Scheindemokratischer Anstrich

In Jordanien herrscht eine Erbmonarchie, in Syrien ging die Macht vom Vater auf den Sohn über. Und auch in Ägypten, das sich formell als Demokratie sieht, gilt ein Machtwechsel innerhalb der Familiendynastie als wahrscheinlich. Von Jürgen Stryjak

In Jordanien herrscht eine Erbmonarchie, in Syrien ging die Macht vom Vater auf den Sohn über. Und auch in Ägypten, das sich formell als Demokratie sieht, gilt ein Machtwechsel innerhalb der Familiendynastie als wahrscheinlich. Jürgen Stryjak berichtet aus Kairo.

Hosni Mubarak auf einem Wahlplakat in Kairo; Foto: AP
"Mohammad Husni Mubarak - Führer der arabischen Umma" - Wahlplakat in Kairo

​​Im Herbst 2004 druckt ein ägyptisches Studentenmagazin auf der Umschlagseite eine Liste mit Erfindungen, die die arabische Welt zu ihrer Blütezeit im Mittelalter der menschlichen Zivilisation beschert hatte. Jetzt, hieß es dann weiter, werden die Araber die Welt mit einer weiteren Errungenschaft beglücken: mit der Erbdemokratie.

Der Name des ägyptischen Präsidenten bleibt unerwähnt, dennoch zielt dieser zynisch-ironische Protest auf nichts anderes als auf die befürchtete Machtübergabe von Mubarak senior an Mubarak junior.

Die Furcht der Studenten war schon 2004 nicht unbegründet. Etwa zur selben Zeit taucht im Stadtzentrum Kairos, am Tahrir-Platz, neben dem Ägyptischen Museum, ein Plakat auf, das vier Stockwerke hoch ist.

Imagetransfer à l'Egyptien

Es zeigt Gamal Mubarak, Sohn von Präsident Hosni Mubarak, neben den fünf ägyptischen Medaillengewinnern der Olympischen Spiele von Athen. So viele Medaillen hatte das Team des Landes 56 Jahre lang bei keiner Olympiade gewonnen. Offensichtlich will das Regime an diesem nationalen Glanz teilhaben.

Was Werbefachleute nüchtern als Imagetransfer bezeichnen, ist für die kritischen Intellektuellen im Land ein Menetekel, das sie erhitzt debattieren – ein deutlicher Hinweis darauf, dass Gamal auch öffentlich die Statue eines zukünftigen Landesvaters erhalten soll, und der Beweis für die endgültige Abkehr von demokratischen Prinzipen.

Im Oktober desselben Jahres veröffentlicht die Protestbewegung "Kifaya" unter dem Namen "Ägyptische Bewegung für den Wandel" ein Manifest, in dem sie sich vor allem gegen diese mögliche präsidiale Erbfolge wendet.

Genug ist genug!

"Kifaya" heißt auf Deutsch soviel wie "Es reicht". Die düstere Aussicht darauf, dass dem Vater Mubarak nach fast einem Vierteljahrhundert autokratischer Herrschaft der Sohn Mubarak folgt, inspiriert die Protestler, die ein breites politisches Spektrum verkörpern, von links über liberal bis islamistisch.

Proteste der Kifaya-Bewegung in Kairo; Foto: AP
Kifaya-Bewegung in Aktion - Proteste während des Referendums über das neue Wahlgesetz in Ägypten 2005

​​Das Land am Nil erlebte in der Folge einen kurzen zivilgesellschaftlichen Frühling, der vielen Aktivisten im Nachhinein wie eine Fata Morgana erscheint. Anfang 2005 kündigte Mubarak senior die erste halbwegs freie Präsidentenwahl mit mehreren Kandidaten für den 7. September desselben Jahres an.

Der Parteichef der vor einem halben Jahr überraschend genehmigten liberalen "Al-Ghad"-Partei errang bei diesem Urnengang knapp acht Prozent der Stimmen und landete hinter Mubarak auf Platz zwei. Einst verbotene Oppositionszeitungen durften wieder erscheinen, andere wurden neu gegründet.

Der kurze Frühling der Opposition

Auch das letzte Tabu fiel: die Kritik am Präsidenten. Die unabhängigen Medien des Landes berichteten plötzlich kritisch über Mubarak – und manchmal sogar die staatstreuen.

Vater und Sohn haben Gerüchte über eine innerfamiliäre Machtübergabe bis heute regelmäßig in Reden und Interviews dementiert. Am eindrucksvollsten geschah das in einem Gespräch, das Hosni Mubarak einem US-amerikanischen Fernsehsender vor der letzten Präsidentenwahl gewährte.

Auf die Frage, wer wenn nicht er, der Senior, kandidieren solle, antwortet Mubarak: "Nicht was Sie denken!" Dann lachen Moderator und Präsident. Und Mubarak fügt genervt hinzu: "Mein Sohn ist eine Geschichte, die einige Elemente erfunden haben, weil sie ein Thema zum Kritisieren brauchen und für ihre Propaganda. Wir haben überhaupt nie an so etwas gedacht."

