Mehr als nur eine muslimische Punkband

Seit ihrer Gründung wird die Band "The Kominas" von allen Seiten kritisiert: Einige Punks meinen, die Mitglieder seien keine richtigen Punks, konservative Kräfte kritisieren ihre politische Botschaft. Doch wer entscheidet überhaupt, was Punk ist? Liegt es nicht im Wesen dieser Musik, Grenzen zu überschreiten und den Status Quo in Frage zu stellen? Von Richard Marcus

Von Richard Marcus

Wie jede andere Bewegung ist auch Punkrock weit offen für persönliche Interpretationen. Der britische Punk der 1970er Jahre unterschied sich deutlich von seinem US-amerikanischen Pendant. Und der New Yorker Punk unterschied sich wiederum deutlich vom kalifornischen Punk. Und die Punkszene im kanadischen Toronto war eine Art Mischung aus allen drei Varianten.

Punk korrespondiert eher mit einer bestimmten Einstellung als mit einem Musikstil. Punk ist die Bereitschaft, offen seine Meinung zu sagen und mit den Konsequenzen zu leben. In erster Linie geht es darum, Gelegenheiten zu ergreifen und sich gegen den Status Quo zu wenden.

Verallgemeinernde Phrasen wie "Punk-Islam" oder "Taqwacore" (ein Name aus einem Buch desselben Titels des amerikanischen Autors Michael Muhammad Knight) können den Charakter einer Band also nicht genauer bestimmen – außer vielleicht in der Hinsicht, dass alle Mitglieder denselben religiösen Hintergrund haben. Aber auch wenn diese Bezeichnung ziemlich abwertend erscheint (immerhin haben wir noch nie von "christlichem Punk“ oder "weißem Punk" gehört), wird sie doch immer wieder verwendet.

"Ihr könnt uns mal!"

Dies ist Teil eines allgemeinen Syndroms, das die Band "The Kominas" in einer aktuellen Stellungnahme auf ihrer Facebook-Seite kritisiert: "Wenn sich Muslime im Westen oder nach westlichen Maßstäben ganz normal verhalten, gerät dies immer wieder in die Schlagzeilen. Nach dem Motto: 'Oh wow, schau' Dir diese Muslime an! Sie fahren Skateboard und sind total normal.' 'Hey, diese Muslime da hören Musik und machen sogar selbst welche!' 'Wow, dieser Muslim ist ja ein ganz normaler Scheißkerl (genau wie ich).' Man kann das nennen, wie man will (wir halten es für schäbig, denk' darüber, was Du willst), aber wir wollten dazu eigentlich nur sagen: Ihr könnt uns mal! Wir sind mehr als ein Abziehbild. Schiebt Euch doch Eure Dualismen dorthin, wo ihr wollt!" ("Kominas"-Facebook-Seite vom 13. Juni 2015).

Dass die "Kominas" mit "Taqwacore" in Verbindung gebracht werden, liegt sowohl an ihrer Verbindung zu Knight, als auch an einem Dokumentarfilm mit dem Titel "Taqwacore: The Birth of Punk Islam", an dem sie beteiligt waren. Ein Teil des Films handelt davon, wie "islamische" Punkbands gemeinsam mit Knight in einem alten Schulbus auf Tournee durch die USA fahren, der andere Teil beschreibt eine Reise Knights nach Pakistan, wo er verschiedene Sufi-Schreine sowie seine alte Madrassa besucht und die "Kominas" trifft, die sich damals gerade für zwei Jahre im Land aufhielten.

Wie durchbricht man Klischees?

So bin ich zum ersten Mal mit der Band in Kontakt gekommen. Und in den Jahren darauf habe ich sie im Internet gesehen und war beeindruckt von ihrer Musik und davon, was sie darüber zu sagen haben, warum sie spielen und was Punk für sie bedeutet. Die Gründungsmitglieder Basim Usmani (Bass) und Shahjehan Khan (Gitarre) sind sich an der Universität von Boston begegnet und riefen daraufhin im Jahr 2005 die Band ins Leben. Bald kam Karna Ray als Schlagzeuger hinzu, und über die Jahre hinweg haben sich die anderen Mitglieder gemeinsam mit Hassin Ali Malik zur heutigen Besetzung entwickelt.

