Berlins neuer Kultursenator Joe Chialo passt in kein Klischee

Neuer Berliner Kultursenator: Joe Chialo
Neuer Berliner Kultursenator: Joe Chialo

In der neuen Berliner Landesregierung ist Kultursenator Joe Chialo die ungewöhnlichste Erscheinung. Der Musikmanager mit afrikanischen Wurzeln ist eng mit der katholischen Kirche verbunden und bekennt sich offen dazu.

Wer Joe Chialo kennt, war nicht überrascht: Als Berlins neuer Kultursenator am Donnerstagabend seinen Amtseid ablegte, war es für ihn selbstverständlich, dass er hinzufügte: "So wahr mir Gott helfe". Wie nur wenige Politikerinnen und Politiker macht der 52-Jährige mit afrikanischen Wurzeln aus seinem christlichen Glauben keinen Hehl.

Zwar gehört CDU-Mitglied Chialo einer Partei an, der eine besondere Kirchennähe nachgesagt wird. Sein ungewöhnlicher Lebenslauf hatte ihn aber auch in die Spitzenriege der deutschen Musikmanager geführt, einer eher religionsfernen Branche. Und doch ist die katholische Kirche seine "Heimat", wie er in seiner Biografie bekennt. "Sie hat mir Geborgenheit und Halt gegeben, sie war und ist mein Zuhause."

Es war nicht nur der tiefe Glaube seiner Familie, der Chialo bis heute prägt. Auch die Diplomatenkarriere seines tansanischen Vaters hatte zu einem wichtigen, vielleicht den entscheidenden Einfluss auf Chialo. Mit acht Jahren war er mit seinen Eltern und Brüdern nach Bonn gekommen, wo sein Vater einen Posten in der Botschaft seines Heimatlandes übernahm. Doch nach kurzer Zeit wurde er nach Schweden versetzt, und es stellte sich die Frage, wie es mit Joe und seinem etwas älteren Bruder Jerome weitergehen sollte. Die Antwort kam von einem Mann, der Chialos Leben wesentlich prägen sollte.

 

Leseempfehlung!! Ausnahmsweise mal nicht mein eigenes Buch, sondern das von einem guten Freund und Mitstreiter: @ChialoJoe. Eine tolle, inspirierende und vor allem optimistische Geschichte aus dem modernen Deutschland. pic.twitter.com/L48CyyxAbP

— Peter R. Neumann (@PeterRNeumann) October 20, 2022

 

Es war der Salesianerpater Karl Oerder (1928-2019), ein Freund der Familie. "Er ist mein Ziehvater geworden", so Chialo. "Er war immer für mich da, stand mir auch im Erwachsenenleben mit Rat und Tat zur Seite." Oerder gehörte einem Orden an, der sich besonders der Jugendarbeit verschrieben hat. Er sorgte dafür, dass Chialo und sein Bruder in Internaten der Salesianer Don Boscos eine solide Schulausbildung erhielten.

Auf Oerders Anraten absolvierte Chialo nach dem Abitur auch eine Lehre als Zerspanungsmechaniker. "Er wollte mich an der Werkbank sehen, das war für ihn ehrliche Arbeit, die krisenfest war." Bis heute ist er dem Pater für die manchmal harten Erfahrungen an der Werkbank dankbar.

Es folgten mehrere Studiensemester in Geschichte, Politik und wirtschaftlichen Staatswissenschaften sowie Jobs als Kellner, Türsteher eines Clubs und Sänger einer Band, bevor sich Chialos berufliche Ziele klärten. Schwierige Jahre mit vielen Stationen. Sein Weg in die "Kreativindustrie" begann mit Promotion-Touren zu Radiosendern, um für neue Gesangstalente zu werben. Seine Erfolge in dem hart umkämpften Geschäft ermutigten ihn zur Gründung von Unternehmen, die Musik aus dem afrikanischen Raum fördern.

Quereinsteiger in der deutschen Politik

Alles andere als gradlinig war auch Chialos Weg in die Politik, für die ihn schon heiße Diskussionen mit seinem Ziehvater begeistert hatten. Zunächst interessierte er sich für die FDP, später engagierte er sich bei den Grünen. Als Chialo 2016 in die CDU eintrat, war es Angela Merkel, die ihn mit ihrer Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen tief beeindruckt hatte. "Das war das 'C'. Das war christlich. Sie handelte gegen ungemein viele Widerstände auch in der eigenen Partei", bewundert Chialo sie bis heute.

Ein Parteisoldat alter Prägung, der sich über viele Jahre nach oben kämpft, musste Chialo nicht werden. Zwar scheiterte er bei der Bundestagswahl 2021 in seinem Berliner Wahlkreis, doch vor gut einem Jahr wählte ihn die CDU in ihren Bundesvorstand. Bundesweit gehört wird Chialo, der sich als "Afropäer" bezeichnet, unter anderem als Stimme, sich für Beziehungen mit Afrika auf Augenhöhe stark macht.

Nun muss Chialo in seinem neuen Regierungsamt unter Beweis stellen, dass seine Managerqualitäten auch für die Berliner Verwaltung reichen. Als Kultursenator ist er nicht nur für die vielfältige Musik- und Theaterszene der Hauptstadt zuständig, sondern auch auf die Beziehungen des Senats zu den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.

Bei aller grundsätzlichen Sympathie müssen sie auch mit einem kritischen Partner rechnen. So verurteilt Chialo die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche scharf und fordert außer Reformen auch eine nachdrücklichere Aufarbeitung. "In mir steigt die Wut, wenn ich an die Tricksereien, Heimlichtuereien und Vertuschungen denke", macht Chialo keinen Hehl auch aus solchen Gedanken über die Kirche. (KNA)

 

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