Expertenanhörung im Bundestag zu Völkermord an den Jesiden

Tausende Jesidinnen und Jesiden wurden von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ermordet - bei einer Anhörung im Bundestag plädierten am Montag Experten und Betroffene dafür, dass Deutschland die Geschehnisse im Nordirak als Völkermord anerkennt. Auch die Vertreter der Fraktionen äußerten Unterstützung.



Im August 2014 verübte der IS in der nordirakischen Stadt Sindschar und Umgebung systematisch Ermordungen, Vergewaltigungen und Versklavungen mit der Absicht, die ethnisch-religiöse Gruppe der Jesiden zu zerstören. Mehr als 5.000 Jesidinnen und Jesiden wurden dabei nach Zahlen des Deutschen Bundestages getötet. Bis heute leben viele Jesiden in Flüchtlingslagern im Irak und in der weltweiten Diaspora.



Es handele sich eindeutig um einen Völkermord, betonte der stellvertretende UN-Generalsekretär Christian Ritscher. Alle Kategorien des Völkermordtatbestandes seien erfüllt. Der Leiter des Ermittlungsteams zu den Verbrechen (UNITAD) nannte Massenhinrichtungen, die Tötung von fliehenden Jesiden sowie langanhaltende Versklavung und Missbrauch von jesidischen Frauen. Der Strafrechtler Florian Jeßberger ergänzte, es sei darüber hinaus vielfach der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit erfüllt.



Die Zeitzeugin Hakeema Taha berichtete von der Verschleppung aus ihrem Dorf im Nordirak und vom Zwang, zum Islam zu konvertieren. In der IS-Gefangenschaft sei sie schlecht behandelt worden, wiederholte die junge Frau mehrfach.



Der Co-Vorsitzende der Stelle für Jesidische Angelegenheiten in Berlin, Gohdar Alkaidy, betonte die Rolle Deutschlands in der Anerkennung des Völkermords. In Deutschland befindet sich demnach die größte jesidische Diaspora.



Mehrere Sachverständige riefen dazu auf, die Rückkehr von Jesiden in ihre Heimatregion zu unterstützen. Dazu brauche es vor Ort den Aufbau von Infrastruktur, Sicherheit und Arbeitsplätze. Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, Irfan Ortac, forderte die juristische Verfolgung der Täter und die Schaffung eines Gedenkorts für die Opfer des Genozids in Deutschland.



Der Psychologe Jan Ilhan Kizilhan betonte, es brauche Perspektiven, damit die Menschen die erlebten Traumata verarbeiten könnten. "Die Folgen des Genozids sind nicht zu Ende, nur weil die psychische Vernichtung jetzt beendet worden ist", sagte der Fachmann, der im Irak Psychotherapeuten ausbildet. (KNA)

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