er kritisierte erneut, dass die Bundesregierung mitten in der Pandemie-Zeit eigens ein Flugzeug zur Abschiebung von zwei Frauen in den Iran gechartert habe. Er forderte, diese und andere Maschinen umzuleiten und damit Flüchtlinge aus den Lagern in Griechenland auszufliegen.

Die Organisation Seebrücke rief für Sonntagnachmittag unter dem Hashtag #LeaveNoOneBehind zu einer Online-Demonstration für eine menschenrechtskonforme Flüchtlingspolitik auf. Ab 16.00 Uhr sollten Teilnehmer die Social-Media-Auftritte deutscher und EU-Institutionen aufrufen, um dort die sofortige Evakuierung der griechischen Flüchtlingslager zu verlangen. "Die Situation in den Lagern ist seit Jahren menschenunwürdig, angesichts des Coronavirus droht jetzt der humanitäre Kollaps", erklärte dazu Julia Solbach von Seebrücke.

Zu der laut Pro Asyl vom Bundesinnenministerium geplanten Abschiebung der beiden Frauen in den Iran erklärte die Organisation, es sei "absurd und unverantwortlich", Menschen in ein ausgewiesenes Corona-Risikogebiet zu schicken. Die Organisation verlangte einen generellen Abschiebestopp in Länder mit fragilen Gesundheitssystemen während der Pandemie. (dpa/AFP)