Ein weiterer Schritt in Richtung Gleichberechtigung

Mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in Marokko erhalten marokkanische Frauen nun das Recht, ihren Kindern die eigene Staatsangehörigkeit zu übertragen. Mohamed Massad informiert.

Frau mit Kindern; Foto: AP
Kinder aus gemischten Ehen können sich nun zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr entscheiden, welche Staatsangehörigkeit sie behalten

​​Das vor kurzem ratifizierte neue marokkanische Staatsangehörigkeitsrecht erlöst Amal Zaytun, Khalid al-Dambari und viele andere Marokkaner von Problemen, die ihnen durch die bisher geltende Fassung des Gesetzes bereitet wurden.

Die Marokkanerin Amal Zaytun ist mit einem Ausländer verheiratet und kämpft seit sieben Jahre dafür, dass ihre Kinder die marokkanische Staatsangehörigkeit erhalten. "Wir leben in Marrakesch", erklärt Amal, "mein Sohn fühlt sich als Marokkaner, aber trotzdem muss er jedes Jahr seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern."

Khalid al-Dambari hingegen hat eine marokkanische Mutter und einen algerischen Vater. Er lebt seit 40 Jahren in Marokko und ist durch und durch Marokkaner. Weil sein Vater jedoch Algerier ist, befindet al-Dambari sich in einer zwicklichen Lage: "Ich lebe als Marokkaner und als Algerier, aber ich kann nicht als Marokkaner wählen. Mein Sohn hat dasselbe Problem, denn ich bin mit einer Marokkanerin verheiratet. Aber dank der Gesetzesreform wird sich das nun ändern."

Staatangehörigkeit auch über die Mutter

Die Änderung von Paragraph 6 des marokkanischen Staatsangehörigkeitsrechts ist der Kern der jetzigen Reform. Er besagt, dass die Staatsangehörigkeit nun nicht mehr lediglich an die Abstammung (und damit an die Nationalität des Vaters) gebunden ist, sondern dass ebenso die Staatsangehörigkeit der Mutter berücksichtigt wird. Damit hat die marokkanische Frau nun auch das Recht, ihre Staatsangehörigkeit auf ihre Kinder zu übertragen.

Die Kinder einer marokkanischen Mutter sind nun von Geburt an automatisch Marokkaner, egal, ob sie im In- oder im Ausland geboren werden. Im Wortlaut des neuen Paragraphen heißt es, dass "derjenige als Marokkaner betrachtet wird, der von einem marokkanischen Vater oder einer marokkanischen Mutter abstammt."

"Das aus einer gemischten Ehe stammende Kind wird als Marokkaner betrachtet, wenn die Mutter Marokkanerin ist, und es muss sich zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr entscheiden, die Staatsangehörigkeit wessen Elternteils es behalten will. Hat jedoch die Mutter eine Entscheidung für ihr Kind getroffen, bevor dieses die Volljährigkeit erreicht, kann es mit der Volljährigkeit und bis zu seinem 21. Lebensjahr die Wiedererlangung der marokkanischen Staatsbürgerschaft einfordern."

Der marokkanische Justizminister Mohamed Bouzoubaa kommentierte das Gesetz mit den Worten: "Das Gesetz ist ein neuer Baustein auf dem Weg des Aufbaus des neuen demokratischen Marokko, das Mann und Frau auch nach einer Heirat als gleichberechtigte, voneinander unabhängige Personen behandelt. Beide behalten ihre uneingeschränkte Staatsangehörigkeit und übertragen sie gleichberechtigt auf ihre Kinder."

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass sei dem Jahr 1958, in dem das Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft trat, bis 2006 lediglich 6228 Anträgen auf Erlangung der marokkanischen Staatsbürgerschaft stattgegeben wurde, davon 131 aufgrund königlicher Anordnung, 1152 aufgrund ministerieller Anordnung und 4945 aufgrund der Entscheidungen eines Sonderausschusses.

Stärkung der Frauenrechte

Es wird erwartet, dass zunächst einige bereits vorliegende Anträge geprüft werden, nach Angaben des marokkanischen Justizministeriums sind es 477, die dem Ministerrat vorgelegt werden, dessen Vorsitz König Muhammad VI. hat. 176 Anträge werden vom Regierungsrat und weitere 529 vom Sonderausschuss bearbeitet.

Insbesondere Probleme im Zusammenhang mit der Einschulung und der Erlangung behördlicher Dokumente vieler marokkanischer Familien im In- und Ausland wird das reformierte Gesetz nun lösen. Außerdem stärkt es die Position der Organisationen, die sich für die Rechte der marokkanischen Frauen einsetzen.

Ebenso wird damit den internationalen Abkommen und Konventionen entsprochen, zu deren Einhaltung Marokko sich verpflichtet hat, insbesondere der Internationalen Erklärung der Menschenrechte, dem Internationalen Abkommen über bürgerliche und politische Rechte, dem Abkommen zur Abschaffung aller Arten der Diskriminierung von Frauen sowie der Internationalen Kinderrechtskonvention.

Darüber hinaus wird es die Errungenschaften des neuen Personenstandsgesetzes (Mudawwana), namentlich die Gleichstellung von Mann und Frau hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten, stärken.

Mohamed Massad

Aus dem Arabischen von Stefanie Gsell

© Qantara.de 2007

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