Viel Kritik an neuer Regierung in israelischen Medien

Jerusalem. Der Antritt der neuen Regierung in Israel unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist in den Medien des Landes weitgehend kritisch kommentiert worden. Israels meistverkaufte Tageszeitung "Jediot Ahronot" bezeichnete am Freitag vor allem die Ernennung des Netanjahu-Vertrauten Jariv Levin zum Justizminister als "erschreckend". Dies bestätige Befürchtungen, dass die neue Regierung "den demokratischen Charakter des Staats Israel vollständig umwandeln" wolle.



Netanjahu habe seinen neuen Regierungspartnern aus dem ultraorthodoxen und ultranationalistischen Spektrum nur deshalb so viele Zugeständnisse gemacht, um Levin mit dem Justizministerium betrauen zu können. Der Regierungschef spreche zwar ständig über den Iran, aber "all seine Gedanken sind auf seinen Prozess gerichtet", schrieb die Zeitung weiter.



Netanjahu steht derzeit wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht. Selbst die eher Netanjahu-freundliche Gratiszeitung "Israel Hajom" wertete die Ernennung Levins als "klares Signal, dass der Ministerpräsident mit Veränderungen im Justizsystem voranschreiten" wolle.



Aus Sicht der linksgerichteten Tageszeitung Haaretz ist das Mandat von Jariv Levin klar: Er solle "die Rechtsstaatlichkeit, die Institutionen und das gesamte System zerstören", indem das Parlament die Justiz "übergehen" könne.



Empörung lösen in Israel vor allem Pläne der neuen Regierung zur Einführung einer "Ausnahmeklausel" aus. Diese würde es den Abgeordneten ermöglichen, ein vom Obersten Gerichtshof verworfenes Gesetz wieder in Kraft zu setzen.



Nach Einschätzung von Experten könnte eine solche Ausnahmeklausel etwa auch Anwendung finden, wenn die Abgeordneten dafür stimmen sollten, den Korruptionsprozess gegen Netanjahu zu annullieren. Sollte der Oberste Gerichtshof diese Abstimmung dann für ungültig erklären, könnte die "Ausnahmeklausel" greifen - und die richterliche Entscheidung ausgesetzt werden.



Netanjahu ist der erste amtierende Ministerpräsident in der Geschichte Israels, dem wegen Korruption der Prozess gemacht wird. Das Verfahren, in dem er wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue angeklagt ist, hatte im Mai 2020 begonnen. Netanjahu streitet alle Vorwürfe ab und sieht sich als Opfer der Staatsanwaltschaft und der Medien.



Am Donnerstag kehrte Netanjahu nach anderthalb Jahren in der Opposition an der Spitze einer Rechtsaußen-Regierung an die Macht zurück. Es ist die sechste Amtszeit des 73-Jährigen als israelischer Ministerpräsident. (AFP)