"Der Papst muss sich entschuldigen"

Die Reaktion der Muslime auf seine Rede hätte der Papst vorhersehen müssen. Nun sei es dringend geboten, sich unmissverständlich zu entschuldigen, meint die in London lebende Islamismus-Expertin Maha Azzam.

Papst Benedikt XVI. habe die Reaktion der Muslime auf seine Rede vorhersehen müssen. Nun sei es dringend geboten, sich unmissverständlich zu entschuldigen, denn der Islam sei eine Religion, in der der Vernunft ein hoher Wert beigemessen wird, meint die in London lebende Islamismus-Expertin Maha Azzam.

Papst Benedikt XVI in Regensburg; Foto: AP
Die Äußerungen des Papstes in Regensburg seien eine bösartige Entstellung des Islam, glaubt Maha Azzam

​​Auf muslimischer Seite heißt es, Papst Benedikt XVI habe sich nicht entschuldigt, sondern lediglich erklärt, dass die Muslime ihn nicht richtig verstanden hätten. Würden Sie dem zustimmen? Sollte sich der Papst noch einmal in aller Deutlichkeit entschuldigen?

Maha Azzam: Die Entschuldigung des Papstes war tatsächlich lediglich ein Ausdruck des Bedauerns darüber, dass seine Rede Verletztheit und Wut ausgelöst hat. Er nahm aber nichts zurück, und eine Entschuldigung für seine beleidigenden Äußerungen war es auch nicht. Es ist nur schwer nachzuvollziehen, dass der Vatikan nicht vorhergesehen hat, dass das Zitat von Kaiser Manuel II Paläologos zum Verhältnis von Religion und Gewalt im Allgemeinen von den Muslimen als äußerst beleidigend empfunden werden würde.

Doch auch wenn dem Papst ein solcher Fehler ganz aus Versehen unterlaufen sein sollte, besteht der einzige Weg, den Zorn der Muslime zu besänftigen, in einer deutlichen, ganz unmissverständlichen Entschuldigung statt in einer solch indirekten wie bisher.

Entspringen die Proteste gegen die Papstrede einer echten Empörung oder ist der Aufruhr gesteuert und wird von den Islamisten politisch instrumentalisiert?

Azzam: Es spricht vieles dafür, dass diese Proteste Ausdruck einer aufrichtigen Empörung sind. Man fühlt, dass der Islam falsch dargestellt wurde. Die Tatsache, dass islamistische Gruppen und Parteien in dieser Situation den Protest organisieren und neuen mobilisieren, bedeutet nicht, dass er künstlich herbeigeführt worden wäre und nicht auch spontan stattgefunden hätte.

Maha Azzam; Foto: Chatam House
Maha Azzam - Islamismus Expertin

​​Vergessen wir auch nicht, dass in großen Teilen der islamischen Welt Demonstrationsrechte beschnitten und Kundgebungen verboten werden aus Angst, dass sie sich letztlich gegen die eigenen Regierungen wenden könnten. Gäbe es weniger Beschränkungen, hätten wir wahrscheinlich noch mehr Proteste erlebt.

Gemäßigte Staatsmänner wie Mohammed VI. von Marokko und Alliierte des Westens wie Pervez Musharraf in Pakistan stimmten in den Protestchor mit ein. Wenden sich diese bisher als "Mediatoren" agierenden Führer nun vom Westen ab oder handelt es sich doch nur um strategische Zugeständnisse an die öffentliche Meinung?

Azzam: Diese Führer, wie auch viele andere in der muslimischen Welt, wissen, dass sie bei solchen Fragen nicht abseits stehen können, und selbstverständlich spielt hier öffentlicher Druck eine Rolle. Dennoch mögen auch sie die Äußerungen als unzulässige Angriffe auf den Islam empfunden haben. Dafür nehmen sie es dann auch in Kauf, dass ihre Position als Alliierte des Westens geschwächt wird.

Die Reaktionen auf die Äußerungen des Papstes lassen den Eindruck entstehen, dass jede Kritik am Islam als unzulässig empfunden wird, wenn sie von außen kommt. Würden Sie sagen, dass innerhalb des Islam eine Diskussion über die eigenen Grundsätze möglich ist?

Azzam: Man sollte zuvor vielleicht daran erinnern, dass keine Religion glücklich ist über Kritik an ihren Traditionen und Grundüberzeugungen, die auf Falschinformation gründet. Im Fall der dänischen Karikaturen ging es darum, den Islam lächerlich zu machen, bei den Äußerungen des Papstes um eine bösartige Entstellung unseres Glaubens.

Der Islam ist eine Religion, in der der Vernunft und dem Fortschritt ein hoher Wert beigemessen wird. Und doch: Anzunehmen, dass diese Ziele gefördert werden durch die Kritik an den Grundfesten des Glaubens und an den Prinzipien, von denen sich ihre Anhänger leiten lassen, hieße, dem Säkularismus auf den Leim zu gehen. Der Säkularismus ist eine Kraft, die danach strebt, der Religion im Leben der Menschen höchstens noch die zweite Stelle zukommen zu lassen.

Inwieweit spielt die Nahostfrage in der Papstdebatte eine Rolle, also die Situation im Iran, Irak und im Libanon?

Azzam: Diese regionalen Konflikte sind etwas, was die Muslime immer sehr besorgt und bekümmert. Dennoch glaube ich, dass die Papstrede auch dann Zorn und Bestürzung ausgelöst hätte, wenn diese Region gerade nicht derart im Fokus des Weltinteresses stünde.

Was muss getan werden, damit die Kluft zwischen "dem Westen" und "den Muslimen" überbrückt werden kann?

Azzam: Es muss eine gemeinsame Anstrengung sowohl der Völker als auch ihrer Regierungen im Westen wie in den muslimischen Ländern geben, um zu einem besseren Verständnis des Anderen, seiner Werte und Grundüberzeugungen zu gelangen. Der Westen sollte in seiner Politik die Muslime als gleichrangige Partner behandeln und ihre Besorgnisse stärker berücksichtigen.

Die Muslime ihrerseits müssen ihren Willen und ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, für ihre Prinzipien zwar einzustehen, zugleich jedoch auch klarmachen, dass Gewalt gegen Zivilisten all ihren Glaubensüberzeugungen zuwiderläuft.

Interview Lewis Gropp

© Qantara.de 2006

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