Eine schrecklich intrigante Familie  

Die Fernsehserie "Lächeln, General" des Fernsehsenders Al-Araby 2 hat diesen Ramadan den Nahen Osten in Atem gehalten. Trotz ihres fiktiven Charakters ist es schwer vorstellbar, dass es sich bei der Serie um etwas anderes als um die Geschichte der Familie Assad in Syrien handelt. Von Issam Kayssi
Die Fernsehserie "Lächeln, General" des Fernsehsenders Al-Araby 2 hat diesen Ramadan den Nahen Osten in Atem gehalten. Trotz ihres fiktiven Charakters ist es schwer vorstellbar, dass es sich bei der Serie um etwas anderes als um die Geschichte der Familie Assad in Syrien handelt. Von Issam Kayssi

Die Fernsehserie "Lächeln, General" des Fernsehsenders Al-Araby 2 hat diesen Ramadan den Nahen Osten in Atem gehalten. Trotz ihres fiktiven Charakters ist es schwer vorstellbar, dass es sich bei der Serie um etwas anderes als um die Geschichte der Familie Assad in Syrien handelt. Von Issam Kayssi

Von Issam Kayssi

Die Folgen einer neuen arabischen Fernsehserie mit dem Titel "Ibtasim Ayyha al-General“ (Deutsch: "Lächeln, General!“) des katarischen Senders Al-Araby 2 beginnen mit einer Erklärung im Vorspann: "Die Personen und die Handlung dieser Sendung sind frei erfunden, jede Ähnlichkeit mit realen Personen ist rein zufällig.“ Es fällt jedoch schwer, in der Serie etwas anderes zu sehen als die Geschichte der Familie Assad in Syrien. 



Offiziell dreht sich die im Jahr 2005 beginnende Handlung von "Lächeln, General!“ um eine Herrscherfamilie in der fiktiven arabischen Republik Dawlat al-Furat. Der Name ist ein Wortspiel, al-Furat ist auf Arabisch die Bezeichnung für den Fluss Euphrat. Gleichzeitig trägt im Film auch der autoritäre Regierungschef des Landes diesen Namen. So kann man den Namen der Republik sowohl als "Euphrat-Staat“, als auch als "Furats Staat“ lesen. Furat hat seine Position von seinem verstorbenen Vater geerbt. Die Hauptfigur wird von Maxim Khalil gespielt, einem bekannten syrischen Schauspieler aus Homs, der in 2015 von den Geheimdiensten des Assad-Regimes gesucht wurde. 

Furats temperamentvoller Bruder Asi (ein weiteres Wortspiel auf den Fluss Orontes, der durch Syrien fließt und auf Arabisch Nahr al-ʿĀṣī heißt) wird vom syrisch-finnischen Schauspieler Ghatfan Ghanoom gespielt, der ebenfalls aus Homs stammt. Asi ist Generalmajor der Armee und gehört zum inneren Kreis, der die Republik Dawlat al-Furat lenkt. Dieser innere Kreis, zu dem auch der Geheimdienstchef gehört, ist genauso mit Verbrechen und Grausamkeiten beschäftigt wie mit dem Regieren des Landes.

Weitere Hauptfiguren sind die Frau des Präsidenten, seine Schwester, seine Mutter und sein ihm in kapitalistischer Vetternwirtschaft verbundener Cousin. Zuschauer, denen Syrien vertraut ist, erkennen in diesen Figuren sofort Baschar al-Assads Bruder Mahir, seine Ehefrau Asma, Schwester Buschra, Mutter Anisa und Cousin Rami Machlouf

Screenshot des Films "Lächeln, General!"; Quelle: Youtube
Totalitäre Kultur der absoluten Loyalität: Die Serie "Lächeln, General“ trägt deutliche Züge der Herrschaft der Assads in Syrien. Im Film ist der Name des Präsidenten gleichzeitig der Name seines Landes, sodass es gleichbedeutend mit Landesverrat ist, gegen ihn zu opponieren. Auch wenn "alle Personen und die Handlung dieser Sendung frei erfunden sind“, werden viele Zuschauer in "Lächeln, General!“ die Realität eines Regimes erkennen, das Syrien in die katastrophale Lage gebracht hat, in der es sich heute befindet. 

