Kampf gegen den angeblichen "Liebes-Dschihad"

Rechte Hindu-Politiker versuchen in Indien gegen Partnerschaften zwischen Muslimen und Hindus mobil zu machen. Sie schüren damit die Angst vor einem angeblichen "Liebes-Dschihad". Von Natalie Mayroth

Für Salman Ahmed war klar, dass er seine Partnerin heiraten will - auch wenn sie verschiedenen Religionen angehören. Dafür riskierte der Muslim aus dem indischen Bundesstaat Maharashtra den Bruch mit seinen Angehörigen. "Meine Familie war nicht damit einverstanden, dass sie Hindu ist", erzählt der 31-Jährige, der eigentlich anders heißt, aber zum Schutz seines Privatlebens seinen Namen nicht öffentlich machen will.

Zwar nahmen die Eltern des Paares die Entscheidung der beiden schließlich hin. Doch zur Hochzeit vor knapp eineinhalb Jahren erschienen weder Ahmeds Vater noch sein Bruder. Vor allem in Städten wie Mumbai gibt es immer mehr Kasten und Religionen übergreifende Paare. Doch die zunehmende politische Polarisierung bereitet vielen von ihnen Sorgen.

Ein im November öffentlich gewordener Mordfall hat wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Die junge Hindu-Frau Shraddha Walkar wurde von ihrem muslimischen Lebensgefährten brutal ermordet und verscharrt. Bei der Verhandlung wurde der Angeklagte von einem unbekannten Ort aus zugeschaltet, damit sich kein wütender Mob vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Schnell haben rechte Hindu-Politiker die Gelegenheit ergriffen, um generell gegen Partnerschaften zwischen Muslimen und Hindus mobil zu machen.

Bei Eheleuten verschiedener Religionen wird oft von Frauen erwartet, die Religion des Mannes anzunehmen. Hier setzt eine populäre Verschwörungstheorie an: Demnach versuchten Muslime, langfristig die Demografie Indiens zu verändern, indem sie gezielt Hindu-Frauen zum Islam verführen. Der "Love Jihad" (deutsch: "Liebes-Dschihad") ist zu einem Kampfbegriff geworden.

Islamfeindliche Verschwörungstheorie 

Bislang war dieser Ton im westindischen Bundesstaat Maharashtra, wo Ahmed und seine Frau leben, weniger laut. Doch nun regen Politiker auch hier nach dem Vorbild des Bundesstaates Uttar Pradesh ein Gesetz zur "Eindämmung des Liebes-Dschihads" an, wie der radikale Hindu-Politiker Yogi Adityanath der Regierungspartei BJP es nannte. Zu den Befürwortern zählt unter anderem Chitra Wagh, die Vorsitzende des Frauenflügels der BJP in Maharashtra. Es würde helfen, Fälle wie den Mord an Walkar einzudämmen, sagt sie.

 

 

In Uttar Pradesh müssen seit Ende 2020 religiöse Konversionen zum Zweck der Heirat von einem Bezirksrichter genehmigt werden. Ein unrechtmäßiger Religionswechsel kann mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Zahlreiche Experten halten das Gesetz für verfassungswidrig. Unter ihnen ist der ehemalige Vorsitzende der Rechtskommission, der Richter Ajit Prakash Shah. Ähnliche Rechtsvorschriften gibt es auch in den Bundesstaaten Uttarakhand, Karnataka und Haryana.

Obwohl in der westindischen Metropole Mumbai Ende Januar Tausende Demonstrierende, darunter auch BJP-Politiker, gegen den "Liebes-Dschihad" auf die Straße gingen, können sich viele Menschen hier ein solches Gesetz nicht vorstellen. Die Regierung von Maharashtra hat allerdings im Dezember ein Komitee eingerichtet, um auch Ehen zwischen Hindus und Muslimen im Blick zu behalten. Das Gremium soll detaillierte Informationen über Paare in kasten- und religionsübergreifenden Ehen sammeln. Es kann zudem prüfen, ob Frauen sich von ihren Familien "entfremdet" haben und in diesem Fall den Eltern Hilfe anbieten.

Ahmed, der wie seine Frau in der Medienbranche arbeitet, ist darüber bisher weniger besorgt. Nach der Hochzeit habe seine Frau ihre Konfession und ihren Familiennamen behalten, erzählt er. Inzwischen ist das Paar in Mumbai zusammengezogen. Große Anfeindungen erleben sie in ihrem Alltag nicht. Doch sie wissen um die wachsende Politisierung. (epd) 

 

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