Die lange Reise ins Ungewisse

Nahr El-Bared, das erste palästinensische Flüchtlingslager nach dem Krieg von 1948; Foto: UNRWA Archive/S. Madver
Nahr El-Bared, das erste palästinensische Flüchtlingslager nach dem Krieg von 1948; Foto: UNRWA Archive/S. Madver

Die UNRWA, das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, hat kürzlich in Ostjerusalem eine von Videos begleitete Fotoausstellung eröffnet, die die Geschichte der palästinensischen Flüchtlinge seit 1948 dokumentiert. Von Joseph Croitoru

Von Joseph Croitoru

Unter dem Titel "Die lange Reise" (The Long Journey) wird im palästinensischen Kulturzentrum "Al-Ma'mal" in der Jerusalemer Altstadt derzeit eine kleine Auswahl aus den Beständen des umfangreichen UNRWA-Archivs gezeigt, die die Geschichte der palästinensischen Flüchtlinge beinhaltet – und für Aufsehen sorgt.

Die als Wanderausstellung konzipierte Schau, die in einigen arabischen Ländern, in denen palästinensische Flüchtlinge leben, und auch im Westen gezeigt werden soll, ist Teil eines größeren Projekts, zu dem auch die schrittweise Digitalisierung des Archivs und die Einspeisung ins Internet gehört.

Das Medienarchiv der UNRWA, mittlerweile Teil des UNESCO-Programms "Weltdokumentenerbe" (Memory of the World), umfasst mehr als eine halbe Million Stücke, unter denen sich neben Fotoabzügen und Videos auf VHS-Kassetten auch zahlreiche Negative und Diapositive befinden.

Wechselvolle Geschichte

Wie die palästinensischen Flüchtlinge hat auch das Archiv eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Bis 1982 befand es sich in Beirut, wurde aber nach der israelischen Invasion in Libanon im gleichen Jahr nach Wien und dann 1999 größtenteils nach Amman in Jordanien verlegt.

Nach Gaza gelangten rund 50.000 Fotos und Negative, um die sich die Leitung des Flüchtlingswerks wegen der periodischen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der dort regierenden islamistischen Hamas und der israelischen Armee zunehmend Sorgen machte. Wohl deshalb, und auch aufgrund des drohenden Zerfalls des Foto- und Filmmaterials, entschied man sich für die Digitalisierung der Bestände.

Die in der Ausstellung präsentierten knapp hundert Fotos sowie einige Videos, die meist die erste Phase der Flüchtlingsgeschichte nach 1948 illustrieren, sind mit Bedacht ausgesucht worden. Szenen von Gewalt scheinen die Organisatoren, die offensichtlich keine polemischen Absichten verfolgen, sondern eine historisch getreue Dokumentation anstreben, grundsätzlich vermieden zu haben.

Zu sehen sind in der Mehrzahl Gruppenfotos, etwa von traditionell gekleideten palästinensischen Müttern mit ihren Kleinkindern, von Schülern oder von Männern bei der Arbeit, aber auch einzelne Porträts. Die meisten Bilder thematisieren die Betreuung der Flüchtlinge.

Ein Dorn im Auge für Israels Regierung

Besonders politisch wirkt die bescheidene Schau nicht, auch wenn ein Uno-Vertreter bei der Eröffnung betonte, die palästinensischen Flüchtlinge hätten nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft und ein Recht auf ein Leben in Würde.

Der israelischen Regierung ist die Ausstellung ein Dorn im Auge. Ein Sprecher des Außenministeriums warf im Gespräch mit der "New York Times" den Vereinten Nationen vor, nur beim Thema Palästinenser so viel Aufwand zu betreiben und unnötigerweise für ein Ausstellungsprojekt Geld auszugeben, das an anderer Stelle, nämlich bei den eigentlichen Bedürftigen, gebraucht werde.

Die UNRWA hat diesen Vorwurf zurückgewiesen und betont, dass die Mittel für das Ausstellungs- und Digitalisierungsprojekt, bisher rund eine Million Dollar, nicht aus dem eigenen Haushalt kämen, sondern von der dänischen und französischen Regierung sowie vom palästinensischen Privatsektor zur Verfügung gestellt würden.

Ein "Kampf der Narrative"?

Die Einwände der rechtsorientierten israelischen Regierung stehen übrigens in einem größeren Zusammenhang. Rechte israelische Kreise haben in den letzten Jahren wiederholt versucht, die Erziehungsarbeit des UN-Flüchtlingswerks zu diskreditieren und warfen ihm vor, palästinensischen Kindern die Idee der Rückkehr, die alle israelischen Regierungen bislang kategorisch abgelehnt haben, systematisch einzuimpfen.

In den israelischen Medien hingegen wurde über die Schau wohlwollend, wenn auch mit gemischten Gefühlen berichtet. "Kampf der Narrative" titelte zwar dramatisierend das Newsportal "Ynet" aber gleichzeitig präsentierte es seinen Lesern eine beachtliche Zahl der ausgestellten Fotos.

Joseph Croitoru

© Qantara.de 2014

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de