Zankapfel am Fuß des Tempelbergs

In Israel sorgt ein in Ostjerusalem geplantes Archäologie-Museum für Streit. Der siebenstöckige Bau soll am Rand des palästinensischen Stadtteils Silwan errichtet werden, nur rund zwanzig Meter von der Südmauer der Jerusalemer Altstadt entfernt. Von Joseph Croitoru

Von Joseph Croitoru

Der Bau wird mit der unmittelbar benachbarten israelischen Grabungsstätte "Davidstadt" durch einen Tunnel verbunden sein und ihr als Besucher- und Verwaltungszentrum sowie als Entree und Parkhaus dienen. Eine einstige, heute unterirdisch verlaufende Straße aus der Zeit des Königs Herodes soll zudem die Verbindung zum Tunnelsystem unter der Klagemauer bilden.

Die Grabungsarbeiten und die Präsentation der Funde in der "Davidstadt", getragen von der rechten Siedlerkreisen nahestehenden Stiftung Elad, sind schon seit Jahren umstritten. Israelische Archäologen werfen Elad vor, ihre Grabungen würden wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen.

Auch folge die Deutung der Funde zu sehr dem biblischen Narrativ und sei politisch motiviert. Zudem gefährdeten die Ausgrabungen die Häuser palästinensischer Anwohner, die selbst kaum bauen dürften, während die Stiftung ihren Einfluss nutze, um immer mehr militante jüdische Siedler im Ort anzusiedeln.

Die Elad-Stiftung steht auch hinter dem geplanten Museum, in dem auf einer Fläche von 16.000 Quadratmetern die vor Ort gemachten Funde Teil der Ausstellung werden sollen. Auf dem zuvor als Parkplatz genutzten Areal wurden seit 2005 Rettungsgrabungen durchgeführt, die Elad finanzierte. Begründet wurden sie mit dem Bauvorhaben einer Tiefgarage.

Fehlende Beweise

Die reichen archäologischen Funde ließen den Plan aufkommen, den Ort als touristische Stätte zu erhalten. Dort waren vor allem Reste aus byzantinischer, römischer und frühislamischer Zeit zu Tage gefördert worden. Aus letzterer stammt eine Tonscherbe mit Bruchstücken einer hebräischen Inschrift, die nicht rekonstruiert werden und deshalb auch nicht die Theorie bestätigen konnte, dass hier unter der Herrschaft des Kalifen Umar ibn al-Khattab(634–644) Juden siedelten.

Auch für die Annahme, ein Schacht aus römischer Zeit könnte ein Versteck jüdischer Rebellen gewesen sein, fehlt der Beweis. Unklarer Herkunft sind Baureste aus der Eisenzeit und somit ebenfalls nicht als jüdisch klassifizierbar.Die wohl wichtigste Erkenntnis der Grabungen betrifft die römische Zeit: Die Überreste einer ungewöhnlich großen Villa mit Peristyl beweisen, dass auch dieses Areal römisch besiedelt war – das bisherige Bild von der Ausdehnung der Römerkolonie Aelia Capitolina musste revidiert werden.

Wie die Ausgrabungsstätte in das künftige, größtenteils unterirdisch angelegte Museum einbezogen werden soll, dessen beide unterste Geschosse als Ausstellungssäle gedacht sind, präzisiert der Entwurf nicht.

Dies ist nur einer der Kritikpunkte dreier israelischer und einer palästinensischen Initiative, die nun bei der Baubehörde Widerspruch gegen das Projekt eingelegt haben. Hinter der meistbeachteten steht eine Gruppe von fünfunddreißig israelischen Historikern, Soziologen, Künstlern und Schriftstellern, zu denen auch der Romancier David Grossman und der Architekturhistoriker David Kroyanker gehören.

Gefahr für das kostbare architektonische Erbe Jerusalems

Sie beanstanden, dass das Bauprojekt gegen eine ganze Reihe städtebaulicher Regeln verstoße. Durch seine Größe und seinen Standort würde der Museumsbau das Jerusalemer Stadtbild massiv verändern und "das kostbare architektonische Erbe der Stadt einen schweren und irreparablen Schaden" erleiden.

