Interview mit dem Iran-Experten Walter Posch zu den US-Sanktionen gegen die Revolutionsgarden

Die Revolutionsgarden spielen im Iran eine wichtige Rolle - nicht nur in der Wirtschaft. Welche Aufgaben sie haben und was die US-Sanktionen gegen sie bedeuten, erklärt Nahost-Experte Walter Posch im Interview mit Jennifer Wagner.

Die USA haben Sanktionen gegen das Finanznetzwerk der iranischen Revolutionsgarde verhängt - unabhängig vom US-Ausstieg aus dem Atomdeal mit dem Iran. Was wollen die USA damit erreichen?

Walter Posch: Es sind mehrere Sachen. Das Erste ist ganz allgemein: den Druck auf den Iran erhöhen. Die USA zielen bewusst auf die iranische Wirtschaft ab, es bringt das Land ökonomisch unter gewaltigen Druck. Der zweite Punkt ist, dass man die Revolutionsgarden heraussucht, weil es bekannt ist, dass sie in der Wirtschaft aktiv sind - wie in den meisten nahöstlichen Staaten. Damit will man zeigen, dass man nicht auf die Bevölkerung abzielt, sondern auf die Wirtschaft der Revolutionsgarden, denen man unterstellt, hinter all dem Üblen im Iran zu stehen. Die Frage ist aber, ob eine Zuckerfabrik, die den Revolutionsgarden oder den Konglomeraten gehört, wirklich so eine Bedrohung darstellt.

Wofür stehen die Revolutionsgarden überhaupt?

Posch: Die Revolutionsgarden sind wirtschaftlich organisiert. Das Kernelement waren die 15 bewaffneten Divisionen aus dem Golfkrieg. Sie wurden im Zuge der großen Reform 2009 aufgelöst, und jetzt gibt es in jeder iranischen Provinz Sicherungseinheiten, also Paramilitärs der Revolutionsgarden. Es existiert dabei eine Nähe zum Atomprogramm: Sie sichern nämlich die vier Anlagen.

Dann gibt es noch einen eigenen Nachrichtendienst, der sehr unabhängig agiert. Er wird auch vom Kommandanten der Revolutionsgarde kaum kontrolliert, weil der Nachrichtendienst direkt an das Büro des Revolutionsführers berichtet. Auf der militärischen Ebene haben wir noch ein Zusammenschmelzen der Raketeneinheiten der Revolutionsgarden mit denen der Armee. Die neue Luftabwehr ist jetzt bei der Armee angesiedelt, und dabei haben die Revolutionsgarden weniger Einfluss.

Schließlich noch anhängend an das Kommando der Revolutionsgarden sind die Wirtschaftskonglomerate, die eigentlich dazu da waren, den Massen an demobilisierten Kriegsfreiwilligen wieder eine Arbeit zu verschaffen. Es gibt den Vorwurf, dass die Revolutionsgarden in allen Bereichen der Wirtschaft aktiv sind, aber das sind sie nicht so ganz. Es gibt noch Stiftungen, seien es religiöse oder revolutionäre, die einen größeren Anteil der iranischen Wirtschaft kontrollieren.

Wie wichtig sind die Revolutionsgarden überhaupt für den Iran?

Posch: Es ist die zweite Armee. Wir haben das Phänomen der zwei Armeen überall im Nahen Osten. Die Debatte über die Vereinigung der Armee und der Revolutionsgarden ist alt. Man hat sich Ende der 1980er Jahre aus vielen Gründen, auch aus militärischen und rüstungspolitischen, entschieden, die Zweiteilung zu bewahren. Das militärische Hauptelement ist die reguläre Armee. Daneben spielen die Revolutionsgarden vor allem als Paramilitärs und auch für die Machtprojektion im Iran im Ausland eine zentrale Rolle.

Wie wichtig ist die Machtdemonstration?          

Posch: Man redet zwar sehr gerne davon, wie viele Generäle der Revolutionsgarden in die Politik gegangen sind, aber ich würde sagen, denen steht mindestens eine genauso große Anzahl von Armeegenerälen gegenüber, die in ihrer Pension Politik machen. Allgemein gilt aber, dass die Revolutionsgarden sehr viel lauter, schriller und greller dastehen und eine deutlich sichtbare Rolle spielen. Die Armee stellt die "schweigende Größe" dar und genießt bis heute das Vertrauen der Bevölkerung.

Laut US-Finanzminister Steven Mnuchin richten die Sanktionen sich gegen sechs Einzelpersonen und drei Firmen. Wie funktionieren diese Sanktionen?

Posch: Soweit die Firmen gelistet sind, zielen die Sanktionen darauf ab, dass ihnen zumindest im Ausland das Geschäftemachen verwehrt bleibt. Man muss auch beachten: Die Menschenrechtssanktionen sind nie aufgehoben worden. Für die fraglichen Einzelpersonen hat es dann Konsequenzen, dass es für sie schwieriger ist, ins westliche Ausland zu reisen. Auch Bündnispartner der USA werden sich überlegen, ob man diese Leute zu sich reisen lässt.

Aber die Sanktionen sollen vor allem die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Iran treffen?

Posch: Zumindest in dem Maße, wie es die USA können. Ein Handel mit einzelnen Firmen zwischen den Nachbarstaaten - also Güter gegen Güter - wird schwierig zu verhindern sein. Aber es geht vor allem darum, dass diese Firmen nicht weiterhin international tätig sein können.

Die Sanktionen sind nicht im Rahmen des US-Ausstiegs aus dem Atomdeal verhängt worden. Sind sie eine kleine Warnung an den Iran?

Posch: Wenn die Amerikaner warnen, ist es nie eine kleine Warnung. Aber wenn man sich anschaut, was dem Iran bereits jetzt schon alles verwehrt wird, fällt das in der wirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht mehr so dramatisch ins Gewicht. Als Symbolpolitik heißt es aber: Wir haben euch im Visier - vor allem, wenn es um Personen geht, die bei Einheiten sind, die in Syrien kämpfen. (Deutsche Welle)

Walter Posch ist Nahost-Experte an der Landesverteidigungsakademie in Wien. Sie ist die höchste militärische Bildungs- und Forschungseinrichtung des Österreichischen Bundesheeres. Posch arbeitet dort am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement. Bis 2014 forschte er bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.