Ein unlösbares Dilemma

Ein Militärschlag gegen Syrien wird immer wahrscheinlicher. Dabei ist das strategische Ziel eines solchen Einsatzes fragwürdig. In Wirklichkeit steht die internationale Gemeinschaft vor einem Dilemma. Von Karim El-Gawhary

Von Karim El-Gawhary

Der Schock über die Bilder nach dem mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz in Syrien ist ebenso groß wie der internationale Drang, etwas unternehmen zu müssen. Plötzlich steht ein möglicher Militärschlag ganz oben auf der internationalen Tagesordnung. Aber was genau soll das Ziel einer militärischen Operation sein? Im Falle Syriens könnten sich drei unterschiedliche strategische Ziele festlegen lassen.

Ein Militäreinsatz könnte als Strafaktion gedacht sein. US-Medien sprechen derzeit davon, dass die US-Regierung einen nur zweitägigen Einsatz erwägt, durch den die syrische Regierung von dem weiteren Einsatz von Chemiewaffen abgeschreckt werden soll. In einem solchen Fall sollte man zumindest abwarten, bis sich die Beweislage erhärtet hat.

Das zweite strategische Ziel könnte sein, das Blutvergießen in Syrien zu beenden. Dafür bedarf es allerdings einer langanhaltenden, koordinierten Operation, die zunächst Flugverbotszonen und "sichere Gebiete" schafft. Die Krux hierbei wäre, wer diese sicheren Gebiete am Boden verwaltet und ob nicht im Schutz dieser Zonen militante Islamisten Gelegenheit erhalten, ihren Einfluss auszuweiten. Um das zu verhindern, müsste man diese Gebiete mit internationalen Truppen verwalten - zur Entsendung von Bodentruppen ist derzeit aber kein Land bereit.

Für den amerikanischen Außenminister John Kerry scheint kein Zweifel daran zu bestehen, dass das Assad-Regime hinter dem Giftgasanschlag steckt - auch wenn er das nicht offen ausspricht. Das Regime müsse bestraft werden, so Kerry. Derzeit spricht vieles dafür, dass die USA und möglicherweise andere Staaten tatsächlich nur einen zweitägigen Angriff auf Stellungen der syrischen Armee fliegen werden, doch Karim el-Gawhary bezweifelt, dass dies die Fronten im Bürgerkrieg entscheidend verändern würde.

Das dritte strategische Ziel könnte sein, das Regime Assad zu stürzen. Das hieße, dass internationale Truppen zu einem Teil des syrischen Bürgerkrieges würden. Und das größte Problem würde erst beginnen, wenn Assad gestürzt würde. Bisher hat es die Opposition nicht geschafft, eine Alternativregierung aufzubauen, die es wert ist, als solche bezeichnet zu werden und die die Lage nach Assad unter Kontrolle hätte.

Das wahrscheinlichste Szenario nach Assad ist eines, das dem irakischen Chaos ähnelt. Von all diesen drei Szenarien ist das einer kurzen militärischen Strafaktion am wahrscheinlichsten, auch wenn diese den Verlauf des Bürgerkrieges kaum beeinflussen dürfte. Aber man hätte gezeigt, dass man etwas unternimmt.

Patentrezept zur Beendigung des Krieges

In Wirklichkeit steht die internationale Gemeinschaft in Syrien vor einem nicht auflösbaren Dilemma. Ein Sieg des Assad-Regimes hätte die Stärkung der iranisch-syrischen Achse zur Folge und daran ist in den westlichen Hauptstädten derzeit niemandem gelegen.

Ein Sieg der Rebellen wäre zu einem guten Teil nach jetzigem Stand auch ein Sieg militanter Islamisten. Wer die Wahl zwischen Iran und Al Kaida hat, der sitzt den Konflikt aus und wartet, bis sich beide Seiten gegenseitig zerreiben. Das schließt einen demonstrativen, begrenzten Militärschlag nicht aus.

Mit einer Beendigung des syrischen Bürgerkrieges hat das alles nichts zu tun. Aber dafür hat derzeit ohnehin niemand ein Patentrezept.

Karim El-Gawhary

© Qantara.de 2013

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de