"Eine wunderbare Gelegenheit für die Verleger"

Werner Mark Linz, Leiter der "American University in Cairo Press" und Verleger von Nagib Machfus, glaubt, dass Literatur das gegenseitige Verständnis fördern kann. Deshalb wünscht er sich mehr Übersetzungen aus dem Arabischen.

Werner Mark Linz
Werner Mark Linz

​​Herr Linz, mit welchem Gefühl sehen Sie der diesjährigen Frankfurter Buchmesse entgegen?

Werner Mark Linz: Natürlich mit Optimismus, sonst wäre ich kein Verleger! Aber im Ernst: Die Einladung als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse ist eine wunderbare Gelegenheit für die Verleger in der arabischen Welt. Zu denen gehört ja auch mein Verlag, die "American University in Cairo Press" (AUC Press), als führender englischsprachiger Verlag in der arabischen Welt.

Die Einladung nach Frankfurt bedeutet für die arabischen Organisatoren natürlich auch eine große Herausforderung. Man muss sich vor Augen halten, dass es für die gemeinsame Präsentation darum geht, einen riesigen Kulturraum von insgesamt 21 Ländern - plus die palästinensischen Gebiete - zusammenzubringen. Das ist alles andere als einfach.

Aber es tut sich etwas: Auf der institutionellen Ebene wird die ALECSO (das arabische Pendant zur UNESCO) einige größere Veranstaltungen inszenieren; auf professioneller Ebene, also von Seiten der Verleger, Autoren und Journalisten, gibt es viele gute Ideen und eine Menge vorzubereiten.

Wie stellt sich die arabische Verlagswelt derzeit dar?

Linz: Im Augenblick ist die Lage wegen der politischen Situation insgesamt eher schwierig. Die arabische Welt fühlt sich bedrängt, in der Defensive. Man ist stolz auf die Vergangenheit und zugleich unsicher, was die Zukunft bringen wird.

Ein Anlass wie der Auftritt bei der Frankfurter Buchmesse zeigt diese Befindlichkeit sehr deutlich, denn er bündelt die Positionen wie in einem Brennglas. Nehmen wir einmal die Diskussionen, die in den hiesigen Medien geführt werden:

Von der Frage "Sollen wir überhaupt teilnehmen?" über die Sorge sich zu blamieren bis zu einem vorsichtigen Optimismus ist da alles vertreten. Aber am Ende wird etwas Gutes dabei herauskommen. Die arabischen Verleger sind grundsätzlich sehr aufgeschlossen, es sind gute Leute, die auch etwas zu bieten haben.

Was erwarten Sie, was erhoffen Sie vom Ehrengast-Auftritt in Frankfurt?

Linz: Von der Tatsache, dass die arabischen Verleger hier gemeinsam etwas auf die Beine stellen, dass Kontakte neu geknüpft oder intensiviert werden, kann ein wichtiger Impuls ausgehen. Es wäre außerdem sehr schön und wünschenswert, wenn nach dieser Präsentation mehr Übersetzungen arabischer Literatur in westliche Sprachen initiiert würden.

Ich könnte mir ein großes Übersetzungsprogramm vorstellen, das natürlich entsprechende Unterstützung braucht. Es gibt noch immer relativ wenige Leute, die aus dem Arabischen übersetzen. Dieses zarte Pflänzchen einer übersetzerischen Tradition sollte gepflegt und herangezogen werden.

Für das gegenseitige Verständnis wäre das eine tolle Sache. Denn die Menschen in der arabischen Welt wissen genau, was los ist in Hollywood, Berlin oder Paris - aber ob man in Hollywood, Berlin oder Paris ebenso gut Bescheid weiß über arabische Literatur, Kunst oder Film - das möchte ich bezweifeln.

Grundsätzlich kommt es langfristig darauf an, zuverlässige Netzwerke der Zusammenarbeit zu entwickeln. Die Verbindungen zwischen Verlegern, Autoren, Übersetzern, Lektoren könnten systematischer werden, bisher ist das alles eher zufällig.

