Poker-Spiel mit dem Iran

Mit seiner "Trump-Doktrin" hat der US-Präsident im Umgang mit dem Iran unsicheres Neuland betreten. Denn es ist keineswegs ausgemacht, ob die Wiedereinführung scharfer Sanktionen das Regime in Teheran zu Fall bringen wird, meint Hassan Hakimian.

Von Hassan Hakimian

"Die Sanktionen gegen den Iran sind nun offiziell", twitterte US-Präsident Donald Trump – drei Monate, nachdem er im Mai ein Dekret unterzeichnet hatte, in dem er den Austritt seiner Regierung aus dem iranischen Nuklearabkommen von 2015 ankündigte. Weiterhin prahlte er von den "schärfsten Sanktionen, die jemals verhängt wurden", als ob er dem offiziellen Abkommen ("Joint Comprehensive Plan of Action") die Totenglocke läuten wollte.

Diese Ankündigung hat nur wenige Beobachter überrascht. Aber auch Wendy Sherman, US-Hauptverhandlerin des "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA), spottete jüngst, sie habe immer erwartet, "die größten Probleme für den Erfolg des Abkommens könnten Vertragsbrüche von Seiten des Iran sein, und nicht die politischen Machenschaften des Präsidenten der Vereinigten Staaten."

Tatsächlich scheinen der Iran und die USA die Rollen getauscht zu haben: Die iranische Isolation vor dem Abkommen kontrastiert nun mit den amerikanischen Bemühungen, gegen den weltweiten Strom zu schwimmen. So herrschte auch unter den Staatschefs der anderen JCPOA-Beteiligten – der Europäischen Union, Russland und China – Enttäuschung oder sogar Ungläubigkeit vor. Schnell bestätigten sie erneut ihre starke Verbundenheit mit dem Abkommen.

Im Gegensatz dazu wiederholen US-Beamte immer wieder die Entschlossenheit der Trump-Regierung, Irans "nukleare Bestrebungen", sein Langstreckenraketenprogramm und seinen regionalen Einfluss zu begrenzen. Mit der letzten Stufe der Sanktionen, die am 4. November in Kraft tritt (und zufällig auf den 39. Jahrestag der Geiselnahme von Diplomaten und Angestellten in der US-Botschaft von Teheran im Jahr 1979 fällt), versuchen die USA, die Ölexporte des Landes "auf Null" zu bringen.

CIA-Putsch als Boomerang-Effekt für die USA

Angesichts der langen und riskanten Geschichte der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran stellt sich die Frage, ob diese gegenwärtig wirklich dazu geeignet sind, das Regime des Landes zu stürzen.

Erdölfelder von Soroush, Iran; Foto: Reuters/R. Homavandi
Ökonomische Daumenschrauben für die Islamische Republik: US-Präsident Trump will die unter seinem Vorgänger Barack Obama im Zuge des Atomabkommens ausgesetzten Sanktionen in zwei Phasen wieder einsetzen und verschärfen. In der zweiten Phase ab Anfang November soll der für den Iran lebenswichtige Energiesektor betroffen sein. Teheran soll dann auch kein Erdöl mehr exportieren dürfen.

Das letzte Mal, als die iranischen Ölexporte durch einen umfassenden Wirtschaftsboykott auf Minimalniveau gebracht wurden, war Mitte des 20. Jahrhunderts, als Mohammad Mossadegh, der gewählte iranische Ministerpräsident, die nationale Ölindustrie verstaatlichte. Eine Blockade des iranischen Öls unter britischer Leitung brachte den Sektor weitgehend zum Stillstand, destabilisierte die Wirtschaft und bereitete den Weg für den berüchtigten amerikanisch-britischen Putsch, der 1953 den Schah wieder an die Macht brachte.

So stark waren die Nachwirkungen jener turbulenten Jahre, dass es ein halbes Jahrhundert dauerte, bis US-Außenministerin Madeleine Albright im Jahr 2000 anerkannte, der Putsch zum Sturz von Mossadegh sei ein "klarer Rückschlag für die iranische Entwicklung" und ein Hauptgrund dafür gewesen, "warum viele Iraner diesen Eingriff Amerikas immer noch ablehnen".

Eine solche Reue, wenn sie als solche bezeichnet werden kann, schloss allerdings nicht die Tür für weitere Sanktionen gegen den Iran. Die Sanktionen der USA und der EU zwischen 2010 und 2015 brachten gemischte Ergebnisse: Diese umfassenden Maßnahmen – beschrieben vom damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden als "die lähmendsten Sanktionen in der Geschichte der Sanktionen", ließen die Ölexporte um zwei Drittel auf unter eine Million Barrel pro Tag einbrechen.