Eine Ramadan-Serie ohne Zensur

Die erste Folge dieser dreisten Serie wurde am ersten Tag des islamischen Mondmonats Ramadan auf Al-Araby 2 (und dem türkischen Schwestersender Syria TV) ausgestrahlt. Seitdem wird jeden Abend um 22:00 Uhr syrischer Zeit eine neue Folge gesendet. Hochgeladen wird sie gleichzeitig auf den YouTube-Kanal von Al-Araby 2, wo sie kostenlos gestreamt werden kann. 

Al-Araby TV wurde 2015 in London unter der Leitung von Azmi Bishara, einem arabisch-palästinensischen ehemaligen Knesset-Abgeordneten, gegründet, der inzwischen nach Katar gezogen ist und dem Emir Scheich Tamim bin Hamad Al Thani nahesteht. Im Jahr 2022 verlegte Al-Araby TV seinen Sitz in die katarische Hauptstadt Doha, wo auch der Sender Al-Araby 2 an den Start ging. 

Seit den 1990er Jahren strahlen die Fernsehsender in der arabischen Welt üblicherweise während des Ramadan abends besondere Serien aus. Muslime wie Nicht-Muslime warten jedes Jahr gespannt, welche Filmserien während des Fastenmonats neu herauskommen werden. Die Produktionsfirma Metafora bewarb "Lächeln, General!“ damit, dass diese neue, in der Türkei gedrehte Serie, keinerlei Zensur unterliege. Auch wenn westliche Serien bereits arabische Autokraten und Herrscherfamilien zur Vorlage genommen haben, lässt sich kaum eine vergleichbare arabische Serie finden. 

Mit zwei Millionen YouTube-Aufrufen allein für die erste Episode und mindestens 1,3 Millionen für die zwölf bisher ausgestrahlten Episoden ist die Serie ein großer Erfolg. Syrer auf der ganzen Welt schalten ein, um "diese Sendung“ zu sehen: So wird "Lächeln, General!“ von einigen syrischen Kommentatoren in den sozialen Medien tituliert, vermutlich, damit die syrische Regierung ihre Posts dazu nicht bemerkt. Das erinnert an die Zeit, als die Syrer begannen, dem US-Dollar andere Bezeichnungen zu geben, zum Beispiel "ein Kilogramm Zucchini“, nachdem die Regierung das Erwähnen der Währung verboten hatte, weil es schädlich für die Stabilität des syrischen Pfunds sei. 

Machiavelli läßt grüßen

Neben der einleitenden Erklärung über den fiktiven Charakter der Serie beginnt jede Folge von "Lächeln, General!“ mit einem Zitat aus "Der Fürst“ von Niccolò Machiavelli. Tatsächlich lässt sich schon der Serienanfang am besten als machiavellistisch beschreiben. Waddah Fadlallah, ein an Krebs im Endstadium leidender General a. D. der Armee von Furat lädt Regierungsvertreter zu einer Party ein, auf der er skandalöse Informationen über jeden seiner Gäste und andere bekannte Persönlichkeiten des Staates Furat, einschließlich der Schwester des Präsidenten, verbreitet.



Fadlallah, der später untertaucht, lässt diese Informationen an die Presse von Furat durchsickern und droht, noch mehr skandalöse Informationen preiszugeben, wenn der Präsident nicht auf seine Forderungen eingehe. Die Serie handelt hauptsächlich davon, wie der Präsident und sein engster Kreis mit diesem Szenario umgehen. 

Auch der Libanon spielt indirekt eine Rolle in der Geschichte. In typischer Stasi-Manier unterbindet der Geheimdienst von Furat gänzlich die Kommunikation im Land und verhindert auf diese Weise, dass die Medien irgendetwas über den Fadlallah-Skandal veröffentlichen. Eine Aufzeichnung von Fadlallahs Äußerungen erreicht jedoch einen Fernsehsender in einem ungenannten arabischen Nachbarland westlich von Furat, dessen Bürger einen libanesisch klingenden Akzent haben und mehr Freiheiten genießen als die Bevölkerung in Furat.