Hat das Interesse an arabischer Gegenwartsliteratur in den letzten Jahren eher zu- oder abgenommen?

Linz: Es hat eindeutig zugenommen. Es gab vorübergehend ein sehr starkes Interesse, nachdem Nagib Machfus 1988 den Literaturnobelpreis bekommen hatte. Jetzt, in Folge des 11. September 2001, interessiert man sich natürlich sehr für alles Arabische.

Das ist eine Gelegenheit, mehr von diesem großen und vielschichtigen Kulturraum zu vermitteln. Da hat gerade die Literatur viel zu bieten. Sie kann etwas vermitteln, was in Schlagzeilen und Schreckensmeldungen nicht vorkommt.

Die arabische Welt vom Atlantik bis zum Golf ist faszinierend, sie bietet sehr unterschiedliche Lebenswelten, die für westliche Leser zum Teil sicher fremdartig und eigentümlich sind. Die Erlebnisse in einer Großstadt wie Kairo unterscheiden sich grundlegend von denen in einem Dorf im Sudan.

Und hier kann die Literatur Aufschluss geben jenseits der schrillen Bühne der Politik: Wie leben die Menschen, was bewegt sie, wie suchen sie ihr Glück? - Der Dialog auf der kulturellen Ebene ist sehr wichtig.

Welche Autoren stehen für Sie gerade im Mittelpunkt des Interesses? Eher die modernen Klassiker oder Autoren der jüngeren Generation?

Linz: Es besteht ein solcher Nachholbedarf bezüglich arabischer Literatur, dass wir grundsätzlich von "Modern Arabic Writing" sprechen, ohne weitere Unterteilung. Unter dieser Bezeichnung findet man etablierte Namen wie Taha Hussein, Yusuf Idris oder Latifa al-Zayat, aber auch Autoren der jüngeren Generation wie Miral al-Tahawi, Salwa Bakr oder Ibrahim Abdel Meguid.

Einige Autoren setzen sich mit traditionellen Lebenswelten auseinander, wie beispielsweise Miral al-Tahawi, die in einer sehr bildhaften Sprache unter anderem das beduinische Leben zum Thema macht.

Andere sind eher international in ihren Büchern: Bahaa Taher zum Beispiel, der in einem seiner Bücher das Exilerlebnis in Europa schildert. Oder Hoda Barakat, sie lebt heute in Paris und schreibt aus einer sehr interessanten Perspektive.

Der bekannteste arabische Schriftsteller ist Nagib Machfus, der bei AUC Press verlegt wird - und Sie verwalten auch die Übersetzungsrechte …

Linz: Ja, wir haben seine Bücher schon übersetzt und verlegt, bevor er den Literaturnobelpreis bekommen hat. Wir haben alle Rechte für die Bücher, die er früher geschrieben hat und noch schreiben wird in allen Sprachen außer Arabisch.

Es gibt inzwischen weltweit 400 ausländische Ausgaben in 33 Sprachen - für einen Autor aus der arabischen Welt ist das ein großer Erfolg. Unser Schrank für Archivexemplare sieht sehr bunt und vielfältig aus mit all den Übersetzungen seiner Werke. Und es besteht weiterhin Interesse an weiteren Ausgaben.

Wie wird sich die AUC Press in Frankfurt beim Ehrengast-Auftritt präsentieren? Was ist geplant?

Linz: Es ist ja gute Tradition in Frankfurt, Bücher aus dem und über das Gastland zusammenzubringen. Die AUC Press will natürlich das Werk von Nagib Machfus besonders herausstellen. Es könnte sehr schön sein, unsere Übersetzungen und die arabischen Originalausgaben nebeneinander zu zeigen.

Unser Verlag könnte weiterhin interessante Titel beisteuern aus den Bereichen Geschichte, Anthropologie, Sozialwissenschaften, Ägyptologie, um nur einige zu nennen. Aber die Auswahl liegt beim Organisationskomitee, das die Bücher auswählt, um für eine adäquate Berücksichtigung aller beteiligten Länder zu sorgen.

Interview Michaela Grom, freie Journalistin in Kairo

© Frankfurter Buchmesse 2004