Viel Lärm um die Tochter des Propheten

Nach Protesten wurde der Film "The Lady of Heaven“ in Großbritannien vom Kinoverleiher Cineworld abgesetzt. Kritiker werfen ihm vor, seine Bildersprache überzeuge nicht und sei zudem rassistisch. Von Shady Lewis Botros 
Nach Protesten wurde der Film "The Lady of Heaven“ in Großbritannien vom Kinoverleiher Cineworld abgesetzt. Kritiker werfen ihm vor, seine Bildersprache überzeuge nicht und sei zudem rassistisch. Von Shady Lewis Botros 

Nach Protesten wurde der Film "The Lady of Heaven“ in Großbritannien vom Kinoverleiher Cineworld abgesetzt. Kritiker werfen ihm vor, seine Bildsprache sei schlicht und zudem rassistisch. Von Shady Lewis Botros 

Von Shady Lewis Botros

Nach der im Februar 1989 von Ayatollah Khomeini gegen Salman Rushdie erlassenen Fatwa blickte die gesamte westliche Welt mit anderen Augen auf den Islam, ganz besonders aber die Kreativbranche. Im Fall der "Satanischen Verse“ geriet eine einzelne, konkrete Person in das Visier von Radikalen. Dagegen löste die Krise um die Mohammed-Karikaturen im Jahr 2005 nebst ihren blutigen Auswirkungen einen Dominoeffekt aus. Die Schockwellen erfassten ein europäisches Land nach dem anderen und machten den Islam zu einem Tabuthema. Die Kulturszene unterwarf sich in der Diskussion über den Islam und seine Symbole einer unterschiedlich strengen Selbstzensur, um nicht selbst zur Zielscheibe zu werden. 

Vor diesem Hintergrund stoppte die britische Kinokette Cineworld kürzlich alle geplanten Vorführungen des Films "The Lady of Heaven“ in Großbritannien.  Der Film schildert das Leben von Fatima al-Zahra, der Tochter des Propheten Mohammed, und löste bei mehreren islamischen Organisationen in Großbritannien Empörung aus. So unterzeichneten mehr als 120.000 Menschen eine Petition, mit der sie die Absetzung des Films forderten. Asif Patel, Vorsitzender des Bolton Council of Mosques, erklärte, der Film sei "mit einer die Ideologie unterlegt, die zu Spannungen zwischen den Sunniten und Schiiten führen könne und werde von der muslimischen Gemeinschaft als blasphemisch empfunden“. 

Die politisch und historisch begründete Kritik drängte solche religiösen Erwägungen in den Hintergrund – ungeachtet der Einwände und auch der umsichtigen Wortwahl von Patel. Lediglich einige Dutzend Menschen nahmen an der friedlichen Mahnwache gegen den Film teil. Dennoch gerieten die Verantwortlichen von Cineworld sofort in Panik. In der offiziellen Erklärung zur Entscheidung, die Vorführungen abzusetzen, ging man nicht auf die Art der Einwände ein. Weder wies man sie zurück, noch hieß man sie gut. Vielmehr betonte das Unternehmen lediglich, es wolle die Sicherheit "der Belegschaft und der Öffentlichkeit“ gewährleisten. 

Um Argumente geht es nicht

Die Demonstranten vor der Cineworld-Hauptverwaltung begrüßten die Entscheidung zwar mit "Allahu-Akbar-Rufen“ (dt. Gott ist größer). Doch kam die Erklärung von Cineworld eher einer Beleidigung als einem Sieg gleich. Der friedliche Protest wurde reflexhaft als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit behandelt und die Einwände der Demonstranten noch nicht einmal erörtert. Auf politischer Ebene kritisierten mehrere Abgeordnete und Regierungsvertreter die Entscheidung von Cineworld als Bedrohung der Meinungsfreiheit, darunter der britische Gesundheitsminister Sajid Javid. Das Unternehmen habe sich erpressen lassen und der Cancel Culture nachgegeben. 

Der konkurrierende Kinobetreiber Vue kündigte indes an, den Film in Kinos in London sowie im Südosten des Landes zu zeigen. Diese Vorführungen fanden mittlerweile ohne Zwischenfälle statt. 


 

Zu Beginn des Films werden zwei Hinweise eingeblendet: Erstens unterstütze der Film ein friedliches Zusammenleben und lehne Gewalt ab. Zweitens respektiere man die "Islamic Convention“, eine Vereinbarung, die es Schauspielern untersagt, religiös verehrte Figuren darzustellen. 

