Weltweite Beachtung des Projekts

Den künftigen Bau gibt es nach wie vor nur als Modell. Aber längst laufen internationale Kooperationen. Es gibt regelmäßigen Austausch nach Bangui in der Zentralafrikanischen Republik, wo Christen und Muslime ein vergleichbares Religionshaus planen. Gespräche werden auch mit einer Akademie im georgischen Tiflis geführt, ebenfalls mit der Technischen Universität Haifa zu einem "Garden of One" in der israelischen Hafenstadt. Imam Kadir Sanchi sprach von lokalen und nationalen, aber auch internationalen Aspekten des "House of One".

Khorchide zeigte sich überzeugt, dass das Berliner Miteinander der Religionen auch dialogorientierte Kräfte auf der arabischen Halbinsel stärken könne. Projekte wie das "House of One", so die in Teheran geborene Paderborner Religionswissenschaftlerin Hamideh Mohagheghi, böten "unverzichtbare Räume und Ideen für die Zusammenarbeit der Religionen und Weltanschauungen".

Prominentester Vertreter der Politik in dem Gremium ist der frühere Bundespräsident Christian Wulff. Er prägte vor zehn Jahren den Satz, der Islam gehöre zu Deutschland. Nun betonte er, wichtig an dem Berliner Konzept sei, dass "keine Religion an ihrem Anspruch und Wert einbüßt" und es trotzdem um Gemeinsamkeiten, nicht fortwährend um das Trennende gehe.

Hannover | Christian Wulff wird 60; Foto: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte
Prominentester Vertreter der Politik im Stiftungskuratorium ist der frühere Bundespräsident Christian Wulff. Er prägte vor zehn Jahren den Satz, der Islam gehöre zu Deutschland. Nun betonte er, wichtig an dem Konzept für das Berliner „House of One“ sei, dass "keine Religion an ihrem Anspruch und Wert einbüßt" und es trotzdem um Gemeinsamkeiten, nicht fortwährend um das Trennende gehe. Als ein Beispiel für das Verbindende zwischen den Religionen nannte er die neue Enzyklika "Fratelli Tutti" von Papst Franziskus. Das Schreiben sei die erste Enzyklika überhaupt, zu der letztlich ein Muslim, der Großimam der Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb, das Kirchenoberhaupt inspiriert habe.

Der Ex-Präsident und der Papst

Wulff, der vor knapp zwei Wochen bei Papst Franziskus im Vatikan zu Gast war, warb zugleich für dessen Enzyklika "Fratelli Tutti", in der es im Kern um das Verhältnis der Weltreligionen geht. Das Schreiben sei die erste Enzyklika überhaupt, zu der letztlich ein Muslim, der Großimam der Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb, das Kirchenoberhaupt inspiriert habe.

Der Katholik Wulff schaute zurück auf seine eigene Kindheit. "Als kleiner Jugendlicher hatte man das Gefühl, Gott liebt die Katholiken schon ein wenig mehr." Nun sage der Papst "für viele Katholiken überraschend, dass Gott dieselbe Liebe für jeden Menschen" unabhängig von seiner Religion empfinde.

Wenn die Bauarbeiten laufen, hoffen die Initiatoren auf ein wachsendes Interesse in der Stadt und weitere internationale Verbindungen. Ende nächsten Mai soll offiziell der Grundstein für den neuen Bau auf alten Ruinen gelegt werden.

Entsetzen nach dem Anschlag von Wien

Der nächste Morgen, am Tag nach dem Terror von Wien. Rabbiner Nachama und Imam Sanci, zwei der drei Gründer des "House of One", äußern sich gegenüber der Deutschen Welle. Nachama nennt den Vorgang einen "Jammer" und kommt dann auf die bis in die Nacht unklare Nachrichtenlage zu sprechen: Lange Zeit sei es unklar gewesen, "ob es sich um einen dschihadistischen oder einen rechtsextremen Anschlag" auf die Synagoge oder die Innenstadt handelte. "Es ist verrückt, aber der dschihadistische und der rechtsextreme Terror sind vom Ablauf her gleich. Beide haben das gleiche Ziel: Freiheitliche Gesellschaften zu attackieren."

Mit Blick auf die Attacken der vergangenen Wochen in Dresden, Paris und Nizza hatte sich Sanci am Montagnachmittag bestürzt gezeigt. "Wir finden keine Worte und brauchen einige Minuten. Momente des Schweigens. Dann finden wir uns zusammen." Das gemeinsame Gebet bedeute auch, "gegen die unmenschlichen Taten anzuschreien."

Nun am Dienstagmorgen sagt er, Moscheen, Synagogen, Kirchen seien Gotteshäuser, sie seien unantastbar und müssten geschützt werden. "Auch jeder einzelne Mensch gleicht einem Gotteshaus. Er ist unantastbar, unabhängig von der Religion oder Weltanschauung." Für ihn seien die erneuten Angriffe, nun in Wien "Angriffe auf Gott. Was für ein Widerspruch: Im Namen Gottes greifen Menschen Gott an."

Christoph Strack

© Deutsche Welle 2020

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