Zukunft irakischer Flüchtlinge in Deutschland bleibt ungewiss

Das Kriegsende im Irak bedeutet für viele in Deutschland lebende Iraker, dass sie erstmals seit Jahren wieder in ihr Heimatland zurückkehren können. Andererseits stehen deutsche Politiker vor dem Problem, was mit jenen irakischen Flüchtlingen geschehen soll, die nicht freiwillig in den Irak zurückreisen möchten.

Vor sechs Monaten ist Mohamed Hussein Hashem als politisch Verfolgter aus dem Irak geflüchtet - vor einem Regime, dass es mittlerweile nicht mehr gibt. Die in Deutschland lebenden Asylanten und Flüchtlinge aus dem Irak haben den Sturz der Regierung Saddam Hussein mit Jubel begrüßt. Viele sitzen schon auf gepackten Koffern und freuen sich darauf, endlich wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Doch nicht alle wollen zurück.

Der junge Iraker Mohamed Hussein Hashem hält es für verfrüht, über eine Rückkehr in sein Heimatland nachzudenken. Mohamed lebt zur Zeit in einem Asylantenheim in der Baden-Württembergischen Stadt Dornstetten - ein kleiner Ort mit ca. 8000 Einwohnern. Er klagt über die schlechte Verpflegung, über Ungeziefer in den Zimmern und über nur 40 Euro Taschengeld im Monat. Damit kann er und seine zwölf irakischen Heimkollegen sich nicht 'mal gelegentlich einen Besuch in die nächstgelegene größere Stadt erlauben. Trotzdem möchte er nicht zurück - jedenfalls jetzt noch nicht. Für Mohamed Hashem ist die Unsicherheit zu groß. "Wie kann es einem Land ergehen, wie können die Zustände dort aussehen, wenn es noch keine wirkliche Regierung gibt?", fragt der junge Iraker und bemängelt, dass es im Nachkriegs-Irak am aller Notwendigsten fehlt: z.B. an Strom, Wasser, Arbeit und eine funktionierende Währung. "Wenn das Leben seine Normalität und Stabilität wieder zurückerlangt, dann kann ich wieder zurück", so Hashem.

Auch im Bundesministerium des Innern ist man mit Entscheidungen zum Thema Rückkehr von irakischen Flüchtlingen derzeit noch vorsichtig. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte, man werde zunächst die Entwicklungen vor Ort aufmerksam beobachten. Vorerst bleibe es bei dem von Bundesinnenminister Otto Schily angeordneten Entscheidungsstopp in Sachen Asylverfahren. Und bei seiner Bitte an die einzelnen Bundesländer, irakische Flüchtlinge, deren Asylanträge abgelehnt wurden, vorläufig nicht abzuschieben.

Ein Sprecher der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Bernd
Mesovic, sieht jedoch in Äußerungen des "Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge" Grund zur Sorge. Man plane relativ bald nach Ende der Kampfhandlungen mit sogenannten Wiederrufsverfahren bei irakischen Asylberechtigten zu beginnen. Mesovic hofft jedoch, dass dabei Vernunft walten wird, denn die Sachlage sei noch gänzlich unübersichtlich. Und auch die humanitäre Situation im Land lasse nach wie vor kaum zu, sich im Moment Gedanken darüber zu machen, so der Pro Asyl-Sprecher.

Mesovic weist auf negative Erfahrungen bei der Ausweisung von Asylanten hin, zum Beispiel im Falle der Flüchtlinge aus Bosnien oder aus dem Kosovo. Bei diesen habe man verfrüht ein Ende der Konflikte in der jeweiligen Region diagnostiziert und um Ausreise gebeten. Die Betroffenen mussten sich dann über längere Zeit mit Behörden herumschlagen, um zu beweisen, dass ihnen aufgrund psychischer und körperlicher Schäden eine Ausreise noch nicht anzuraten sei.

Ein Vergleich, der durchaus angebracht ist, denn auch viele in Deutschland lebende Iraker leiden weiterhin unter den seelischen und körperlichen Folgen brutaler Kriege oder der Politik eines Regimes, das systematisch folterte und mordete. Mesovic weist darauf hin, dass sich die freiwillige Ausreise als Rezept für die Behandlung der Flüchtlingsproblematik bislang am besten bewährt habe.

Nach Ansicht Mesovics werden die Behörden in Zukunft keine neuen oder bereits anstehenden Asylanträge von irakischen Flüchtlingen genehmigen. Und auch jene Iraker, die bislang noch aus humanitären Gründen ohne Asyl geduldet wurden, werden früher oder später Deutschland verlassen müssen.

Mahmoud Tawfik, © 2003 Deutsche Welle