Doch Hosni Mubarak regiert seit 1981 in der fünften Amtsperiode und wird im nächsten Jahr 80. Sohn Gamal gilt als korrekt, gründlich und modern. Der 43-jährige Investmentbanker hat an der "American University of Cairo" studiert, in London gearbeitet und genießt das Vertrauen der ägyptischen Wirtschaftselite.

Die Ernennung von Reformökonomen, Technokraten und Managern zu Ministern wird seinem Einfluss zugeschrieben. Die aktuellen sieben Prozent Wirtschaftswachstum gelten als sein Verdienst. Bereits jetzt ist er nach einem kometenhaften Aufstieg der zweitmächtigste Mann im Land.

Populärer Autokrat

Der Familienbetrieb Mubarak mit dem Landesvater an der Spitze garantiert mit eiserner Faust jene Stabilität, die sich die Leute auf der Straße durchaus wünschen, angesichts des Chaos, in dem viele Länder der Region zu versinken drohen. Deshalb ist es gar nicht abwegig, dass der Präsidentensohn eine Wahl tatsächlich gewinnen würde.

Oppositionsführer Ayman Nour im Gefängnis; Foto: AP
Ende der Schonzeit für die Opposition - nach der Wahl Mubaraks landete der Vorsitzende der "Ghad-Partei", Ayman Nour, unter fadenscheinigen Argumenten im Gefängnis.

​​Ein Referendum, aus dem Gamal Mubarak mangels Alternativen als Sieger hervorgeht, bleibt zumindest äußerlich ein demokratisches. Seit Herbst 2005 sieht sich die Opposition womöglich deshalb immer größeren Repressionen ausgesetzt. Die bürgerlichen Freiheiten werden immer weiter eingeschränkt.

Die einstige Hoffnungsträgerpartei "Al-Ghad" ist zersplittert und bedeutungslos. Ihr Parteichef landete unter fadenscheinigen Vorwänden nach einem Verfahren, das einem Schauprozess glich, für fünf Jahre im Gefängnis.

Mit harter Hand gegen die Opposition

Regimekritischen Chefredakteuren unabhängiger Zeitungen wurde der Prozess gemacht und die Verfassung des Landes durch Regeln ergänzt, die es der säkularen bürgerlichen Opposition in ihrem momentanen geschwächten Zustand unmöglich machen, Präsidentschaftskandidaten zu benennen.

Die Muslimbruderschaft als einzige noch relevante Oppositionskraft wird geduldet, ist aber illegal und kann aus diesem Grunde keinen Kandidaten aufstellen.

Nach Ansicht von Regimekritikern – wie dem Soziologen Saad Eddin Ibrahim oder dem populären Schriftsteller Alaa Al-Aswani – will Mubarak mit ihr den Westen erschrecken. Die Botschaft lautet: Wer nicht an mir festhält, kriegt die Islamisten!

Außer den Vertretern von Mubaraks Regierungspartei NDP erfüllt derzeit also niemand die Bedingungen für eine Präsidentschaftskandidatur. Gemäß der letzten Verfassungsänderung müssen mögliche Kandidaten zudem einem so genannten Obersten Rat der Parteien angehören.

Nachfolge mit scheindemokratischem Antlitz

Auf ihrem Parteitag Anfang November in Kairo gründete Mubaraks NDP genau diesen Rat, und Sohn Gamal gehört ihm an – in den Augen der Opposition eindeutig ein Schritt Richtung Erbnachfolge mit scheindemokratischem Antlitz.

Einen Makel hat allerdings auch der dynamische Präsidentensohn. Er kann auf keine Militärkarriere verweisen. In Ägypten regiert die politische Nomenklatura seit Jahrzehnten mit dem mächtigen Militär im Rücken.

Nach Ansicht von Experten kann der Wechsel vom Vater, dem früheren Kampfflieger und Luftwaffenchef, zum Sohn nur erfolgen, solange Hosni Mubarak noch lebt. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden 2011 statt.

Jürgen Stryjak

© Qantara.de 2007

Qantara.de

Saad Eddin Ibrahim:
Mubaraks Kriege im eigenen Haus
Das anhaltende Notstandsrecht und die Aushöhlung der unabhängigen Justiz in Ägypten werfen ein Schlaglicht auf die autoritäre Herrschaft von Präsident Hosni Mubarak und die Demokratiedefizite im Land. Von Saad Eddin Ibrahim aus Kairo

Korruptionsbericht der Kifaya-Bewegung
Der gefallene Pharao
Ägyptens Kifaya-Bewegung hat mit ihrer Veröffentlichung eines Berichtes über Korruption und Vetternwirtschaft in der Führungsschicht des Landes den Widerstand gegen Präsident Mubarak erhöht. Von Barry Rubin

Die EU und Ägypten
Stabilität oder Demokratisierung?
In wirtschaftlicher Hinsicht wünscht sich die ägyptische Regierung eine Kooperation mit der EU, lehnt aber deren Menschenrechts-Konzepte als innere Einmischung ab. Isabel Schäfer zeigt das Dilemma der "Euro-Mediterranen Partnerschaft" am Beispiel Ägyptens auf.