Ohne Wahl und Fahrplan - Gewalt und politische Querelen verhindern eine Stabilisierung Somalias

Eigentlich sollten in Somalia die ersten demokratischen Wahlen seit über 50 Jahren stattfinden. Die Anschläge der Shabaab-Miliz verhinderten das, sagen Regierung und Bundesstaaten. Das ist aber längst nicht der einzige Grund. Von Bettina Rühl, epd



Mogadischu. Im Zentrum von Mogadischu sitzt Zahara Ahmed vor ihrem Laptop, daneben ein Cappuccino. Die 26-jährige Somalierin kommt gerne zum Arbeiten in das Café «Beydan». Die hohen Wände sind schwarz gestrichen, das ganze Ambiente wirkt sehr modern. In der gekühlten und beleuchteten Auslage liegen Brownies, Cheesecake und Wraps. Für Ahmed ist das Café mitten in der somalischen Hauptstadt ein Zeichen der Hoffnung. «Wir sind auf dem Weg in eine bessere Zukunft, davon bin ich überzeugt. Es ändert sich viel.» Cafés wie dieses habe es vor kurzem noch nicht gegeben. «Die Stadt entwickelt sich, auch wenn wir immer noch einige Probleme mit der Sicherheit haben.»



Man muss schon die kriegsgewohnten Nerven der somalischen Bevölkerung haben, um bei der weit verbreiteten Gewalt nur von «einigen Problemen» zu sprechen. Erst am vergangenen Sonntag verübte die islamistische Shabaab-Miliz wieder einen tödlichen Anschlag auf ein Hotel in der Innenstadt. Die Islamisten kontrollieren trotz der Präsenz der afrikanischen Eingreiftruppe Amisom weite Teile Somalias und verüben regelmäßig Anschläge. «Es wird besser werden», hofft Ahmed.



Dem könnte aber ausgerechnet das entgegenstehen, was eigentlich zur weiteren Stabilisierung Somalias beitragen soll: die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. «Vor den Wahlen haben alle Angst.»



Seit Monaten streiten die Regierung von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt «Farmajo», und die Bundesstaaten über den Ablauf der Wahlen. Dadurch hat sich alles erheblich verzögert. Eigentlich hätte am 8. Februar ein neuer Staatschef gefunden sein müssen, dann nämlich läuft das Mandat des jetzigen aus. Dafür hätte schon im Dezember mit den Wahlen begonnen werden sollen, aber bis heute gibt es noch nicht einmal Einigkeit über die Wahlkommission.



Der UN-Sondergesandte für Somalia, James Swan, warnte Ende Januar, Somalia gerate auf «unvorhersehbares Terrain», wenn nicht bis zum 8. Februar wenigstens ein Abkommen darüber getroffen sei, wie es weitergehen soll. Eigentlich hätte erstmals seit über 50 Jahren eine allgemeine, demokratische Parlamentswahl stattfinden sollen, mit einer Stimme für jede volljährige Bürgerin, jeden volljährigen Bürger.



Aber angesichts der anhaltend schlechten Sicherheitslage einigten sich die Vertreter der Bundesstaaten und der Zentralregierung am 17. September darauf, mit leichten Abweichungen auf das komplizierte indirekte Wahlverfahren von 2016 zurückzugreifen: Delegierte der Clans ernennen Wahlmänner und -frauen, die zwei Kammern des Parlaments wählen. Senat und Unterhaus wählen dann den Präsidenten.



«Das Problem ist, dass es in Somalia keine rechtliche Grundlage dafür gibt, wie Wahlen abgehalten werden müssen», sagt Hussein Sheikh Ali, Leiter des somalischen Think Tanks Hiraal Institute. Es hänge deshalb alles davon ab, dass sich die Politiker auf ein Modell einigten, wonach sie gegeneinander antreten wollen. Nach Jahrzehnten von Anarchie und Bürgerkrieg hat der Staat im Wiederaufbau noch immer keine Verfassung.



Zwar stimmte das erste Parlament 2012 mit überwältigender Mehrheit für einen Verfassungsentwurf, aber der ist bis heute nicht ratifiziert. Deshalb gibt es auch keine verbindliche Arbeits- und Gewaltenteilung zwischen der Zentralregierung und den Bundesstaaten.



Während seiner Amtszeit hat Präsident Farmajo in die Wahlen mehrerer Teilstaaten hineinregiert und sie so gegen sich aufgebracht. «Farmajo ist ein Diktator», erklärte General Yusuf Mohamed Siyad bei einem Gespräch mit dem epd. Wenn bis zum 8. Februar nicht wenigstens ein Abkommen über das weitere Vorgehen geschlossen sei, werde er zu den Waffen greifen. «Eine Diktatur werden wir nicht akzeptieren.»



Der 63-jährige Militär mit dem Spitznamen Inda'Adde, «der Einäugige», war in seinem langen Leben schon Warlord und Verteidigungsminister, hat oft die Seiten gewechselt. Es gibt keinen ernsthaften Zweifel daran, dass er das noch einmal tun würde. Und er ist nicht der einzige, einige Clanführer haben ihre Kämpfer schon wieder versammelt. Währenddessen steigen in Mogadischu die Preise für Waffen. In Somalia ist das bis heute ein gutes Fieberthermometer für die politische Lage. (epd)