Gesetze gegen Gotteslästerung als Polit-Waffe in Südostasien

Verurteilungen wegen Blasphemie sind den vergangenen Jahren bezeichnend für Pakistan geworden. Aber auch in anderen asiatischen Ländern werden entsprechende Gesetze gegen Minderheiten eingesetzt.

Jakarta. Im Januar verurteilte ein indonesisches Gericht einen muslimischen Geistlichen wegen Blasphemie zu fünf Monaten Gefängnis. Der vom Christentum zum Islam konvertierte Muhammad Yahya Waloni hatte auf YouTube die Bibel als reine Fiktion bezeichnet.



Der vom Islam zum Christentum übergetretene YouTuber Muhammad Kace wurde im April wegen Blasphemie und Hassreden zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Ebenfalls im April wurde der Protestant Ferdinand Hutahaean wegen Blasphemie verurteilt, weil der Politiker der Demokratischen Partei auf Twitter Allah als einen "schwachen" Gott bezeichnet hatte.



Indonesien ist ein mehrheitlich muslimisches Land, in dem seit einigen Jahren ein ultrakonservativer Islam zunehmend an Einfluss gewonnen hat. Blasphemie ist im indonesischen Strafrecht eine Straftat - und die entsprechende Gesetzgebung wird oft als Waffe gegen Unbequeme und Angehörige religiöser Minderheiten eingesetzt. 2017 stürzten Hardliner mit dem Vorwurf der Blasphemie den Christen Basuki Tjahaja Purnama als Gouverneur von Jakarta. Er wurde wegen "Beleidigung des Koran" zu zwei Jahren Haft verurteilt.

"Bewahrung des staatlich geförderten Glaubens"



"Die Häufigkeit der Anklagen und Verurteilungen wegen Blasphemie hat seit dem Übergang des Landes zur Demokratie im Jahr 1998 erheblich zugenommen", heißt es in einem Bericht des US-Außenministeriums. Seit 2010 habe das Verfassungsgericht dreimal das zugrundeliegende Gesetz als angemessenes Mittel zur Bekämpfung interreligiöser Spannungen bestätigt.



Solche Regelungen in Südostasien basieren demnach auf verschiedenen Faktoren. Eine bedeutende Rolle spielen etwa das europäische Kolonialerbe sowie Interpretationen des Buddhismus und des Islam durch Staat und Behörden. "Blasphemiegesetze werden oft gepaart mit Gesetzen gegen den Abfall vom (offiziellen) Glauben oder gegen Hassreden - zur Bewahrung des staatlich geförderten Glaubens", heißt es in der Analyse der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit. Auch würden so oft Selbstjustiz und die Verfolgung religiöser Minderheiten legitimiert.



Unter die Lupe genommen hat die Kommission des US-Außenministeriums die Lage in sieben von zehn Ländern des Staatenbundes ASEAN. Nicht betrachtet wurden die kommunistisch regierten Staaten Laos und Vietnam sowie das autoritär regierte Kambodscha.



Als unauffällig in Sachen Blasphemie gelten die katholischen Philippinen sowie das multireligiöse Singapur. Auf den Philippinen wird der Blasphemieparagraf so gut wie nie angewendet. Im "restriktiven Umfeld" des Stadtstaates Singapur sei die Meinungsfreiheit zwar eingeschränkt. Blasphemiegesetze hätten jedoch seit Jahren keine praktische Bedeutung mehr.

Politischer Islam in Malaysia: Trend zur Islamisierung



Im buddhistisch geprägten Myanmar stellt das noch aus der britischen Kolonialzeit stammende Strafrecht "die Beleidigung religiöser Gefühle" unter Strafe. "Seit dem Staatsstreich vom Februar 2021 sind keine neuen Fälle der Durchsetzung von Blasphemiegesetzen bekannt geworden", heißt es im US-Bericht. Anders sei die Situation in den zehn Jahren des demokratischen Übergangs vor dem Coup gewesen. Auf Druck der radikalen Mönchsbewegung Ma Ba Tha seien Politik und Justiz hart gegen angebliche Feinde des Buddhismus vorgegangen.



Ein notorischer Täter beim diskriminierenden Einsatz der Blasphemiegesetzgebung ist das mehrheitlich islamische Malaysia: Gotteslästerung steht sowohl in der weltlichen Gesetzgebung sowie im parallel praktizierten Schariarecht unter Strafe. "Da die politische Instabilität zuletzt zugenommen hat, nutzen vor allem malaiisch-muslimische Parteien ethno-religiöse, nationalistische Gefühle für ihre Zwecke aus", lautet die Auswertung der US-Experten. Alle Regierungen der vergangenen Jahre hätten Regulierung und Schutz der staatlich geförderten Interpretation des Islam verstärkt.



Als Sonderfälle können das islamische Sultanat Brunei und das überwiegend buddhistische Königreich Thailand angesehen werden. In Brunei gebe es keine Religionsfreiheit, stellen die Beobachter knapp fest. Im Schariastrafrecht des Sultanats seien zwar restriktive und rigorose Blasphemie-Gesetze enthalten. Inwieweit sie angewandt würden, sei allerdings unbekannt. Da die Regierung von Brunei den Informationsfluss streng kontrolliere, gebe es keine zugängliche Dokumentation.



Die Verfassung Thailands garantiert Religionsfreiheit und weist dem König die Rolle als höchstem Beschützer des Buddhismus "und aller Religionen" zu. Jegliche Kritik am König wird aber auf Grundlage des Gesetzes gegen Majestätsbeleidigung hart bestraft. Anklagen und Verurteilungen wegen "Majestätsbeleidigung" haben seit dem Putsch 2014 sprunghaft zugenommen.



Die Monarchen Thailands gelten zudem als Gottkönige. Zwar seien, so die US-Kommission, die meisten einschlägigen Anklagen politisch motiviert. Aber durch ein Urteil des Verfassungsgerichts von 2012, das den König für "heilig" erklärte, sei die Grenze zwischen Majestätsbeleidigung und Blasphemie überschritten worden.



Das Gesamt-Fazit der Experten für Religionsfreiheit klingt mit Blick auf die ASEAN-Staaten wenig zuversichtlich: Die Kriminalisierung von Äußerungen, die als Beleidigung der Religion empfunden werden könnten, bleibe in der Region "durchweg ein hartnäckiges Problem". (KNA)

 

 

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