Entwarnung im Paradies?

Am 12. Oktober 2002 wurde auf der Ferieninsel Bali ein Terroranschlag verübt, bei dem 202 Menschen, darunter viele Touristen, durch eine Autobombe ums Leben kamen. Über die Auswirkungen des Anschlags auf den Tourismus berichtet Alexander Kesper.

Am 12. Oktober 2002 wurde auf der Ferieninsel Bali ein Terroranschlag auf den Sari-Club im Touristenort Kuta verübt, bei dem 202 Menschen, darunter viele Touristen, durch eine Autobombe ums Leben kamen. Über die Auswirkungen des Anschlags auf den Tourismus berichtet Alexander Kesper.

Sanurbeach auf Bali, Foto: Manfreds Travel
Sanurbeach auf Bali

​​Die Auswirkungen des Attentats auf die wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Struktur der Insel waren gravierend. Die wirtschaftlichen Veränderungen sorgten für weitreichende Umsatzeinbrüche, vor allem im Tourismus.

Besonders kleine und mittlere Betriebe und Hotels sowie im informellen Sektor beschäftigte, direkt vom Tourismus abhängige Händler mussten um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen.

Von den Anschlägen erholt

Heute lässt sich jedoch feststellen, dass das Gesellschaftssystem der Insel die wirtschaftlichen Ausfälle ohne nennenswerte soziale Unruhen verkraftet hat. Bei der friedlichen Bewältigung der Katastrophe spielten familiäre und dörfliche Sicherungssysteme sowie die starke Religiosität vieler Balinesen eine wichtige Rolle.

Nach dem Anschlag kümmerten sich zahlreiche Hilfsorganisationen um die Bedürfnisse der Betroffenen. Die angekündigten Hilfen der Regierung verliefen jedoch zum Großteil im Sande. Die Gründe hierfür liegen in unzureichender Organisation, Führungsschwäche, Konzeptlosigkeit sowie Koordinations- und Kommunikationsschwierigkeiten.

Erneuter Tourismus

Trotzdem hat sich der Tourismus auf Bali wieder erholt. Für das erste Quartal des Jahres 2004 stellt der indonesische Minister für Kultur und Tourismus I Gede Ardika ein Wachstum von 18 % fest. Er ist zuversichtlich, dass die zum Jahresanfang prognostizierten Gesamtbesucherzahlen für Indonesien im Jahr 2004 von 4,4 Millionen um mindestens 600.000 Besucher übertroffen werden können. Allein im Juli wurden auf Bali 148.177 ausländische Direktankünfte registriert. Ein absoluter Rekord.

Es scheint, dass die Erinnerung an den Anschlag von Bali in den Köpfen der Besucher durch fast tägliche Terror- und Katastrophenmeldungen aus anderen Regionen mittlerweile in den Hintergrund getreten ist und die Entscheidung für Bali als Ferienziel kaum noch beeinflusst.

Mängel bei der Terrorbekämpfung

Indes hat sich die Sicherheitslage Indonesiens nicht ernsthaft verbessert, wie der Anschlag auf das J.P. Marriott Hotel im August 2003 und das Bombenattentat auf die australische Botschaft vom 09. September 2004 gezeigt haben. Westliche Ziele stehen nach wie vor im Fadenkreuz indonesischer Terroristen. Solange die Politik nicht entschlossener und konsequenter gegen den islamischen Terror und seine Ursachen vorgeht, wird sich daran auf absehbare Zeit nichts ändern.

Zu den präventiven Maßnahmen gehört nicht nur die Verfolgung der unmittelbaren Täter und ideologischen Drahtzieher, sondern auch der Abbau ungelöster gesellschaftlicher, sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeiten, die allgemein als Nährboden für Terrorismus gelten.

Erschwerend kommt bei der Terrorbekämpfung in Indonesien der negative Einfluss der alle Gesellschaftsbereiche erfassenden Korruption hinzu. Die führungsschwache Regierung unter Staatspräsidentin Megawati konnte für gesellschaftliche Stabilität und religiösen Frieden nicht garantieren. Es bleibt abzuwarten, ob es unter dem neuen Präsidenten General Yudhoyono zu einer positiven Veränderung der Gesamtsituation kommen wird.

Ungewisse Zukunft

Die Zukunft des indonesischen Tourismus ist in Zeiten von international tätigen Terrornetzwerken und politischen und ökonomischen Unsicherheiten nur schwer einzuschätzen.
Ob nach einem weiteren Attentat in der Dimension des Anschlags vom 12. Oktober 2002 eine mit der jetzigen positiven Entwicklung vergleichbare Erholung der Besucherzahlen erneut möglich wäre, ist unwahrscheinlich.

Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, sich auf zukünftige Attentate durch präventive Maßnahmen und Notfallpläne vorzubereiten. Bis heute fehlt es jedoch weitgehend an erkennbaren Strukturen zur Umsetzung.

Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass Bali auch weiterhin als sehr reizvolles Reiseziel empfunden wird. Bei einer repräsentativen Besucherumfrage auf der Ferieninsel gaben 97 % der Befragten an, dass sie beabsichtigen, für einen weiteren Urlaub nach Bali zurückzukehren.

Umweltschutz hat Priorität

Dieselbe Umfrage kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass ein durch Umweltschäden beeinträchtigtes Image dem Tourismus der Insel nachhaltigere Schäden zufügen würde, als das zurückliegende Terrorereignis. Neun Monate nach den Anschlägen maßen die Befragungsteilnehmer der Umweltverschmutzung einen deutlich höheren negativen Stellenwert zu, als der unberechenbaren Sicherheitslage.

Es bleibt zu hoffen, dass die balinesischen Götter ihrer Insel auch weiterhin gewogen bleiben, denn trotz aller Unwägbarkeiten und Macken bleibt Bali ein magischer Ort. Wer einmal dem Klang der Gamelan gelauscht hat, während sich das Licht des Mondes in den dunklen Spiegeln der Reisfelder bricht, der kann nicht anders – er kehrt zurück.

Alexander Kesper

© Qantara.de 2004