Vor 75 Jahren stimmten die UN für eine Teilung Palästinas KNA / 5.12.2022

1947 hätte es die Möglichkeit für die Gründung jeweils eines jüdischen und eines arabischen Staates zwischen Jordan und Mittelmeer gegeben. Dazu kam es bekanntlich nicht. Von Kriegen, vertanen Chancen, Mauern und Zäunen.

Jerusalem/Bonn (KNA) Hier sind die Warteschlangen lang, und die Sperrmauer ragt in die Höhe: Wer den Checkpoint Qalandia überquert, gelangt von Jerusalem in Richtung Ramallah, wo die Palästinensische Behörde ihren Sitz hat. Die Passage durch diesen und andere Kontrollpunkte kann für Palästinenser langwierig und umständlich sein - und mitunter gefährlich, für beide Seiten, was immer wieder teils tödlich endende Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gezeigt haben.



Der Checkpoint sieht mit seinen Ampeln, bewaffnetem Personal und Wachhäuschen wie ein regulärer Grenzübergang zwischen zwei Staaten aus. Was er freilich nicht ist, denn das besetzte Westjordanland ist nicht Palästina im Sinne eines souveränen Staates. Lediglich das sogenannte A-Gebiet, das einen Minderheitenteil des Landstriches und vor allem die großen Städte umfasst, fällt offiziell komplett unter palästinensische Verwaltung.



Eine Chance auf zwei eigenständige Staaten gab es vor 75 Jahren im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina: Am 29. November 1947 nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution 181 (II) an - gegen die Voten unter anderem der arabischen Staaten. Der Teilungsplan erhielt 33 Ja-, 13 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen.



In dem Dokument heißt es, dass das Mandat für Palästina spätestens am 1. August 1948 enden solle. Und: "Zwei Monate nach Abschluß des Abzugs der Streitkräfte der Mandatsmacht, in jedem Fall spätestens am 1. Oktober 1948, entstehen in Palästina ein unabhängiger arabischer Staat und ein unabhängiger jüdischer Staat sowie das (...) vorgesehene internationale Sonderregime für die Stadt Jerusalem."



Eine Wirtschaftsunion sollte die Staaten verbinden. Auch gab es Regelungen zu Transit, Menschenrechten oder den Umgang mit religiösen Stätten. Ausführlich beschreibt der Text die Grenzverläufe. Die Pläne sahen 43 Prozent des Gesamtgebietes für den arabischen und 56 Prozent für den jüdischen Staat vor. 1947 lebten rund 600.000 Juden und etwa 1,2 Millionen Araber in Palästina.



Ein Blick zurück: Bei der San-Remo-Konferenz von 1920 mit den Siegermächten des Ersten Weltkriegs war Großbritannien das Mandat für Palästina übertragen worden, nach der Niederlage des Osmanischen Reiches. Der Völkerbund bestätigte das Mandat 1922. Im Zuge der zionistischen Bewegung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, Pogromen in Osteuropa und später der NS-Verbrechen wanderten Juden nach Palästina ein - sofern die Briten sie ließen.



Immer wieder kam es zu teils heftigen jüdisch-arabischen Kämpfen um Besiedlung und Vorherrschaft - und auch schon vor dem UN-Plan zu Überlegungen zur Teilung Palästinas. Ein UN-Sonderausschuss empfahl schließlich die Gründung zweier Staaten, um Konflikte zu befrieden. Dazu kam es nicht, auch wenn die UN die Resolution 181 annahmen. Während die jüdische Seite weitgehend einverstanden war, lehnte die arabische Seite eine Teilung unter diesen Bedingungen ab.



Die Auseinandersetzungen ebbten nicht ab. Nach der Staatsgründung Israels am 14. Mai 1948 brach der erste arabisch-israelische Krieg aus: Arabische Länder der unmittelbaren Umgebung griffen den jungen Staat an. 1949 kam ein Waffenstillstandsabkommen unter UN-Vermittlung zustande. Gleichwohl gab es weitere Kriege, 1979 und 1994 dann Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien. Ab 2020 folgte zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen das Abraham-Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und Sudan.



Die Waffenstillstandslinie von 1949, "Grüne Linie" genannt, trennte seinerzeit auch Ortschaften und Familien. Jenseits dieser Linie befinden sich die von Israel im Sechs-Tage-Krieg von 1967 eroberten Golanhöhen und das Westjordanland.



2002 begann Israel im Zuge der zweiten Intifada, eines gewaltsamen palästinensischen Aufstandes, mit dem Bau von Sperranlagen entlang der palästinensischen Gebiete, die als Schutz gedacht sind. Mehrere hundert Kilometer Zaun und Mauer sind bisher fertiggestellt - und hoch umstritten, teils auch in Israel. Mauer und Umzäunungen sind in Ostjerusalem in Sichtweite, ebenso entlang des weiteren Westjordanlandes und Gazastreifens. Gleichwohl sind die Sperren auch durchlässig: Es gibt Palästinenser, die mit Passierscheinen legal in Israel arbeiten, und solche, die illegal dort arbeiten.



Ganz nah am weitgehend von Israel und teilweise Ägypten abgeriegelten Gazastreifen liegt Sderot. Wenn es Raketenalarm gibt, bleiben den Menschen dort nur wenige Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. Deswegen gibt es - anders als im Gazastreifen - an vielen Stellen der Stadt und an Bushaltestellen Schutzunterstände. Mauer und Umzäunung sind ebenfalls präsent. Angesichts dieser Anlagen kann man ähnlich wie in Qalandia im Norden die Illusion von zwei Staaten bekommen.



Eine Lösung des Konflikts ist weit entfernt - zu groß sind Hindernisse wie der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten, die Frage des Rückkehrrechts von Palästinensern und Radikale auf beiden Seiten. Kurz vor der Wahl am 1. November, aus der Benjamin Netanjahu (Likud) als designierter Ministerpräsident hervorging, hatte der damalige Ministerpräsident Jair Lapid vor der UNO-Vollversammlung in New York eine Zwei-Staaten-Lösung befürwortet.



Eine Umfrage des Israel Democracy Institutes kurz danach ergab, dass eine Mehrheit der Israelis (57,5 Prozent) dagegen ist. Mitte September, vor Lapids Äußerungen, führte das Palestinian Center for Policy and Survey Research eine Umfrage im Westjordanland und im Gazastreifen durch: Demnach waren um die 60 Prozent gegen eine Zwei-Staaten-Lösung - als größtes Hindernis sah eine Mehrheit der Befragten israelische Siedlungen an.