Dieses Land ist zudem von Streitkräften Furats besetzt. Als Zeichen des Widerstands strahlt der Fernsehsender die Äußerungen Fadlallahs aus, woraufhin  Truppen Furats die Einrichtung stürmen. Später wird der Besitzer des Senders in einer Vergeltungsaktion von einer Autobombe getötet. 

Die in diesem fiktiven arabischen Nachbarland geschilderten Ereignisse ähneln sehr den Geschehnissen im Libanon in den frühen 2000er Jahren, als dort noch syrische Streitkräfte stationiert waren. Der Fernsehsender Murr TV wurde im Jahr 2002 abgeschaltet, nachdem der Sender die pro-syrische libanesische Regierung kritisiert hatte. Im Jahr 2005 tötete eine LKW-Bombe den ehemaligen libanesischen Ministerpräsident Rafiq al-Hariri, der zu diesem Zeitpunkt begonnen hatte, sich gegen Syrien zu stellen. Auch andere Oppositionelle, darunter prominente Journalisten und Zeitungsverleger, fielen danach Autobomben zum Opfer. 

 



 

Wird es eine zweite Staffel geben?

Seit den Ereignissen in Syrien und Libanon, die "Lächeln, General!“ aufgreift, sind mehr als fünfzehn Jahre vergangen. Die syrische Armee hat sich in der Zwischenzeit aus dem Libanon zurückgezogen. 2011 begann ein syrischer Volksaufstand gegen das Assad-Regime, bei dem mehr als 300.000 Menschen ums Leben kamen und Millionen zu Flüchtlingen wurden, die nun über die ganze Welt verstreut leben. Seit über einem Jahrzehnt ist Syrien deshalb regional und international isoliert, doch viele Länder des Nahen Ostens stehen kurz davor, wieder Kontakt mit dem Land aufzunehmen.

Katar gehört bisher nicht zu diesen Ländern, im Gegensatz zur Türkei, das schon bald die Beziehungen zu Assad wiederherstellen könnte. Im Rahmen der Bemühungen des Kremls, eine Wiederannäherung zu vermitteln, haben vor Kurzem hochrangige Diplomaten aus Russland, der Türkei, Syrien und dem Iran Gespräche in Moskau geführt. Falls die Türkei und Katar ihre Beziehungen zu Damaskus normalisieren sollten, darf man gespannt sein, ob davon die Finanzierung oder Ausstrahlung einer zweiten Staffel von "Lächeln, General!“ beeinflusst wird. 

Auch wenn die Zukunft der Serie "Lächeln, General!“ auch von den Entwicklungen im Nahen Osten abhängig ist, verdient die Serie Beachtung, denn sie beleuchtet viele Themen im Zusammenhang mit dem internen Kräftespiel der syrischen Regierung – einer Dynamik, die katastrophale Folgen für die syrische Gesellschaft hat. Die Sendung zeigt die Machtkämpfe zwischen hochrangigen Personen im fiktiven Staat Furat und wie das Regime Geheimdienste im Inneren auf ihre politischen Gegner und sogar sich gegenseitig ansetzt. Auswirkungen auf die Bürger sind dabei oft ein Kollateralschäden. 

Die Sendung beleuchtet die totalitäre Kultur der absoluten Loyalität zu einem Präsidenten, dessen Name auch der seines Landes ist, sodass es gleichbedeutend mit Landesverrat ist, gegen ihn zu opponieren. Auch wenn "alle Personen und die Handlung dieser Sendung frei erfunden sind“, werden viele Zuschauer in "Lächeln, General!“ die Realität eines Regimes sehen, das Syrien in die katastrophale Lage gebracht hat, in der es sich heute befindet. 

Issam Kayssi 

© Carnegie Middle East Center 2023

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.