Russen in Afrika - Wagner-Chef Prigoschin will Einfluss ausbauen

Auf dem von Krisen und Kriegen geschüttelten afrikanischen Kontinent mischen Russen oft an vorderster Front mit. Dabei setzt Kremlchef Putin auf seinen Mann fürs Grobe: Jewgeni Prigoschin. Der Chef der Privatarmee Wagner will Moskaus Einfluss dort massiv ausbauen. Von Christina Peters und Ulf Mauder, dpa



Dakar/Moskau. Als Chef der berüchtigten russischen Wagner hat Jewgeni Prigoschin nicht nur im Krieg in der Ukraine alle Hände voll zu tun. Auch in Afrika, wo Wagner seit Jahren in vielen Konflikten und Machtkämpfen mitmischt, will er seinen Einfluss weiter ausbauen. «Ob die militärische Spezialoperation (in der Ukraine) erfolgreich läuft oder misslingt - in jedem Fall muss Russland auf der internationalen Bühne präsent sein, diplomatisch und militärisch», sagt der 61-Jährige mit Blick auf Afrika. Es gehe ihm um eine «eine Befreiung des afrikanischen Kontinents von westlichen Besatzern».



Fast täglich äußert sich der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin inzwischen zur Lage in Afrika - besonders mit Blick auf den Machtkampf im Sudan. Prigoschin beteuert, in dem Konflikt keine Rolle zu spielen, keine Waffen zu liefern. Vor allem aber fordert er von der russischen Führung, sich insgesamt noch stärker einzubringen im Wettrennen mit China und dem Westen, um in Afrika Pflöcke einzuschlagen. Moskaus Bürokraten wirft er Behäbigkeit vor.



Zwar hat Putin die Afrika-Kontakte deutlich intensiviert. Seit 2014 hat Moskau militärische Abkommen mit mehr als 20 Staaten geschlossen. Afrika ist ein wichtiger Markt für russisches Getreide und Dünger. Aber von einem Einfluss wie zu Zeiten der Sowjetunion ist Moskau weit entfernt. «Russland spielt eine wichtige Rolle als Waffenlieferant, als Käufer und Förderer wertvoller Rohstoffe und als Exporteur von landwirtschaftlicher Ausrüstung. Außerdem trägt es über Privatfirmen wie der Wagner-Gruppe zur Sicherheit bei», sagt Philani Mthembu, der Direktor des Institute for Global Dialogue in Südafrika.



Russland ist in Afrika anders als im Westen wegen des Kriegs in der Ukraine nicht isoliert. Bei vielen Staaten kommt gut an, dass Putin gegen eine monopolare Weltordnung mit den USA an der Spitze vorgeht. Das wollen der Kreml und Prigoschin als Putins Mann fürs Grobe ausschlachten. «Die Amerikaner, Franzosen und anderen Spieler auf dem afrikanischen Kontinent führen sich Hundert Mal aktiver auf als wir», sagt Prigoschin, der mit seinem Firmenkonglomerat Concord reich und einflussreich geworden ist.



Von St. Petersburg aus steuert der Unternehmer sein Imperium, das etwa im Bau- und Immobiliengeschäft und in der Gastronomie, aber auch im Catering für Schulspeisungen aktiv ist. In Putins Heimatstadt bewirtete Prigoschin schon vor Jahrzehnten den heutigen Kremlchef in seinem Restaurant, als der dort noch Stadtpolitiker war. Deshalb trägt er auch den Beinamen «Putins Koch».



Bis heute profitiert Prigoschin von lukrativen Aufträgen des Kreml. Er gilt als unantastbar, weshalb er nicht nur ungestraft im Ukraine-Krieg immer wieder Moskaus Militärführung kritisiert, sondern auch in Afrika mit Putins Segen frei schalten und walten kann. Der Kontinent ist für Prigoschin sprichwörtlich zum Goldesel geworden.



Libyen, Mali, die Zentralafrikanische Republik, Mosambik, Madagaskar und der Sudan gehören zum Portfolio. Wagner hat sein Geschäftsmodell auf dem Kontinent perfektioniert: Die Gruppe bietet skrupelloses Personal und Dienstleistungen, ohne Fragen zu stellen. Im Gegenzug gibt es Rohstoffe - oft bares Gold. Die militärische Ausrüstung verkauft Moskau als mit Abstand größter Waffenlieferant des Kontinents gleich mit - rund die Hälfte aller registrierten Waffenverkäufe an afrikanische Staaten kommen mittlerweile aus Russland.



