Wie der Klimawandel zum Krieg in Syrien beitrug

Der Klimawandel war nicht Auslöser für den Ausbruch des Syrien-Konfliktes vor zehn Jahren. Aber er hat mit dazu beigetragen, dass das Land im Bürgerkrieg versunken ist und zum Krisenfall wurde. Ein Bericht von Jennifer Holleis

Von Jennifer Holleis

"Für mich ist Syrien ein Musterbeispiel dafür, wie der Klimawandel als Katalysator für bereits bestehende Probleme wirkt", sagt Jamal Saghir. Politische Instabilität, Armut, Ressourcenknappheit – das alles habe sich geradezu potenziert. Saghir, der einst bei der Weltbank arbeitete, forscht jetzt an der McGill-Universität in Montreal.

Den Klimawandel bezeichnet er als den größten Unsicherheitsfaktor unserer Zeit. Dass der neue US-Verteidigungsminister Lloyd Austin den Klimawandel erst kürzlich als nationales Sicherheitsproblem bezeichnet hat, kann Saghir deshalb sehr gut nachvollziehen. Diese Erkenntnis von so hoher Stelle könnte ein Gamechanger werden. Der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und militärischen Konflikten könnte endlich anerkannt werden.

Einst profitierte die syrische Landwirtschaft von relativ fruchtbaren Böden, die Produktion von Grundnahrungsmitteln war zwischen den 1970er und 1990er-Jahren staatlich subventioniert. Allerdings ist das 17-Millionen-Einwohner-Land seit den 1980er-Jahren auch von drei Dürreperioden heimgesucht worden, die letzte dauerte von 2006 bis 2010.

Streit um Wasser verschärft Konflikte

Fehlender Niederschlag in Kombination mit steigenden Temperaturen vernichtete Ackerland und ließ die Wüsten wachsen. 800.000 Syrer verloren ihre Lebensgrundlage, 85 Prozent des Weideviehs verendete. Die Erträge verminderten sich drastisch um bis zu zwei Drittel, die Preise für Lebensmittel stiegen.

Viele Regionen in Syrien haben keinen Zugang zu fließendem Wasser, und im Nordosten ist die Verteilung aufgrund von politischen Zuständigkeitskonflikten noch schwieriger. Foto: Getty Images/AFP
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und das UN-Büro für die Koordination von humanitären Angelegenheiten (OCHA) sagen, dass 2019 rund 82.500 Menschen nach Syrien zurückgekehrt seien, etwa 412.000 Binnenflüchtlinge seien wieder in ihren alten Heimatorten. Die problematischen Lebensbedingungen haben sich dadurch nicht verbessert. Im Gegenteil. Große Teile Syriens sind komplett zerstört, Wasser bleibt knapp und die Infrastruktur des Landes liegt quasi komplett danieder

Das habe zu Hoffnungslosigkeit in der Bevölkerung beigetragen, ist Jamal Saghir überzeugt. 1,5 Millionen Landarbeiter drängten auf einmal in die Städte. Auf dem Land blieben nur verarmte Bauern zurück – eine leichte Beute für die Terroristen des Islamischen Staats.

"Die klimatischen Veränderungen haben die politische Krise in Syrien verstärkt und weiter angefacht", sagt Staffan de Mistura, von 2014 bis 2018 UN-Sondergesandter für Syrien. Verschärft wurde die Krise durch Entscheidungen von Präsident Baschar al-Assad, Subventionen für Lebensmittel, Treibstoff und Wasser nach und nach auslaufen zu lassen. Die Wasserknappheit sorgte in einigen ländlichen Regionen für eine Zuspitzung der Konflikte zwischen Kurden und Arabern, Alawiten und Sunniten.

"Das war ein ziemlich toxischer Cocktail aus Job-Mangel, Landflucht, Kaufkraftverlust, Unzufriedenheit mit der Regierung und den Ideen des Arabischen Frühlings", so de Mistura. Geopolitisch wurde die ganze Situation auch dadurch kompliziert, dass Iran und Saudi-Arabien in Syrien Stellvertreterkonflikte austrugen. "Es gab in den vergangenen Jahren viele mittelalterlich anmutende Belagerungen", berichtet de Mistura. "Städte wie Homs und Aleppo waren von der Wasser- und Lebensmittelversorgung abgeschnitten."

Als de Mistura 2018 sein Amt als UN-Gesandter beendete, hatten die Kämpfe nachgelassen und die syrische Regierung kontrollierte 60 Prozent des Staatsgebiets. "Heute steht Syrien aber vor dem Kollaps", so seine Einschätzung.

Flüchtlinge kehren zurück

Amnesty International geht davon aus, dass 6,6 Millionen Menschen in Syrien Opfer von Binnenvertreibung geworden sind. Fünf Millionen Menschen sind seit 2011 außer Landes geflüchtet.

Von Bomben und Dürre verwüstete Gegend in Binnisch: "Klimatische Veränderungen haben die Krise verstärkt". Foto: Zuma/picture-alliance
Verbreitete Hoffnungslosigkeit: "Das war ein ziemlich toxischer Cocktail aus Job-Mangel, Landflucht, Kaufkraftverlust, Unzufriedenheit mit der Regierung und den Ideen des Arabischen Frühlings", so Staffan de Mistura, von 2014 bis 2018 UN-Sondergesandter für Syrien. Geopolitisch wurde die ganze Situation auch dadurch kompliziert, dass Iran und Saudi-Arabien in Syrien Stellvertreterkonflikte austrugen. "Es gab in den vergangenen Jahren viele mittelalterlich anmutende Belagerungen", berichtet de Mistura. "Städte wie Homs und Aleppo waren von der Wasser- und Lebensmittelversorgung abgeschnitten."

Allerdings: Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und das UN-Büro für die Koordination von humanitären Angelegenheiten (OCHA) sagen, dass 2019 rund 82.500 Menschen nach Syrien zurückgekehrt seien, etwa 412.000 Binnenflüchtlinge seien wieder in ihren alten Heimatorten.

Die problematischen Lebensbedingungen haben sich dadurch freilich nicht verbessert. Im Gegenteil. Große Teile Syriens sind komplett zerstört, Wasser bleibt knapp und die Infrastruktur des Landes liegt quasi komplett danieder.

Der Wiederaufbau wird teuer

"Assad mag den Kampf um Territorien gewonnen haben. Den Frieden hat er nicht zurückgewonnen", lautet de Misturas Fazit während einer Online-Konferenz der Berghof Stiftung beim Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Auch Jamal Saghir pflichtet ihm bei: "Um Frieden zu schaffen und zu erhalten, musst du das Land wieder aufbauen". Wie auch immer ein Friedensvertrag für Syrien in der Zukunft aussehen mag - er muss an ein breites Investitionspaket geknüpft sein.

Syrien allein wird das finanziell nicht stemmen können, so viel ist klar. Unklar ist, ob die Verbündeten Türkei und Russland Finanzhilfen leisten werden. "Das Land muss eine Transformation durchlaufen", sagt der Montrealer Forscher Saghir. Wichtig für die Zukunft sei vor allem die sichere Versorgung mit Energie und Wasser.

Jennifer Holleis

© Deutsche Welle 2021

Aus dem Englischen von Friedel Taube