Ein Sender für den Frieden

Die Südsudanesen stimmen über ihre Unabhängigkeit vom Norden ab. Doch die Euphorie vor dem Referendum verdeckt viele soziale Konflikte. Ein katholischer Radiosender versucht indes Frieden zu stiften. Aus Südsudan informiert Thomas Kruchem.

​​ "Alles wird besser nach dem Referendum. Denn dann sind wir unabhängig", tönt es von Lautsprecherwagen in Juba, der Hauptstadt des Südsudan. Im Schatten der Euphorie jedoch wächst Unzufriedenheit. Seit nunmehr sechs Jahren verwaltet die Volksbefreiungsbewegung SPLM den Südsudan; der Alltag der bitterarmen Bevölkerung jedoch hat sich kaum verbessert.

An den maroden staatlichen Krankenhäusern und Schulen kommt es immer wieder zu Streiks; viele Menschen äußern sich verbittert über eine neue politische Elite, die in "Hummer"-Geländewagen durch Juba fährt und sich am Stadtrand Luxusvillen baut. Soziale Konflikte wachsen im noch nicht einmal bestehenden Staate Südsudan: Konflikte zwischen Arm und Reich, zwischen Ethnien, zwischen Pastoralisten und Ackerbauern.

Stimme der Stimmlosen

In solchen Konflikten zu vermitteln, ihre Ursachen zu bekämpfen und so zum sozialen Frieden beizutragen, zählt zu den zentralen Anliegen der ersten katholischen Radiostation im Südsudan: "Radio Bakhita", benannt nach der ersten Heiligen des Sudan, auf Sendung seit 2006.

"Wir geben den Stimmlosen eine Stimme", sagt die Chefredakteurin, Schwester Cecilia Sierra Salcido. "Wir lassen sie ihre Gefühle, Ängste und Träume ausdrücken. Deshalb nennen die Leute 'Radio Bakhita' ihr Parlament."

In den Diskussionssendungen des Senders, erklärt Schwester Cecilia, werde über alle gesellschaftlich wichtigen Themen diskutiert. "Zu uns kommen jeden Tag Minister und Mitglieder verschiedenster Kommissionen, Parteifunktionäre und christliche Aktivisten. Wer 'Radio Bakhita' einschaltet, hört Südsudanesen aller Schichten, die ihre Mitbürger zum Nachdenken und zur Diskussion anregen."

"Schuldgefühle zerfressen die Psyche"

"Radio Bakhita" sieht es als besonders wichtige Aufgabe, den Menschen bei der Bewältigung zahlloser Traumata aus Jahrzehnten des Bürgerkriegs zu helfen. Viele Menschen schämen sich bis heute für seinerzeit erlittene Vergewaltigungen oder panische Flucht, berichtet die Chefredakteurin: "Schuldgefühle zerfressen die Psyche dieser Menschen - was wir in unserem Programm 'Erzähl uns deine Geschichte' thematisieren."

​​ In dieser Live-Sendung brechen aus manchen Studiogästen schmerzlichste Erinnerungen heraus - sehr häufig die, dass sie, als geschossen wurde, um ihr Leben gerannt sind und erst als sie in Sicherheit waren, merkten, dass sie ihre Mutter oder ihren Bruder zurückgelassen hatten. "Nur sehr allmählich begreifen diese Menschen, dass in Momenten der Angst und Verzweiflung wir alle nur rennen und erst später daran denken, wie wir hätten anders handeln können."

Ähnlich wichtig wie das Heilen von Erinnerungen ist für "Radio Bakhita" der Kampf für die Ärmsten, gemäß der Bibelstelle: "Ich kam, frohe Botschaft zu bringen den Armen und Freiheit den Gefangenen."

Folgerichtig ermuntert die Station arme Südsudanesen, in staatlichen Krankenhäusern ihr Recht auf kostenlose Tuberkulosediagnose wie -behandlung einzufordern. Und in kleinen Theaterstücken erfährt der Hörer auch, was die Ursachen der Malaria sind oder wie er seine Familie vor Cholera schützt.

Stimme des Ausgleichs

In Dinka, Arabisch, Englisch und weiteren Sprachen ruft der Sender zum Gebet - für ein friedliches Referendum, für eine friedliche Lösung sozialer Konflikte, für ein freundschaftliches Miteinander mit den Muslimen des Südsudan, das dem aktuellen Leiter der "Kommission für Gerechtigkeit und Frieden", Angelo Lokoyome, besonders am Herzen liegt.

​​ Ja, es komme da und dort zu Konflikten zwischen den Konfessionen, sagt Lokoyome. Zugleich aber gebe es überall im Südsudan Familien, in denen einige Angehörige Christen sind und andere Muslime:

"Wenn, zum Beispiel, der Muslim fastet, bereitet ihm ganz selbstverständlich seine christliche Schwester pünktlich zum Sonnenuntergang sein Abendessen. Christliche und muslimische Feste werden gemeinsam begangen; und häufig fährt auch sonntags ein Muslim seinen christlichen Bruder oder seine Schwester zur Kirche."

Drohungen und Gewalt

"Radio Bakhita" ist - bei Christen wie Muslimen im Südsudan - die mit Abstand beliebteste Radiostation, eine Station, die auch Konflikte mit den Mächtigen nicht scheut. Offen kritisieren katholische Priester im Radio das Wuchern von Prostitution und Bandenkriminalität in Juba; sie fragen, warum trotz guter Öleinnahmen der Regierung die Straßen der Stadt noch so schlecht sind; sie prangern staatliche Willkür und Korruption an. Der Preis für solches Engagement ist hoch. "Radio Bakhita" hat sich Teile der neuen politischen Elite zum Feind gemacht.

"Einmal drangen 20 Polizisten hier ein und schlugen eine meiner jungen Mitarbeiterinnen ", erzählt Schwester Cecilia. "Sie warfen die Frau in den Schlamm der Studiobaustelle und prügelten auf sie ein. Wir alle waren starr vor Schrecken."

Einige Wochen später kam, begleitet von bewaffneten Polizisten, ein Offizier ins Studio und forderte die Chefredakteurin auf, mit ihm zu gehen. Mit dem Polizeiwagen, erinnert sie sich, brachte er sie in ein Büro und ließ sie dort stundenlang warten, bis sie schließlich ein anderer Offizier hierher zurückbrachte. "Ich hoffe, du hast verstanden", sagte er. "Kein Gerede mehr über Politik." Dann packte er mich bei den Kleidern und schrie: "Du hast wohl doch noch nicht verstanden. Wir kommen wieder und machen hier alles dicht."

Thomas Kruchem

© Deutsche Welle 2011

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de

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