Eine bunte Mischung

Die kleine muslimische Gemeinde der brasilianischen Metropole Recife trifft sich abends im einzigen muslimischen Zentrum der Stadt zum Fastenbrechen. Die Mehrheit der Gemeinde besteht aus afrikanischen Einwanderern. Von Ekrem Güzeldere

Von Ekrem Güzeldere

Spätestens seit dem 26. Juni ist der Name Recife auch weiteren Teilen der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Damals gewann die deutsche Nationalmannschaft knapp mit 1:0 gegen die USA in der Arena Pernambuco vor den Toren der Stadt. Recife, das sich vom Wort „Riff“ ableitet, ist die fünftgrößte Stadt Brasiliens, die etwa 3,7 Millionen Einwohner hat. Dazu gehört das nördlich gelegene Olinda, seit 1982 UNESCO Weltkulturerbe.

Für brasilianische Verhältnisse ist Recife eine eher ältere Stadt. Die Gegend wurde 1537 von Portugiesen besiedelt, von 1630 bis 1654 regierten die Niederländer. In dieser Zeit, genau gesagt im Jahr 1636, wurde die erste Synagoge in Amerika gegründet, in der Altstadt, die auf zwei Inseln verteilt liegt, weshalb Recife auch das Venedig Brasiliens genannt wird.

Gar nicht weit von der Synagoge, die seit 1991 ein Museum ist, befindet sich das einzige muslimische Zentrum der Stadt. Die Rua da Glória, Straße des Ruhms, gehört noch zur weiteren Altstadt, befindet sich aber nicht auf den Inseln, sondern auf dem Festland. Das mit dem Ruhm scheint schon etwas länger her zu sein: Der Putz bröckelt von den älteren, meist einstöckigen Häusern. Über Nummer 353 hängt das Schild "Islamisches Zentrum von Recife".

Eine kleine Gemeinde

Das bescheidene Zentrum ist räumlich wie ein langer Schlauch mit einem durchgehenden Korridor. Am Eingang ist ein kleines Zimmer, in dem Imam Mabrouk Al Saway Said, der religiöse Führer der muslimischen Gemeinde, seine Frau und zwei brasilianische Muslime auf den Sonnenuntergang warten, der bereits um 18:15 Uhr beginnen wird. Es ist Winter in Brasilien und deshalb eher kühl und früh dunkel.

In der Mitte des Hauses wurde der Raum in einen Gebetsaal umgewandelt und am hinteren Ende sind die Küche und die Badezimmer. Imam Mabrouk, 75, ist Ägypter, der an der Al-Azhar Universität studiert hat. 1988 kam er nach Sao Paulo, um dort in einem islamischen Zentrum zu arbeiten. 1992 zog er nach Recife um und ist seitdem der lokale religiöse Führer. "Unsere Gemeinde besteht aus etwa 40 Familien, sowohl Brasilianer als auch Ausländer."

Das "Islamische Zentrum Recife" von außen; Foto: Ekrem Güzeldere
Die gemischte muslimische Gemeinde trifft sich jeden Abend zum gemeinsamen Fastenbrechen im Islamischen Zentrum.

Familien klingt gut, trifft aber auf viele der jungen Afrikaner nicht zu, die alleine nach Brasilien kamen und unverheiratet sind. Die afrikanischen Muslime kommen aus dem Senegal, Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten und seit Kurzem ist ein Kameruner dazu gekommen. Daneben gibt es aber auch Muslime aus Palästina, dem Libanon und dem Irak. Zwar sagt der Imam, dass die Mehrzahl mittlerweile Brasilianer sind, beim Fastenbrechen sind die Brasilianer aber eine kleine Minderheit von zwei Männern und eine Frau, gegen etwa 20 Nicht-Brasilianer.

Eine waschechte Brasilianerin ist Maria Isabel, die aus einer Kleinstadt in der Nähe Recifes stammt. "Ich komme aus einer sehr konservativ-katholischen Familie. Mit Ende 30 habe ich aber gefühlt, dass mir im Katholizismus etwas fehlt, diese direktere Bindung zu Gott. Der Übertritt war nicht leicht für mich und meine Familie, aber nach etwa drei Jahren haben sie es akzeptiert."

Maria Isabel ist streng verschleiert und trägt eine hochgeschlossene langärmlige Bluse zum langen Rock. "Das ist nicht gerade die Art, wie sich Brasilianerinnen kleiden, vor allem nicht hier im feucht-warmen Nordosten. Die Leute gewöhnen sich nur schwer daran. Manchmal fragen sie mich, ob ich krank bin oder Ohrenschmerzen habe, aber ansonsten gibt es damit keine Probleme."

Ein anderer Konvertit ist Alberto, der vor acht Jahren den Islam angenommen hat und auch seitdem fastet: "Am schwierigsten war das erste Mal", sagt er bei Datteln und Kaffee. "Da weiß man noch nicht so, was einen erwartet und wie man sich am besten verhält, aber seit dem zweiten Mal ist es kein Problem mehr." Alberto erklärt, warum in der kleinen Gemeinde die Senegalesen in der Mehrzahl sind. "Unsere senegalesischen Brüder haben in Argentinien im Handel gearbeitet. Aber auf Grund der Wirtschaftskrise der letzten Jahre dort, kam erst einer nach Recife und da es hier bessere Arbeitsmöglichkeiten gibt, sind ihm einige gefolgt."

Gegenseitige Unterstützung

Einer von ihnen ist Abu Bakr, der vor fünf Jahren nach Recife kam und in einem Import-Export Geschäft arbeitet. "Fasten in Brasilien ist zurzeit viel einfacher als im Senegal, da es weniger heiß ist und schon recht früh dunkel wird. Im Senegal ist das Fastenbrechen erst gegen 20 Uhr. Aber wenn in Brasilien Sommer ist, ist es natürlich auch nicht einfach."

Eines der älteren Mitglieder der Gemeinde ist der Algerier Monhand Benachour, der schon seit 23 Jahren in Brasilien lebt und arbeitet. Benachour ist Professor an der Staatlichen Universität Pernambucos im Fachbereich Chemie-Ingenieurwesen. "Mittlerweile wissen meine Kollegen, was Ramadan bedeutet und fragen gar nicht mehr, ob ich essen oder trinken will. Es ist überhaupt kein Problem an der Universität, die Brasilianer sind sehr respektvoll und tolerant."

Im Ramadan kommen mehr Menschen ins Zentrum, das bereits 1989 gegründet wurde, als gewöhnlich. "Die afrikanischen Arbeiter gehören nicht gerade zu den Spitzenverdienern. Oftmals ermöglicht die Zakat ihnen, hier kostenlos zu essen und zu trinken. Die Kosten übernehmen die, die mehr haben", sagt der Imam nach den ersten Bissen und Einnahme einiger Tabletten.

Das Zentrum ist bis auf Sonntag täglich geöffnet und bietet neben den Gebeten auch Arabisch- und Islamkurse an. In Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinde in Sao Paulo, der mit Abstand größten des Landes, wollen sie eine Moschee errichten, die mehr Platz bietet und komfortabler ist. Im chaotischen und zugebauten Zentrum Recifes kein leichtes Unterfangen.

Ekrem Güzeldere

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Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de