Brücke zwischen Theologie und Geisteswissenschaft

An der Universität Tübingen beginnt ein Bachelor-Studiengang zur Ausbildung von Imamen und Lehrern für islamischen Religionsunterricht. Bisher wurde nur ein kleiner Teil der Islamlehrer in Deutschland ausgebildet. Sabine Ripperger informiert.

Von Christoph Dreyer

Das erste deutsche Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Tübingen, das am 10. Oktober seine Arbeit aufgenommen hat, gehört zu den bundesweit vier Zentren für Islamische Theologie, an denen auf Deutsch gelehrt wird.

Neben Tübingen sind das die Doppelstandorte Osnabrück/Münster, Erlangen/Nürnberg und Frankfurt/Gießen, die allerdings erst 2012 an den Start gehen werden. Der Bund übernimmt in den nächsten fünf Jahren die Finanzierung der Professuren und Mitarbeiterstellen an den vier Zentren. Insgesamt sollen 20 Millionen Euro in die Standorte fließen.

Für die rund 700.000 muslimischen Schüler an deutschen Schulen werden nach Schätzungen des Bundesbildungsministeriums in den nächsten Jahren bis zu 2.000 Lehrer für islamischen Religionsunterricht benötigt.

Ebenfalls dringend gebraucht werden Imame, die an staatlichen Hochschulen in deutscher Sprache ausgebildet wurden und vertraut sind mit dem Leben in Deutschland. Bisher kommen jährlich rund 100 Imame ohne deutsche Sprachkenntnisse und mit wenig Wissen über ihr Gastland aus der Türkei nach Deutschland, wo sie in türkischen Moscheegemeinden für vier, fünf Jahre ihren Dienst tun. Das macht deutlich, wie wichtig die Schaffung der neuen Zentren für Islamische Theologie ist.

Geistes- und sozialwissenschaftliche Fragen im Fokus

Prof. Dr. Omar Hamdan; Foto: dpa
"Dass ich ein Zentrum für Islamische Theologie leite und meine Beiträge dazu leiste, war schon immer mein Traum": Omar Hamdan, Leiter des neuen Zentrums für Islamische Theologie

​​24 Studierende für die 40 Plätze sind inzwischen am Zentrum für Islamische Theologie der Universität Tübingen eingeschrieben. Der achtsemestrige Bachelor-Studiengang "Islamische Theologie" soll das Fach auch mit allgemeinen geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen verbinden. Vor allem legte man nach den Worten von Uni-Rektor Bernd Engler darauf Wert, die bestqualifiziertesten Lehrkräfte nach Tübingen zu holen.

Die vier Professuren sollen deshalb nicht im Schnellverfahren besetzt werden, sondern durch Junior- und Gastprofessuren, eventuell auch aus dem Ausland, ausgeglichen werden. Längerfristig sind sechs Professuren geplant.

Bisher gibt es nur eine Berufung – die des Islamwissenschaftlers Omar Hamdan, der bis vor kurzem am Islamwissenschaftlichen Institut der Freien Universität Berlin tätig war. Dort forschte er über die gemeinsame Geschichte von Judentum, Christentum und Islam.

Doch Hamdan hat auch langjährige Bindungen zu Tübingen. Schließlich hat er Islamwissenschaft, Arabistik und Vergleichende Religionswissenschaft in Jerusalem und Tübingen studiert. In Tübingen promovierte er 1995. Er ist zudem Herausgeber und Verfasser verschiedener Studien, Aufsätze und Texteditionen in den Bereichen Koranwissenschaften und Islamische Theologie.

Auf seine Tätigkeit am neuen Zentrum in Tübingen freut er sich schon: "Dass ich ein Zentrum für Islamische Theologie leite und meine Beiträge dazu leiste - das war immer mein Traum."

Höchste Zeit, eine neue Generation auszubilden

Omar Hamdan gehört der Glaubensrichtung des sunnitischen Islams an. Im Rahmen eines Studentenaustauschs hatte er bereits vor Jahren Deutsch gelernt. Mittlerweile ist der Wissenschaftler mit israelischem Pass in Deutschland verheiratet und Vater von drei Töchtern.

Adnan Fetic; Foto: dpa
Adnan Fetic: "In einem anderen Land und in einer anderen Sprache Theologie zu studieren, wäre für mich nicht infrage gekommen. Wenn man mit den jungen Muslimen in Deutschland arbeiten will, muss man auch hier studiert haben."

​​Als "meine Kinder" bezeichnet der Wissenschaftler aber auch seine zahlreichen Bücher. Die mehr als 3.000 Bände umfassende Privatbibliothek will Hamdan zu einem großen Teil dem neu entstandenen Zentrum spenden, denn dort würden sie gebraucht: "Es ist höchste Zeit, dass wir auf guter Basis eine Generation wissenschaftlich-akademisch ausbilden." Die solle sich schließlich in Deutschland beheimatet und wohlfühlen können, sagt Omar Hamdan.

Omar Hamdan bezeichnet nicht nur Islamische Theologie und Religionspädagogik als Arbeitsschwerpunkte, sondern auch interkulturelle Bildung und interreligiösen Dialog. Am Herzen liegt ihm jedoch auch die Forschung: "Forschungsinteressen sind bei mir vor allem Koranwissenschaften, aber auch Koran-Handschriften und Hadith-Wissenschaften." Forscherdrang besteht bei Hamdan auch hinsichtlich frühislamischer und vorislamischer Geschichte.

Fachkompetente Muslime

Der 1990 in Bosnien-Herzegowina geborene Adnan Fetic lebt seit 14 Jahren in Deutschland, hat in diesem Jahr sein Abitur gemacht und sich für das Studium am Zentrum für Islamische Theologie beworben. Schon als Kind hat er sich mit dem Islam beschäftigt, weil aus seiner Familie viele Imame kamen. Auch sein Vater ist Imam.

An einer renommierten deutschen Universität wie der in Tübingen sieht er das Studienfach "als eine neue Möglichkeit, einen neuen Kader von fachkompetenten Muslimen in Deutschland zu bilden, der dann in der Lage ist, Muslime in den islamischen Vereinen, islamischen Gemeinschaften und Verbände zu unterstützen, zu vertreten und einfach für ein besseres Bild des Islams zu sorgen."

Ob Adnan Fetic selbst später Imam oder Islamlehrer wird oder lieber wissenschaftlich tätig ist, kann er noch nicht sagen. Aber gebraucht würde er in all diesen Bereichen.

Wie viele der Tübinger Studenten tatsächlich Imame werden, ist noch unklar. Wenn die Studenten ihren Bachelor oder auch Master gemacht haben, können sie sich in einer Gemeinde als Imam bewerben. Diese entscheidet dann, ob der Bewerber dem Interessensprofil der Gemeinde entspricht. Das gehört nicht zu den Aufgaben der Universität.

Sabine Ripperger

© Qantara.de 2011

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de