Von der Erfahrung lernen

Wie kann der Demokratisierungs-Prozess im Irak in Gang gesetzt werden? Können irakische Politiker von der Vergangenheitsbewältigung der Deutschen lernen? Diesen Fragen gingen irakische Politiker auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin nach.

Im Irak sind die Erwartungen an deutsche politische und zivilgesellschaftliche Akteure groß - und zwar nicht nur, was den Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Landes angeht, sondern auch den Demokratisierungs-Prozess. Zahlreiche Vertreter irakischer Gruppierungen betonten in Berlin, sie wollten von der deutschen Erfahrung bei der Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit lernen. Ähnlich wie es in Deutschland die "Entnazifizierung" gegeben habe, müsse im Irak nun ein Prozess der "Entbaathifizierung" eingeleitet werden. Das meint auch Fareed Yaseen von der "Versammlung der irakischen Demokraten", einer Exil-Gruppe um den ehemaligen Außenminister Adnan Pachachi:

Deutschland als Vorbild

"Deutschland hat den demokratischen Wandel zweimal in seiner Geschichte geschafft: einmal nach dem 2. Weltkrieg und ein zweites Mal nach der Wiedervereinigung 1989. Dies ist eine wichtige Erfahrung für uns, da können wir viel lernen, zum Beispiel beim Demokratisierungs-Prozess im Irak und bei der Entbaathizierung."

Einstimmig betonen die Vertreter, dass der Bildung einer Übergangs-Regierung eigentlich nichts im Wege stehe. Einige Teilnehmer warfen indes den USA vor, den Demokratisierungs-Prozess absichtlich zu verzögern, um so lange wie möglich die Kontrolle über das Land behalten zu können. Sie befürchten, dass die Amerikaner nun eine Marionetten-Regierung in Bagdad einsetzen wollen und verweisen dabei auf das Beispiel Afghanistan, wo Hamid Karzai ihrer Meinung nach nicht mehr als ein "Herrscher über Kabul" sei.

Irak anders als Afghanistan

Diesen Vergleich weist Kemal Fuad, ein Führungs-Mitglied der "Patriotischen Union Kurdistans", jedoch entschieden zurück.
"Ich befürchte das nicht, denn die politische Landkarte im Irak ist völlig anders als in Afghanistan“, sagt er. „Im Irak gibt es trotz des diktatorischen Regimes seit 1963 Parteien, die eine lange Geschichte im Kampf um ihre Rechte haben."

Auch Haitham al-Hassani, der Vorstand der "Iraqi Fondation", einer in den USA angesiedelten exil-irakischen Nicht-Regierungs-Organisationen, blickt zuversichtlich in die Zukunft. Er ist sicher, dass die Iraker selbständig und schnell die Geschicke ihres Landes in die Hand nehmen können. Das zeige auch das Beispiel der Stadt Mossul.

"Die Einwohner dort haben Vertreter gewählt und einen Kommunalrat zur Verwaltung der Stadt gegründet“, erklärt al-Hassani. „Dieser Rat vertritt das ganze breite Spektrum der irakischen Gesellschaft - politisch, religiös und ethnisch."

Die Berliner Konferenz konnte natürlich nicht alle Themen der Entwicklung der Demokratie im Irak behandeln. Sie war lediglich Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen der Stiftung zum Thema Irak. Die nächste Konferenz im Sommer wird sich mit der Rolle der Frauen im Irak beschäftigen.

Samir Grees

Quelle: Deutsche Welle; © 2003 Deutsche Welle