Obwohl sie nur zwei vollständige CD-Alben ("Kominas" und "Wild Nights In Guantanamo Bay"), zwei Singles ("BariyaN Ashiq Mizaj AkhaN TeriaN" und "Sharia Law in the U.S.A.") und eine Sechs-Titel-CD ("Escape To Blackout Beach") veröffentlicht haben, sorgten sie doch für jede Menge Aufmerksamkeit. Vieles geht auf die US-amerikanischen Medien zurück, die zu ergründen versuchten, wieso junge Muslime in einer Musikband spielen. Doch der eigentliche Grund für die Popularität der Band bei den Hörern sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Südostasien war, dass sie ihre Songs auf Englisch, Urdu und Punjabi verfassten und damit in der Lage waren, kulturelle Grenzen zu überschreiten, derer sich die wenigsten US-amerikanischen Gruppen überhaupt bewusst sind.

Allerdings heißt dies nicht, dass die Band bei allen beliebt ist. In der Tat wird sie von allen Seiten des politischen, musikalischen und religiösen Spektrums angegriffen. In einem Interview mit "Vanyaland", einer Bostoner Musikzeitschrift, bringt Usmani dies zur Sprache, wenn er erwähnt, wie sie von antireligiösen pakistanischen Punks dafür kritisiert werden, sich als Muslime zu sehen. Und indonesische Punks warfen ihnen vor, angeblich keine echten muslimischen Punks zu sein.

Natürlich bringen sie mit ihren politischen Botschaften – und vielleicht sogar allein aufgrund ihrer bloßen Existenz – konservative Kräfte in ihrer Heimat gegen sie auf. Wie aus dem zitierten Facebook-Eintrag deutlich wird, nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Doch genau das ist ja auch die Aufgabe einer Punkband – den Status Quo zu erschüttern. Natürlich gibt es Punks, die behaupten, die "Kominas" seien nicht punkig genug, weil sie mehr als drei Akkorde spielen und mit unterschiedlichen Musikstilen und -richtungen experimentieren, aber ihre Herangehensweise an die Musik und ihre Texte sind reiner Punk. Eine so bedeutende Figur wie John Lydon (alias Johnny Rotten von den "Sex Pistols") hat einmal gesagt, die ganze Idee einer "Punk-Orthodoxie" – dass man, um Punk zu sein, nur eine bestimmte Musik spielen darf – sei völliger Quatsch.

Kann man als Muslim gleichzeitig Punk sein?

Leider spielt bei der ganzen Sache auch die Hautfarbe eine Rolle: von braunhäutigen Menschen aus Südostasien wird nicht erwartet, dass sie auf der Bühne auf Gitarren und Schlagzeuge eindreschen und ihre Haare im Irokesenstil tragen. Sie sollten doch eigentlich Sitar oder andere landestypische Instrumente spielen. Auf die Frage, welchen Einfluss die Tatsache, dass die Band muslimisch ist, darauf hatte, wie sie von der Musikwelt aufgenommen wurde, antwortete Malik in einem MTV-Interview, Die Band sei von der weißen Indie-Punk-Szene geächtet worden – soweit diese Szene heute überhaupt noch existiert.

Am schwierigsten ist es für die "Kominas", wie jede andere Band behandelt zu werden. Usmani erklärte, die Presse sei nur dann an ihnen interessiert, wenn wieder einmal das Thema „Islamophobie“ in den Medien grassiere oder als Aufhänger für einen Artikel über Integration verwendet werde. Ja, sie haben als angeblich muslimische Punkband angefangen (Schlagzeuger Ray ist ein säkularer Hindu und Kind einer US-Akademikerfamilie), aber sie sind mehr als dies. Nicht nur durchbrechen sie Stereotype, indem sie Musik spielen, die sich für Menschen dunkler Hautfarbe nicht "gehört", sondern ihre Musik ist auch noch richtig gut.

Richard Marcus

© Qantara.de 2015

Übersetzt aus dem Englischen von Harald Eckhoff.