Auch könne die Platzierung direkt vor dem muslimischen Teil des Tempelbergs als Provokation verstanden werden und im schlimmsten Fall die "gesamte Region entflammen". Darüber, dass an einem politisch so brisanten Ort eine private Stiftung ungehindert ihre Interessen verfolge, müsse öffentlich diskutiert werden.

David Grossman; Foto: Getty Images
Widerstand gegen umstrittenes Bauprojekt: Zu den prominenten Gegnern, die bei der Baubehörde Widerspruch gegen das Projekt eingelet haben, zählt auch der israelische Romancier David Grossman, der 2010 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen hatte.

Ein weiteres Argument lautet, dass der geringe Abstand des geplanten Museumsbaus zur Altstadtmauer einen radikalen Bruch mit einer Jerusalemer städteplanerischen Tradition, die bis in die britische Mandatszeit zurückreicht, bedeuten würde.

Schon damals bestand man auf einem bebauungsfreien Streifen rund um die Altstadtmauer, ein Grundsatz, den die Stadtverwaltung kurz nach 1967 in ihren Baurichtlinien verankerte. Von da an galt es, bei Neubauten einen Abstand von mindestens 75 Metern zur Mauer zu wahren. Es sei nicht nur äußerst verwunderlich, so die Gegner des Museumsprojekts, sondern inakzeptabel, dass im Genehmigungsverfahren diese Richtlinie ignoriert worden sei.

Verletzung städtischer Bauvorschriften

Auch die Höhe des Bauwerks – mit einer kleinen Flachkuppel am höchsten Punkt seines Daches würde es nur knapp 13 Meter niedriger als die Stadtmauer – stelle eine Verletzung der städtischen Bauvorschriften dar, weil dadurch der Blick auf die Altstadt von mehreren Standorten in seiner Umgebung versperrt würde. Die Intellektuellen berufen sich ferner darauf, dass auch die UNESCO den Bauplan der Elad-Stiftung strikt ablehne.

Wie diese Gruppe kritisieren auch die israelische Jerusalemer NGO "Ir Amim" (Vielvölkerstadt) und der örtliche Archäologen-Verein "Emek Shaveh" (geteilte Ebene), dass die palästinensischen Bewohner von Silwan zu keinem Zeitpunkt in die Planung einbezogen worden seien.

Dabei benötigten gerade sie, denen Jerusalems Stadtverwaltung kaum Baugenehmigungen erteile, viel dringender Mittel und die Erlaubnis, längst überfällige Bildungs- und Sozialeinrichtungen zu bauen. So argumentieren auch mehr als vierzig palästinensische Anwohner, die ebenfalls Widerspruch anmelden.

Ihr Wortführer, der Rechtsanwalt Sami Irshid, sieht denn auch das Bauvorhaben im politischen Kontext der expansiven israelischen Siedlungspolitik in Ostjerusalem. Es ziele darauf, auf Kosten der in Silwan lebenden Palästinenser vollendete Tatsachen zu schaffen – in einem Gebiet, über dessen politische Zukunft doch immer noch verhandelt werde.

Laut "Ir Amim" und "Emek Shaveh" steht auch zu befürchten, dass der momentan als "Mitcham Kedem" (Altertums-Areal) projektierte Bau am Ende eine völlig andere Verwendung finden könnte: Die Regierung Netanjahu hatte sich nämlich in ihrer vorigen Legislaturperiode im Mai 2012 für die dortige Errichtung eines nationalen "Schreins der Bibel" ausgesprochen. Ein Gesetzentwurf hierzu hatte zwar die erste parlamentarische Hürde passiert, liegt seitdem aber auf Eis. Er präzisiert allerdings nicht, wo in Jerusalem diese Einrichtung entstehen soll.

Joseph Croitoru

© Qantara.de 2014

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de