Protest gegen Unterdrückung

Hunderte Frauen begehen in Afghanistan jedes Jahr Selbstmord. Grund sind die familiären Verhältnisse, an denen sich auch nach dem Ende der Taliban-Herrschaft häufig nichts geändert hat. Majed Malek berichtet.

Hunderte Frauen begehen in Afghanistan jedes Jahr Selbstmord. Grund sind die unerträglichen familiären Verhältnisse, an denen sich auch nach dem Ende der Taliban-Herrschaft häufig nichts geändert hat. In den letzten Jahren ist die Zahl der Selbsttötungen sogar gestiegen. Majed Malek berichtet.

Afghanische Frau; Foto: AP
Die afghanische Regierung hat bisher nur wenig unternommen, um die Rechte der Frauen besser zu schützen

​​Dass die Anzahl der Selbsttötungen, wie Ärzte aus Kabul und Dschalalabad berichten, gestiegen ist, hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Bevölkerung durch die Rückkehr von Flüchtlingen um zwei Millionen angestiegen, zum anderen wird dem Schicksal der Frauen nun mehr Aufmerksamkeit gewidmet, so dass Selbstmorde erstmals überhaupt als solche wahrgenommen werden.

Letztlich sind es die katastrophalen familiären Verhältnisse, vor allem in ländlichen Gegenden, die die hohe Selbstmordrate von Frauen erklären. So ist die Zwangsheirat immer noch weit verbreitet. Frauen werden häufig zwischen den Familien getauscht oder als Kompensation für Verbrechen weggegeben.

Junge Mädchen werden mit Männern verheiratet, die dreimal so alt sind, wie sie selbst. Von den neuen Familien werden die Frauen häufig vor allem als Arbeitskräfte betrachtet. Viele werden geschlagen oder sind anderen Formen körperlicher und psychischer Gewalt ausgesetzt.

Situation auf dem Land unverändert

Richter Rauf Ramaki aus der westafghanischen Stadt Herat sieht die Gründe für die Selbstmorde in der Verheiratung von kleinen Mädchen, in der Zwangsheirat, und im Elend und Analphabetismus der Frauen.

Während gut ausgebildete Frauen in den Städten, die unter den Taliban Berufsverbot hatten, von dem Regimewechsel profitiert haben und nun studieren oder arbeiten, hat sich an der Situation der Frauen auf dem Land noch nichts geändert. Besonders schlecht gestellt sind Frauen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in den paschtunischen Gebieten.

Die Unabhängige Afghanische Kommission für Menschenrechte schätzt die Zahl der versuchten und tatsächlichen Selbstmorde von Frauen, die auf diese Weise der familiären Hölle entfliehen wollen, auf einige hundert im Jahr.

Dunkelziffer unbekannt

Häufig seien Selbstverbrennungen, da die Frauen wegen ihrer Tätigkeit in der Küche einfach an Benzin und andere brennbare Flüssigkeiten kämen. Andere nähmen Tabletten, schnitten sich die Pulsadern auf oder erhängten sich. Von den Familien würden die Selbstmorde nach Möglichkeit vertuscht oder als Unfall getarnt. Deswegen ist die Dunkelziffer kaum abwägbar.

Maria Bashir, Staatsanwältin und Frauenrechtlerin in Herat ist der Ansicht, dass es sich bei den Selbstmorden meistens um Frauen und Mädchen handle, die ihre Rechte kennen und aus Protest gegen die Unterdrückung durch ihre Männer oder Brüder in den Tod flüchten.

Dadurch würden sie ihren tiefen Abscheu der Gewaltanwendung und Diskriminierung in der männerdominierten afghanischen Gesellschaft zum Ausdruck bringen. Zudem bemängelt sie, dass die afghanische Regierung nur wenig unternommen habe, um die Rechte der Frauen im Lande zu schützen.

Auch Richter Rauf Ramaki geht davon aus, dass viele der Frauen mehr von ihren Rechten wissen und sich gegen ihre Männer und Brüder aufbegehren. Das führe jedoch lediglich dazu, dass sie noch mehr unter Druck gesetzt werden und sich umbringen.

Majed Malek

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

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