Sanktionen treffen vor allem iranische Bürger

Unter der daraus entstehenden Stagflation litten vor allem die iranischen Normalbürger. 2012 ging das BIP um fast sechs Prozent zurück, und im Folgejahr lag die Inflation bei durchschnittlich 35 Prozent. Darauf folgten Bankrotte im Privatsektor und wachsende Arbeitslosigkeit.

Doch ganz im Gegensatz zu den eigentlichen Sanktionsabsichten hat sich der wirtschaftliche und politische Einfluss des öffentlichen Sektors und der halbstaatlichen Organisationen verstärkt. Und währenddessen bestand der Iran auch weiterhin auf sein Recht, ein friedliches Nuklearprogramm voran zu treiben. Es schien keinen Raum für Kompromisse zu geben, bis 2013 die Reformregierung von Präsident Hassan Rohani an die Macht kam.

Was also ist dieses Mal anders?

Obwohl die US-Sanktionen versprechen, noch paralysierender zu wirken als bisher, werden sie nicht von Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gestützt, weshalb sie international nicht legitimiert sind. Dies bedeutet, dass die iranische Isolation viel weniger komplementär zu sein scheint. Wichtige Handelspartner wie China und die Türkei haben bereits angekündigt, sich nur "legalen" Sanktionen beugen zu wollen.

Die Effektivität der Sanktionen wird allerdings nicht von ihrem De-Jure-, sondern von ihrem De-Facto-Status bestimmt. Dies gilt besonders für die europäischen Unternehmen, die aufgrund von Sekundärsanktionen und Aktionärsinteressen letztlich entscheidenden Einfluss haben werden – und nicht die politischen Mechanismen ihrer Regierungen.

Dies erklärt, warum viele große Unternehmen bereits jetzt ihren Abschied vom iranischen Markt angekündigt haben. In einer globalisierten Welt, in der die USA einen erheblichen und weitreichenden Einfluss haben, ist es für europäische Unternehmen – Automobilhersteller, Fluggesellschaften, Energiekonzerne, Banken usw. – nicht ratsam, den Zorn des US-Handelsministeriums auf sich zu ziehen. Dies bedeutet, dass der Erfolg der Sanktionen letztlich nicht nur vom Iran abhängt, sondern auch davon, welche weiteren Kräfte eine Rolle spielen.

Iraner vor Geldautomaten in Teheran am 6. August 2018; Foto: picture-alliance/AA/F. Bahrami
Sanktionen auf dem Rücken der iranischen Bevölkerung: Der einseitige Ausstieg der USA aus dem Wiener Atomabkommen von 2015 und die Wiedereinführung von ausgesetzten Sanktionen haben den Iran in eine akute Wirtschaftskrise geführt. Die nationale Währung hat fast 60 Prozent an Wert verloren, die Inflation erreicht jeden Tag neue Dimensionen.

Gestärkte Hardliner

Aber auch die Bedingungen innerhalb des Iran selbst stellen einen wichtigen Faktor dar. Und hier scheinen die USA darauf zu vertrauen, dass die Sanktionen "erfolgreich sein werden". Seit Monaten werden die iranischen Städte von Protesten erschüttert, die sich vordergründig gegen die immer schlechter werdenden Lebensbedingungen richten. Durch diese Ausbrüche werden die iranischen Reformer geschwächt, indem ihr "Monopol der Hoffnung" untergraben wird.

Die Hardliner, so scheint es, sind im Aufwind und können nun behaupten, ihre Ablehnung des JCPOA sei von Anfang an gerechtfertigt gewesen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind im Iran bereits jetzt spürbar. Bereits zu dem Zeitpunkt, als noch über den US-Austritt aus dem Atomabkommen spekuliert wurde, geriet die iranische Währung in freien Fall. Das Gespenst der Inflation ist zurück.

Damit die Sanktionen aus Sichtweise der USA erfolgreich sind, müssen sie entweder eine Regime- oder eine Verhaltensänderung bewirken. Historisch gesehen ist die Wirkung von Sanktionen hin zu einem Regimewechsel allerdings alles andere als wahrscheinlich (denken wir nur an Kuba, Myanmar oder Simbabwe).

Und ob die Sanktionen den Weg für die zweite Möglichkeit in Form einer Verhandlungslösung bereiten werden, bleibt abzuwarten. Nur eins ist sicher: In Bezug auf den Iran hat der US-Präsident mit seiner "Trump-Doktrin" unsicheres Neuland betreten.

Hassan Hakimian

© Project Syndicate 2018

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Hassan Hakimian, Direktor des London Middle East Institute und Dozent für Wirtschaftswissenschaften an der SOAS, University of London, ist Mitherausgeber von "Iran and the Global Economy: Petro Populism, Islam and Economic Sanctions".