Kritik am radikalen Islam

Der algerische Publizist Mohammed Sifaoui gilt als Kenner radikal-islamischer Netzwerke und Ideologien. Nach der Ausstrahlung seiner Fernsehreportage "Undercover bei Al Qaida" geriet er jedoch selbst ins Fadenkreuz der Fundamentalisten. Von Margit Hillmann

Der algerische Publizist Mohammed Sifaoui gilt als Kenner radikal-islamischer Netzwerke und Ideologien. Nach der Ausstrahlung seiner Fernsehreportage "Undercover bei Al Qaida" geriet er jedoch selbst ins Fadenkreuz der Fundamentalisten und musste zeitweise untertauchen. Margit Hillmann hat den Journalisten in Paris getroffen.

​​In dem kleinen Büro einer Pariser TV-Produktionsfirma im 17. Pariser Arrondissement (Verwaltungseinheit) sitzt Mohamed Sifaoui bequem zurückgelehnt in einem schwarzen Ledersofa und telefoniert. Der 43jährige Journalist, der in Frankreich als Kenner der Islamistenszene einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, war schwer ausfindig zu machen.

Auf seiner Homepage gibt es keinen direkten Emailkontakt, seine Telefonnummer bekommt man – wenn überhaupt – nur über Dritte, und seine Adresse wird streng geheim gehalten.

Im Visier der Fundamentalisten

Eine Frage der Sicherheit, denn radikale Muslime drohen Mohamed Sifaoui mit dem Tod. Morddrohungen, die das französische Innenministerium ernst nimmt: Er wird permanent von Polizeibeamten in Zivil begleitet. Sifaoui ist sich der Gefahr bewusst:

"Die Drohungen, Einschüchterungsversuche und Angriffe der Islamisten richten sich gegen mich als demokratischen und laizistischen Muslim. Es gibt heute in Frankreich fundamentalistische Muslime, die nicht zulassen wollen, dass ihre Dogmen und islamistische Ideologie von anderen Muslimen kritisiert werden."

Mohamed Sifaoui sagt, er lasse sich von den Islamisten trotzdem nicht einschüchtern. Als Journalist fühle er sich verpflichtet, die Öffentlichkeit über die extremistische Bewegung zu informieren. Ihre Wortführer, meint der couragierte Algerier, würden unter dem Deckmantel der Religion "faschistische" Ideen verbreiten.

Er sehe es daher als seine Aufgabe an, diese versteckten Ideen aufzudecken. "Ein Islamist gibt sich nicht offen zu erkennen. Seine Reden müssen dechiffriert und die sich dahinter verbergende Ideologie muss sichtbar gemacht werden", erklärt Sifaoui.

"Die westlichen Gesellschaften wollten das wahre Gesicht des Islamismus lange nicht sehen. Man hat hier den Islamismus mit dem Islam verwechselt und geglaubt, diese Leute repräsentierten die Muslime und den Islam."

Das wahre Gesicht der Islamisten

Das 'wahre Gesicht' der Islamisten kennt Mohamed Sifaoui besser, als ihm lieb ist. Als Journalist in Algerien erlebte er in den 90er Jahren Aufstieg und Terror der algerischen Islamisten. Bei einem Bombenattentat der Islamisten auf seine Redaktion entkam er knapp dem Tod. Kurz darauf floh er nach Frankreich.

Doch seine journalistische Arbeit sei nicht etwa eine späte persönliche Rache oder Revanche, betont Mohamed Sifaoui immer wieder. Damit reagiert er auf vereinzelte Vorwürfe französischer Kollegen, die ihn als "selbsternannten Islamistenjäger" mit paranoiden Zügen bezeichnet hatten. Sifaoui schüre die Angst vor dem Islam, so ihre Kritik. Der Journalist reagiert darauf empfindlich.

Sifaoui beklagt dagegen die politische Korrektheit, die eine Auseinandersetzung mit dem europäischen Islamismus verhindere – eine falsch verstandene Toleranz, die von Islamisten schamlos ausgenutzt werde, so Sifaoui.

Der Fall des Satiremagazins Charlie Hebdo

Zum Beispiel im Streit um die Mohammed-Karikaturen. In Frankreich endete die Affäre vor Gericht. Muslimische Organisationen hatten das französische Satireblatt Charlie Hebdo wegen "öffentlicher Beleidigung einer Personengruppe aufgrund ihrer Religion" verklagt, weil die Zeitung die dänischen Zeichnungen veröffentlicht und eigene Karikaturen hinzugefügt hatte.

Karrikaturenstreit Charlie Hebdo vor einem französischen Gericht; Foto: AP
Unter Anklage: Wegen des Nachdrucks der Mohammad- Karrikaturen mussten sich die Verantwortlichen des Satiremagazins "Charlie Hebdo" vor Gericht verantworten.

​​Der Chefredakteur des Satireblatts wurde zwar vom Gericht freigesprochen, aber für Mohammed Sifaoui war es der offene Versuch muslimischer Fundamentalisten, die französische Pressefreiheit einzuschränken.

"Wenn sie könnten", ist sich Sifaoui sicher, "würden sie jede Kritik am Islam verbieten und bestrafen lassen. Diese Leute verteidigen extremistische Positionen, die mit einer modernen Demokratie nicht zu vereinbaren sind: wie zum Beispiel Frauenrechte oder die Rechte von Homosexuellen. Rechtsextreme werden im Westen zu Recht bekämpft, warum verhält man sich extremistischen Muslimen gegenüber so nachsichtig?!"

So fühlt sich Sifaoui als mündiger Bürger, Journalist und Muslim verpflichtet, einen politisch instrumentalisierten Islam zu bekämpfen, der die universellen Menschenrechte systematisch aushöhlt und die Integration der Muslime in Frankreich behindert.

Margit Hillmann

© DEUTSCHE WELLE 2008

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