"Irgendwann holt die Welt auch Syrien ein"

Mit Humor, Optimismus und treffenden Spitzen bietet der Journalist Hakam al-Baba dem syrischen Regime die Stirn – was ihm schon einen Prozess einbrachte. Mona Sarkis hat ihn getroffen.

​​Mitten in der Cafeteria des Cham Palace, einem beliebten Treffpunkt von Oppositionellen und Geheimdienst, päsentierte der Journalist Ende April sein "Buch in Angst. Ein Bekenntnis der Syrischen Presse". Doch sonderlich angsterfüllt wirkt die Sammlung seiner Artikel nicht.

Eher wie ein Feuerwerk an Seitenhieben gegen die Staatsmedien - "Ein Verbund an Nullen, nur noch der saudischen Fußballmannschaft vergleichbar" - und die Staatsmacht. Über diese schreibt er: "Syriens Verantwortlichen sollte der Auftritt im TV verboten werden. Seit Jahrzehnten sorgen sie damit nur für eine erhöhte Geburtenrate".

Humor als Waffe gegen die zwei Dauerbegleiter syrischer Dissidenten: Frust und "Sicherheitsapparat-Phobie". Seit Jahren kommentiert der 45-jährige mit Achselzucken die Zensur und jedes seiner Worte sticht. Aber keines schmerzt, zumindest nicht die dickhäutige Diktatur. Das beschert ihm bislang eine gewisse Sicherheit.

Geheimdienst zieht wieder an

Unantastbar ist er deshalb noch lange nicht, wie die Klage zeigt, die ihm sein Buch einhandelte. Eingereicht von dem Bürger Emad Fauzi al-Shibi, der al-Babas "Gehässigkeit gegen das Vaterland" als persönliche Beleidigung empfand und fünf Millionen syrische Pfund Schadenersatz verlangte.

"Mangelnder Patriotismus ist das Dauerargument gegen jeden, der den Mund aufmacht", konterte al-Baba. Der Prozess sei eine Generalattacke auf alle unabhängigen Autoren, um sie auszurotten. Zugleich fragte er, ob diese Methode als Ersatz für die nachlassenden aggressiven Geheimdienst-Verhöre gedacht sei.

Inzwischen ist diese Hoffnung deutlich gedämpft. Zu eindeutig meldete sich der Sicherheitsapparat zurück. Verhaftung von Dissidenten, Schließung des Jamal-al-Atassi-Salons, des einzigen Diskussionsforums, das den "Syrischen Frühling" überlebt hatte und ein Baath-Partei-Kongress, der klar demonstrierte, woran die Diktatur nicht denkt: Reformen.

Eine noch undefinierte Änderung des Pressegesetzes strebt die Regierung an, was "erfahrungsgemäß Verschlimmerung heißt", prophezeit al-Baba. Dass Verstöße künftig eventuell mit Geld- statt mit Haftstrafen geahndet werden sollen, beruhigt tatsächlich wenig, da dies nicht im Falle eines Zuwiderhandelns gegen das "nationale Interesse" gilt. Diese Klausel tritt immer dann in Kraft, wenn es den Machthabern passt.

Schließlich die Ermordung Samir Kassirs. Von wem auch immer angeordnet, gilt sie libanesischen wie syrischen Journalisten als klare Botschaft. Al-Baba zweifelt daher nicht, dass der Geheimdienst wieder schärfer durchgreift und zeigt sich wenig überrascht: "Weil das Regime es gewohnt ist, sowjetisch zu denken, denkt es sowjetisch. Das geht seit 1963 so. Reflexion ausgeschlossen."

Eigeninitiative für Glasnost

An Veränderung glaubte er schon 2004 nicht, als Informationsminister Mahdi Dakhlallah einen Artikel genehmigte, in dem er selbst al-Babas Zielscheibe war. Bei
einer Konferenz hatte der Minister ihn beschuldigt, ein Exemplar der Partei-Zeitung "Al-Baath" auf den Boden geworfen zu haben und mit "Elementen" gedroht, die es verstünden, ihm die Bedeutung von Partei und Organ klar zu machen.

Zehn Tage später folgte die Vorladung in die Geheimdienstzentrale. Die staatliche Tageszeitung "Tishreen" veröffentlichte jedes Wort mit Genehmigung Dakhlallahs, der jetzt auch grünes Licht für al-Babas Buch gab. Doch weder damals noch heute missverstand der die Signale als "syrische Glasnost". Vielmehr sei alles nur eine "Show, in der ab und an Reform aufgeführt wird."

Da er nicht auf weitere Showeinlagen setzen will, gründete er mit Kollegen das "Nationale Zentrum zur Verteidigung der Pressefreiheit". Das "Hurriyat" ("Freiheit") genannte Internetportal informiert seit Anfang Mai über Staatszensur und Übergriffe. Wie lange sich die vom Regime bislang ignorierte Initiative hält, ist ebenso fraglich, wie ihr Potential, etwas auszurichten.

Für al-Baba aber ist sie die einzige Alternative zum syrischen Journalistenverband, dessen Vorsitzendem, Saber Falhout, Geheimdienstnähe nachgesagt wird. Die allerdings kann, will man einem Ausspruch Samir Kassirs glauben, von so ziemlich jedem syrischen Journalisten angenommen werden. In einem
Überwachungsstaat kaum verwunderlich. Und daran, dass Syrien einer bleibt, besteht vorerst kein Zweifel, auch wenn Bahjat Suleiman, langjähriger Geheimdienst-Chef und Präsidenten-Freund, kürzlich seines Amtes enthoben wurde.

Die Gründe dafür können vielfältig sein, die Konsequenzen sind es nicht: "Syriens Presse schreibt weiter fleißig Nachrichten, die die Welt nicht braucht. Aber", beharrt al-Baba, "irgendwann holt die Welt auch Syrien ein." Seinem Blick nach zu urteilen schien ihm dieser Tag vor einiger Zeit noch näher als heute.

Mona Sarkis

© Qantara.de 2005

Qantara.de

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Internetportal "Hurriyat" (arab.)