EU schließt Migrationsabkommen mit Tunesien

Tunis. Die Europäische Union hat ein umfassendes Abkommen mit Tunesien geschlossen, das Flüchtlinge von der irregulären Migration in die EU abhalten soll und dem nordafrikanischen Staat im Gegenzug umfangreiche Finanzhilfen in Aussicht stellt. Die Vereinbarung solle unter anderem die Kooperation im Kampf gegen Schleuser verbessern, sagte am Sonntag EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Tunis. Zugleich kann Tunesien auf finanzielle Unterstützung in Höhe von über einer Milliarde Euro hoffen.



Von Tunesien aus versuchen immer wieder unzählige Menschen aus afrikanischen Staaten, mit einer gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer in die EU zu gelangen. Durch die nun vereinbarte "umfassende strategische Partnerschaft" solle irreguläre Migration zurückgedrängt sowie die wirtschaftliche Entwicklung Tunesiens gefördert werden, sagte von der Leyen.



Die Kommissionschefin äußerte sich nach Gesprächen mit dem tunesischen Staatschef Kais Saied im Präsidentenpalast in Tunis. Sie wurde bei ihrem Besuch von der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, in deren Land besonders viele Migranten ankommen, und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte begleitet. Die drei europäischen Politiker hatten Saied bereits vor gut einem Monat getroffen.



"Wir brauchen eine effektive Zusammenarbeit mehr denn je", sagte von der Leyen. Mit dem Abkommen solle nicht nur besser gegen Schleuser und Menschenhändler vorgegangen werden, sondern beispielsweise auch die Suche nach möglicherweise in Not geratenen Flüchtlingen und deren Rettung verbessert werden.



Das nun geschlossene Abkommen sieht 105 Millionen Euro EU-Gelder für Tunesien für den Kampf gegen irreguläre Migration vor. Zudem sind 150 Millionen Euro Haushaltshilfen für das nordafrikanische Land geplant, das unter einer massiven Staatsverschuldung leidet. Bei ihrem Besuch vor gut einem Monat hatten die drei europäischen Politiker außerdem weitere 900 Millionen Euro langfristige Unterstützung über mehrere Jahre in Aussicht gestellt, beispielsweise in Form von Darlehen.



Diese langfristigen Finanzhilfen sollten wie angekündigt fließen, "sobald die nötigen Voraussetzungen" erfüllt sind, sagte von der Leyen nun. Dazu zählt vor allem eine Einigung der Regierung in Tunis mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über neue Kredite - die Verhandlungen darüber stecken allerdings seit Monaten in einer Sackgasse.



Das stark verschuldete Tunesien erhält derzeit keine zusätzlichen Kredite im Ausland. Im Land selbst kommt es immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Zucker und Reis, die vom Staat gekauft und importiert werden.



Staatschef Saied schlägt zudem seit Jahresbeginn zunehmend fremdenfeindliche Töne an. Im Februar forderte er in einer Rede, gegen die illegale Einwanderung von "Horden" von Menschen aus Ländern südlich der Sahara vorzugehen. Die Rede, die international auf Empörung stieß, löste eine Welle der Gewalt gegen Migranten aus Ländern des südlichen Afrika aus. Zudem sollen tunesische Sicherheitskräfte immer wieder Flüchtlinge in unwirtliche Gebiete drängen.



Erst am Wochenende retteten libysche Grenzschützer mindestens 80 in der Wüsten-Grenzregion zu Tunesien gestrandete Migranten, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die Männer, Frauen und Kinder aus Ländern südlich der Sahara waren eigenen Angaben zufolge in dem Wüstengebiet von den tunesischen Behörden ausgesetzt und ohne Wasser und Nahrung zurückgelassen worden. (AFP)