«Afrikanische Regierungen wie die Zentralafrikanische Republik oder Mali wollen solche Kämpfer, die mit ihren Soldaten an die Front gehen und Munition und Waffen mitbringen. Es ist eine Dienstleistung, die Russland erlaubt, in Zeiten westlicher Sanktionen an Devisen und Rohstoffe wie Gold und Diamanten zu kommen», sagt Sahel-Experte Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Neben Wagner sind viele Russen dort aktiv. Der Alrosa-Konzern etwa fördert Diamanten.



In Deutschland ist Wagner in Afrika vor allem als Söldnertrupp bekannt - etwa im Bundeswehr-Einsatzstaat Mali, wo Schätzungen zufolge bis zu 2000 russischer Kämpfer im Einsatz sein sollen, auch wenn die malische Militärregierung nur von Ausbildern spricht. Den Söldnern werden dort schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen - eine Wende im dortigen Kampf gegen Dschihadisten blieb aber aus.



Wagners Geschäftsmodell wird einige Tausend Kilometer östlich noch deutlicher - ausgerechnet im Sudan, in dem jüngst der Kriegszustand ausgebrochen ist. Das bitterarme Land am Horn von Afrika ist der drittgrößte Goldproduzent Afrikas. Der damalige Langzeitdiktator Omar al-Baschir besuchte 2017 Kremlchef Putin in Sotschi und bewarb sein Land als «Russlands Schlüssel zu Afrika».



Besprochen wurden Pläne für eine für Moskau wichtige Marinebasis am Roten Meer. Prigoschin erhielt Lizenzen für Goldminen und soll im Gegenzug zumindest Waffen für die sudanesische Armee und die an der Macht beteiligten Paramilitärs der RSF geliefert haben. Die USA verhängten

2020 Sanktionen gegen das Firmengeflecht.



Bei Prigoschins Firma M Invest und der für die Goldminen zuständigen Tochter Meroe Gold handele es sich um eine Front für Wagner im Sudan, die außerdem für Al-Baschir Pläne zur Unterdrückung von Demokratieaktivisten entworfen hätten, so das US-Finanzministerium: «Wenngleich seine Aktivitäten den Globus umspannen, unterstreicht Prigoschins Rolle im Sudan das Zusammenspiel zwischen Russlands paramilitärischen Operationen, Unterstützung für den Erhalt autoritärer Regime und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen.»



Recherchen von CNN und Investigativjournalisten fanden Belege dafür, dass über Wagners Kanäle jahrelang Gold im Wert von Milliarden US-Dollar aus dem Sudan nach Russland geschmuggelt wurde – wichtige Devisen, die Moskaus Staatskassen bei der Bewältigung der Kosten des Angriffskriegs gegen die Ukraine zugutekommen.



Dabei soll Wagner vor allem zum als mächtigsten Mann des Landes geltenden Paramilitär-Führer Mohammed Hamdan Daglo gute Drähte gehabt haben, dessen Gruppe RSF nach einem Bruch mit De-Facto-Machthaber Abdel Fattah al-Burhan nun gegen die sudanesische Armee kämpft. Doch auch Al-Burhan selbst soll gute Verbindungen zu Moskau gehabt haben.



Wagner habe bislang vor allem Opportunismus bei allen Veränderungen im Sudan bewiesen, bemerkte Catrina Doxsee, Expertin bei der US-Denkfabrik Center for Strategic International Studies (CSIS). Sie beobachtet, dass Wagner abwartet, um sich dann auf die Seite der Sieger bei den Unruhen zu schlagen.



Prigoschin weist indes Vorwürfe einer aktiven Rolle im Sudan als «Provokation» zurück und betont, dass schon seit mehr als zwei Jahren niemand von Wagner mehr im Sudan tätig sei. Die Ausbildung der Armee im Sudan sei 2019 beendet worden. In einem offenen Brief erinnert er nun aber an seine Orden, die ihm 2018 und 2020 im Sudan überreicht worden seien. Im aktuellen Machtkampf bietet er sich jetzt auch als Vermittler an: «Ich bin immer bereit, dem Sudan Hilfe zu erweisen.» (dpa)