
Sexuelle Gewalt gegen Geflüchtete in LibyenEuropas zynische Flüchtlingspolitik
Ein Kreislauf aus Gefangenschaft und Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt: Den belegt die jüngste Studie der internationalen Nichtregierungsorganisation Women's Refugee Commission für Flüchtlinge in Libyen. Rund 670.000 Migranten befinden sich in dem nordafrikanischen Land, schätzt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Rund 5.000 bis 6.000 Geflüchtete werden vermutlich in Lagern festgehalten.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Women's Refugee Commission haben in Italien Überlebende befragt und unter anderem mit Helfern von Rettungsschiffen gesprochen. "Auf ihrer Reise durch die Wüste werden viele Geflüchtete von Menschenhändlern und bewaffneten Gruppen entführt oder in offizielle Haftanstalten gebracht", erklärt Studienautorin Sarah Chynoweth. In diesen Lagern sei Gewalt einschließlich sexualisierter Folter üblich. "Das wird gefilmt, um Druck auf die Familien auszuüben, Geld für die Freilassung ihrer Angehörigen zu schicken. Diejenigen, die nicht bezahlen können, werden weiterverkauft oder getötet."
Die Details der Foltermethoden sind kaum zu ertragen. Die Intensität und Kreativität der sexuellen Gewalt seien auffällig, so Chynoweth. Männer und Frauen werden gezwungen, andere zu vergewaltigen, Penisse werden abgeschnitten, Frauen werden so lange misshandelt und vergewaltigt, bis sie verbluten und sterben. Jungen müssen ihre Schwestern vergewaltigen. "Wenn mir das vorher jemand erzählt hätte, hätte ich das nie geglaubt. Das glaubt man erst, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat", berichtet ein Überlebender aus Gambia.
Folter in "EU-finanzierten Lagern"
Der Befund der Studie sei zwar nicht neu, doch das Ausmaß und die Details seien es - und sie seien erschreckend. "Diese schwersten Menschenrechtsverletzungen finden durch Partner der Europäischen Union statt. Das ist das, was jetzt noch einmal verschärft formuliert wird", so Karl Kopp von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl.
Die libysche Küstenwache fange die Flüchtlinge ab und bringt sie in die Folterlager zurück. Da der Gewinn der Schlepper gesunken ist, setzen sie Folter ein, um neue Gewinne zu generieren. "Wir haben Ähnliches auf dem Sinai erlebt, wo Familien von Frauen aus Eritrea erpresst wurden." In Libyen seien es aber "unsere Lager, europäisch finanzierte Lager der anerkannten Regierungen, wo schlimmste Menschenrechtsverletzungen geschehen", so Kopp. Dies geschehe im Namen Europas und sei Teil der Abmachungen mit dem Bürgerkriegsstaat Libyen.