Taten statt Worte

Viele Libanesen betrachten das UN-Mandat als ersten Schritt auf dem Weg zu einem umfassenden Frieden und zum Wiederaufbau des Landes. Doch die Skepsis bleibt, dass die staatlichen und internationalen Bemühungen nur schleppend vorangehen. Von Bernhard Hillenkamp

"Dieser Entschluss kommt 40 Jahre zu spät", so kommentierte einer der Väter des libanesischen Journalismus, Ghassan Tueni, den Entschluss der libanesischen Regierung, die Armee in den Südlibanon zu schicken.

Nach und nach werden 15.000 Soldaten mit libanesischen Insignien südlich des Litani-Flusses stationiert. Israel zieht sich aus dem Süden zurück. Langsam folgt die Verstärkung der UNIFIL, die gemäß UN-Beschluss 1701 der libanesischen Regierung bei der Durchsetzung staatlicher Autorität helfen soll.

Sobald 5000 der 15.000 UN-Soldaten im Süden stationiert sind und sich die Hisbollah an den Waffenstillstand hält, will Israel die letzten Stellungen im Libanon räumen.

Ein furchtbares Déjà-vu

Obwohl Teile der Bevölkerung die ersten Truppen nationaler oder internationaler Provenienz mit Reis und Freudenrufen empfingen, sehen viele sorgenvoll in die Zukunft. Sie glauben nicht an die friedensstiftende Funktion der UNIFIL. Sie erinnern sich an die Bilder während der israelischen Invasion 1982, als die Panzer des jüdischen Staates an den seit 1978 stationierten UNIFIL-Truppen vorbeizogen.

Auch das verspätete Eingreifen der UN während des letzten Krieges warf für viele ein schlechtes Licht auf diese internationale Organisation. Auch kritisieren die Skeptiker die zahllosen Überflüge der israelischen Armee. Trotz der UNIFIL war der Süden lange dem israelischen Militär schutzlos ausgesetzt.

Aber ohne die Militärs aus dem Ausland und das gestärkte UN-Mandat würde die Neuordnung im Süden nicht klappen, so die Optimisten. Die UNIFIL ist aufgerüstet und das Mandat erweitert. Durch die Resolution 1701 sollen sie mit modernem Gerät die libanesische Armee unterstützen.

Aber "die Entwaffnung der Hisbollah ist nicht eine Sache der UNIFIL. Dies ist die libanesischen Angelegenheit und sollte auf nationaler Ebene geregelt werden", so der französische UNIFIL-Kommandeur Pellegrini zu Reportern. Die Achtung der Grenze und Entwaffnung jeglicher Gruppen ist Teil der Resolution, aber diese obliegt dem libanesischen Staat.

Eine Analyse der Entwicklung seit dem Kriegsausbruch offenbart, dass die Hisbollah viele Kompromisse gemacht hat. Bis vor dem Krieg sträubte sich die Partei gegen eine Präsenz des libanesischen Militärs im Süden. Die UN-Resolution und der Regierungsbeschluss, die Armee an die Grenze zu schicken, schafften eine neue Realität.

In der Zone südlich des Litani-Flusses werden die Möglichkeiten einer militärischen Konfrontation stark begrenzt. Entführungen von Soldaten und der Beschuss der israelischen Stellungen sind für die Partei Gottes nahezu unmöglich geworden. Die internationale Gemeinschaft, wie der Besuch der französischen Verteidigungsministerin beweist, wird die veraltete libanesische Armee aufrüsten.

Tod oder Renaissance des Staates?

Auch die politische Ausgangslage hat sich durch den Krieg verändert. Zwar profitiert Hisbollah von einer Welle der Solidarität, und der Widerstand gegen die israelische Armee wird gewürdigt. Aber einige Stimmen äußern sich kritisch gegenüber "dem göttlichen Sieg", wie es in der Diktion der Partei heißt.

Der schiitische Mufti von Tyros, Al-Sayyid Ali Amin, kritisierte die Entscheidung der Hisbollah, die zu einer weiteren Runde der bewaffneten Auseinandersetzung mit Israel im Juli 2006 führte. Er glaubt, "dass sich die Haltung innerhalb der schiitischen Gemeinschaft zugunsten des Staates ändern wird".

Mit dem Rückgriff auf den verschwundenen schiitischen Gelehrten Musa Sadr, der den Staat in den Mittelpunkt seiner politischen Theorie rückte, geht er davon aus, dass die staatlichen Institutionen eine gestärkte Rolle in der Nachkriegszeit haben werden.

Auch der zweite schiitische Pol hat sich scheinbar neu orientiert. Der libanesische Parlamentspräsident Nabih Berri schloss sich nicht der Forderung der Gottespartei an, die Regierung umzubilden. Berri unterstützt Premierminister Fuad Sinioras Politik, der, gestützt von der internationalen Gemeinschaft, im Süden die Rolle des Zentralstaates ausbauen will.

Aber nicht nur die libanesische Armee muss den Süden kontrollieren, die nächste Herausforderung wird der Wiederaufbau sein. Die Rückkehr der Flüchtlinge in den Süden verlief zügig. Nun müssen die 15.000 zerstörten Häuser, viele davon im Süden, aufgebaut, die Brücken, die Wasser- und Elektrizitätsversorgung instand gesetzt werden.

Wie Phoenix aus der Asche

Die Partei Gottes verteilt 12.000 US-Dollar an Familien, deren Häuser zerstört wurden. "Schnell und effizient hat die Partei die Auszahlung an die Betroffenen organisiert. Sonst würde die Loyalität zur Partei und auch die allgemeine Stimmung kippen", so eine kritische Stimme, die unbekannt bleiben will. Die Herkunft des Geldes vermuten viele im Iran. Auch andere nicht-militärische Unterstützung kommt aus dem Ausland.

Einige arabische Staaten haben den Aufbau einiger Ortschaften komplett übernommen. Qatar will Bint Jbeil wieder aufbauen; der Jemen Burj al-Shamali. Große internationale NGOs stehen in den Startlöchern.

Wie im Jahr 2000, nach dem israelischen Rückzug, als von der US-Regierung finanzierte Gruppen in Konkurrenz zur Hisbollah Entwicklungsprojekte durchführten, wird auch nach diesem Krieg um die Gunst und die politische Loyalität im Süden geworben. Die Rolle und die Kapazitäten des Staates werden eher skeptisch gesehen.

Der Sympathisant der Hisbollah und Bürgermeister von Dibbin im Südlibanon, Dr. Ali Hejazi, antwortet, befragt auf seine Hoffnung in den Staat: "Es ist wie in der Bibel, wir wollen Taten sehen – wie Thomas die Hände in die Wunde Jesus legen wollte."

Die Menschen warten auf Taten des Staates und wollen Ergebnisse. Die Erwartungen sind hoch, die Anforderungen sind groß. Die Truppenstationierung kann nur der erste Schritt sein.

Bernhard Hillenkamp

© Qantara.de 2006

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