Allerdings kollidiert insbesondere diese Aussage damit, dass sowohl der Prophet Mohammed als auch ʿAlī ibn Abī Tālib, Mohammeds Cousin, im Film vorkommen. Als Ehemann von Mohammeds Tochter Fatima ist er gleichzeitig der Schwiegersohn des Propheten. Eine Erklärung weist darauf hin, dass die Figuren durch spezielle Licht- und Filmeffekte dargestellt werden. 

De facto scheinen allerdings keine Spezialeffekte verwendet worden zu sein. Abgesehen von Fatima, die nur von hinten, mit verschleiertem Gesicht oder als Silhouette gezeigt wird. Die Gesichter der übrigen Charaktere werden speziell ausgeleuchtet. Weiße Diffusionsfilter umhüllen ihre Gesichter und Körper mit einem zarten Heiligenschein. 

Strahlend weiße Gesichter für die Prophetenfamilie - die Bösewichter sind schwarz

Das Drehbuch von "The Lady of Heaven“ stammt von dem umstrittenen schiitischen Prediger und Aktivsten Yasser al-Habib, einem gebürtigen Kuwaiter, der in London lebt. Der Film verfolgt zwei Handlungsstränge: Der eine spielt in der islamischen Vergangenheit, der andere in der Gegenwart. Als der "Islamische Staat“ weite Teile des irakischen Territoriums erobert, treffen beide Erzählungen aufeinander. Das Schicksal Fatimas wird als eine Art Gute-Nacht-Geschichte für einen Jungen erzählt, dessen Mutter von IS-Milizen getötet wurde. Die Großmutter aus der Adoptivfamilie des Jungen erzählt Fatimas Schicksal nicht nur als Geschichte über einen langen Leidensweg, sondern auch als eine Geschichte über das fortgesetzte Unrecht, das der Familie des Propheten zugefügt wurde. So bekräftigt die Erzählung die Aufteilung der Welt in das absolute Böse und das absolute Gute. 

With this rendezvous in time, the similarities drawn between past and present go beyond mere continuity, reaching a point of almost literal correspondence – after all, the boy's murdered mother is also called Fatima.

In "The Lady of Heaven“ steht der IS für das Böse, während die irakischen Volksmobilmachungseinheiten (Popular Mobilisation Forces), die den IS bekämpfen, das Gute verkörpern. Vergangenheit und Gegenwart treffen aufeinander, es gibt nicht nur eine Kontinuität der Geschichte, sondern fast eine buchstäbliche Übereinstimmung zwischen Geschichte und Gegenwart: Auch die ermordete Mutter des Jungen heißt Fatima. 

Regisseur Eli King – ein australischer Schauspieler ägyptischer Herkunft – erzählt die historischen Ereignisse mit einem ausgeprägten Sinn für das Epische. Herausgekommen ist dabei leider eine etwas dissonante Mischung unterschiedlicher filmischer Einflüsse. So erinnert die Darstellung des Einzugs des Propheten in Medina an die cineastische Darstellung des triumphalen Einzugs von Jesus in Jerusalem. Wer die Filme über das Leben Jesu kennt, wird die Ikonografie erkennen, obwohl das Sounddesign bei King origineller ist. Für die Kampfszenen, die Kostüme und nicht zuletzt die Darbietungen der Schauspieler nimmt King viele Anleihen bei Bollywood-Filmen über göttliche Hindu-Legenden – bis hin zu der damit verbundenen radikalen Dichotomie von Licht und Dunkel. 

Auf ebenso naive wie befremdliche Art und Weise folgt auch die visuelle Gestaltung des Films dieser Dualität. Alle Mitglieder der Familie des Propheten haben strahlend weiße Gesichter, während die Bösewichte, also ʿUmar ibn al-Chattāb, Abū Bakr und seine Tochter Aischa, alle schwarz sind. Mit diesem eklatanten Missgriff haben sich die Filmemacher den Vorwurf eingehandelt, nicht nur konfessionell unausgewogen, sondern auch rassistisch zu sein. 

Den Betrachter verwundern nicht nur die eher dürftigen Produktionsstandards, sondern auch die Tatsache, dass in diesem Film über die islamische Geschichte alle Charaktere Englisch mit dem typischen Akzent von Migranten sprechen. So sorgt der Soundtrack des Films für eine gewisse Heiterkeit - und für viel Verwirrung. 

Shady Lewis Botros 

© Qantara.de 2022

Übersetzt aus dem Englischen von Peter Lammers

Übersetzt aus dem Arabischen ins Englische von Chris Somes-Charlton