Bilder, keine Worte 

"Irak, la beauté invisible“ (dt. "Irak, unsichtbare Schönheit“) ist ein Dokumentarfilm über das Leben des verstorbenen irakischen Fotografen Latif al-Ani. Als einer der Pioniere der Fotografie im Irak und im gesamten Nahen Osten erlangte er internationale Anerkennung.
"Irak, la beauté invisible“ (dt. "Irak, unsichtbare Schönheit“) ist ein Dokumentarfilm über das Leben des verstorbenen irakischen Fotografen Latif al-Ani. Als einer der Pioniere der Fotografie im Irak und im gesamten Nahen Osten erlangte er internationale Anerkennung.

"Irak, la beauté invisible“ (dt. "Irak, unsichtbare Schönheit“) ist ein Dokumentarfilm über das Leben des verstorbenen irakischen Fotografen Latif al-Ani. Als einer der Pioniere der Fotografie im Irak und im gesamten Nahen Osten erlangte er internationale Anerkennung. Shady Lewis Botros hat ihn für Qantara.de gesehen.

Von Shady Lewis Botros

In Roadmovies sind die Schauplätze zentraler Bestandteil der Handlung. Die Reise zwischen zwei Punkten wird zur Metapher für die innere Entwicklung der Protagonisten. In den "Rückkehr“-Filmen zieht es die Protagonisten an den Ausgangspunkt ihres Lebens zurück. Häufig werden diese Filme als Unterkategorie der Roadmovies betrachtet.

In beiden Genres werden Bewegungen so inszeniert, dass sie gleichzeitig stattfinden oder sich überschneiden: auf der Ortsachse und auf der Zeitachse. In der "Rückkehr" findet die Bewegung gegen die Zeit statt. Am Ort der Rückkehr angekommen, erweist sich dieser stets als fremd. Die Bewegung zwischen dem Ort und dem, was aus ihm geworden ist, findet also in zwei verschiedenen Zeiträumen statt.



Der Dokumentarfilm "Irak, la beauté invisible“ des kurdischen Regisseurs Sahim Omar Kalifa und des belgischen Regisseurs Jurgen Buedts führt den irakischen Fotografen Latif al-Ani auf die Suche nach den Orten, die er zwischen den 1950er und 1970er Jahren im Bild festgehalten hat. Latif al-Ani (1932-2021) arbeitete Anfang der 1950er Jahre als Fotograf für die Iraq Petroleum Company. Später war er für verschiedene staatliche Einrichtungen der irakischen Regierung und deren Publikationen tätig. 

Der irakische Fotograf Latif al-Ani; Foto: Las Belgas
Ein anderer Blick auf die Welt: Latif al-Ani (1932-2021) arbeitete Anfang der 1950er Jahre als Fotograf für die Iraq Petroleum Company. Später war er für verschiedene staatliche Einrichtungen der irakischen Regierung und deren Publikationen tätig. Al-Ani gehört zu den bedeutendsten Fotografen m Nahen Osten.



In einer Szene zeigt al-Ani auf eine Aufnahme von König Faisal II., die von ihm stammt. Er berichtet, dass bei der Krönung Faisals der Strom im Palast ausgefallen sei, worauf der junge König eigenhändig den Notstromgenerator angeschlossen und eingeschaltet habe. Weitere Bilder von al-Ani zeigen unter anderem ein Foto, das er im Juli 1958 vom Dach der britischen Botschaft aufgenommen hat.

Rauch steigt über Bagdad auf, nachdem der König und seine Familie durch einen Militärputsch gestürzt worden waren. Wir sehen weitere Bilder der Putschisten Abd al-Karim Qasim und Abd as-Salam Arif und in der Folge Bilder von weiteren Staatsstreichen bis hin zu Aufnahmen von Machthaber Saddam Hussein. Zu dieser Zeit verließ al-Ani den Irak und ging ins Exil. 

Geschichte und Vielfalt des Landes 

Der Film entfaltet vor dem Zuschauer die Geschichte des modernen Irak und seines wiederholten Untergangs – erzählt von einem Augenzeugen. Mit politischen Äußerungen hält sich al-Ani weitgehend zurück. Sein Verdienst ist es vor allem, die Schönheit des Landes im Laufe seiner langen beruflichen Tätigkeit eingefangen und dokumentiert zu haben. So trug er zum Aufbau eines nationalen Fotoarchivs bei. Viele seiner Aufnahmen sind zu ikonischen Bildern des Irak, seiner Orte und seiner Menschen geworden. 

Sein Archiv zeigt auch die ethnische Vielfalt des Irak, von Beduinen über Kurden bis hin zu Jesiden und vielen anderen. Wir sehen Landschaftsaufnahmen ebenso wie fotografische Dokumente der Architektur – Moscheen, Ölpipelines, Häuser und Staudämme.



In einer Szene erzählt al-Ani von einer Autofahrt durch die USA von Ost nach West. Er berichtet, wie er und seine irakischen Landsleute damals gehofft hatten, der Irak würde so werden wie die USA. Was ist heute davon geblieben? 

Der Film dokumentiert auch einen doppelten Verlust: Er stellt die Gegenwart neben Bilder aus der Vergangenheit von Orten, die al-Ani damals fotografiert hat. Wie in einem Brennglas werden so die Zerstörung und die Kluft zwischen Bild und Wirklichkeit sichtbar.

 

 





Regisseur Sahim Omar Kalifa begleitet al-Ani nach Mossul, wo er die Verwüstung seiner geliebten Stadt nach der Übernahme durch den IS sieht. Unter Bergen von Schutt und Trümmern liegen noch immer Leichen begraben, erzählen die Menschen. Hier bittet al-Ani, das Auto zu holen. Weiter kann der alte Mann nicht mehr. 

"Bilder, keine Worte“, kommentiert al-Ani in einer Szene. Das Foto bleibt ein einzigartiges Zeitdokument. Die Frage stellt sich: Was bleibt übrig, wenn auch das Bild zerstört wird? Hier wird die zweite Dimension des Verlustes spürbar, die auch die Erinnerung betrifft. Al-Anis Werk umfasste einst mehr als 200.000 Fotografien. 2.000 davon – weniger als ein Prozent – blieben übrig, nachdem das Nationale Fotoarchiv 2003 im Irakkrieg völlig zerstört wurde. Im heutigen Irak betrifft die Zerstörung auch Bilder aus der Vergangenheit des Landes. 

Über das Privatleben al-Anis erfahren wir wenig. Anhand einiger Familienfotos erfahren wir vom frühen Tod eines seiner beiden Söhne. Einzelheiten über diese persönliche Tragödie erfährt man nicht. Im Rückblick ist der Film eine Hommage der besonderen Art an den Irak, die mehr von Schönheit als von Trauer geprägt ist.



Der Bitterkeit kontrastiert mit dem stets präsenten Sinn für Humor al-Anis. Auch in der Begegnung mit Menschen in den Gebieten, die er nun erneut besucht und von denen er sich gleichzeitig zum letzten Mal verabschiedet, bleibt er gelassen. 

Shady Lewis Botros 

© Qantara.de 2023



Übersetzt aus dem Englischen von Gaby Lammers
 

Unter dem Titel "Iraq's Invisible Beauty“ läuft der Film derzeit in Kinos in ganz Großbritannien.