Vorbild für Afrikas Frauen

Sie ist Bürgermeisterin in einem Distrikt der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott - und das schon seit 14 Jahren: Fatimetou Mint Abdel Malick. Sie zeigt, dass es Frauen auch in konservativ-muslimischen Gesellschaften an die Spitze schaffen können. Elisa Rheinheimer stellt die couragierte Mauretanierin vor.

Von Elisa Rheinheimer

Fatimetou Mint Abdel Malick hat eine warme, mütterliche Art und einen festen Händedruck. Hinter den Brillengläsern funkeln wache Augen. Die kleine Frau sieht in ihrem traditionellen, wallenden Gewand und dem blauen Kopftuch mit den rosafarbenen Blumen nicht aus wie eine Politikerin, die eine 60.000 Einwohner zählende Gemeinde regiert - zumindest nicht für westliche Beobachter.

Sie ist Bürgermeisterin in einem Distrikt der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott - und das schon seit 14 Jahren. Damit ist sie Vorreiterin nicht nur in ihrem Land, sondern Vorbild für viele afrikanische Frauen. "Eigentlich wollte ich nie in die Politik", sagt sie und lacht, "aber ich habe eine sehr soziale Ader und es war eine Art Berufung. Ich wollte die Dinge in meiner Stadt zum Besseren verändern."

Ursprünglich hat sie Informatik in Belgien studiert, der Auslandsaufenthalt öffnete ihr die Augen für die Möglichkeiten von Frauen. Jahre später dann ließ sie sich als Kandidatin in ihrer Heimatstadt Nouakchott bei der Bürgermeisterwahl aufstellen - und gewann 2001 im ersten Anlauf. In ihrer ersten Amtszeit war sie noch die einzige Frau unter den Bürgermeistern im Land. "216 Männer - und ich", erzählt sie. In ihrer Stimme klingt Stolz mit.

Anderen Frauen die Tür in die Politik öffnen

In Tevragh-Zeina, dem Stadtteil der Hauptstadt Nouakchott, für den sie verantwortlich ist, kennt sie jeder. Dort hat die 57-Jährige schon viel erreicht: Sie hat die Schulbildung verbessert - insbesondere für Mädchen -, hat die Stadtverwaltung reformiert, die Müllentsorgung neu organisiert und in die Infrastruktur investiert: Fatimetou Mint Abdel Malick wollte Parkanlagen bauen, Spielplätze und Fußballplätze - und sie hat es geschafft.

Es scheint so einfach, wenn sie heute darüber spricht. Doch ganz so einfach war es nicht: "Die Verantwortung und die Erwartungen, die die Menschen an mich hatten, haben mich zu Beginn schon belastet", erzählt sie. "Schließlich musste ich erfolgreich sein, um anderen Frauen die Tür zu öffnen und ihnen den Weg in die Politik zu ermöglichen."

Blick auf eine Moschee in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott; Foto: PD
Partizipation und politische Beteiligung im islamischen Kulturraum erwünscht: Fatimetou Mint Abdel Malick glaubt, dass sich Entwicklung und Religion nicht ausschließen, sondern zusammen gehören. In der religiösen Tradition Mauretaniens fordere der Islam von Frauen geradezu, dass sie sich in der Gesellschaft engagieren.

Das ist ihr ein Stück weit auch schon geglückt. Inzwischen gibt es in Mauretanien drei weitere Frauen, die Bürgermeisterinnen sind. Sie selbst hat sich in der von Männern dominierten politischen Landschaft ihrer Heimat nie unwohl gefühlt. "Frauen haben einen sehr guten Status in unserer Gesellschaft", erklärt sie, "das hat es mir leichter gemacht".

Entwicklung und Religion gehören zusammen

Und die Religion? Welche Rolle spielt der Glaube in ihrem Leben? Fatimetou Mint Abdel Malick sieht etwas ratlos aus, erstaunt neigt sie den Kopf zur Seite, als ob sie die Frage für überflüssig halte. "Eine sehr wichtige", sagt sie schließlich, "ich bin Muslima."

Entwicklung und Religion, das schließe sich nicht aus, sondern gehöre zusammen, betont sie. Davon, dass der Islam Frauen unterdrücke und ihnen eine eigene Karriere schwer mache, will die mauretanische Politikerin nichts wissen. In der religiösen Tradition ihres Landes fordere der Islam von Frauen geradezu, dass sie sich in der Gesellschaft engagieren.

Die Mutter von drei erwachsenen Kindern ist nicht nur Lokalpolitikerin, sondern auch Präsidentin des Afrikanischen Netzwerks lokal gewählter Frauen. Sie wird zu Konferenzen und Podiumsdiskussionen in der ganzen Welt eingeladen, fliegt von einem Kontinent zum nächsten. "In der Luft zu sein, ist für mich ganz normal", sagt sie. Da sind 24 Stunden manchmal zu kurz, um all das zu schaffen, was sie sich vorgenommen hat.

Sensibilisierung für Umweltthemen in Mauretanien

Karte der Sahel-Zone; Quelle: DW
Drohende Dürren und Hungernöte: Schlechte Ernten sind dafür verantwortlich, dass bei jedem fünften Einwohner des nordwestafrikanischen Landes die Versorgung mit Lebensmitteln gefährdet ist. Doch das Problem ist nicht nur auf Mauretanien beschränkt. Nach Angaben der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) sind in den Ländern der Sahelzone bis zu 20 Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Darunter befinden sich neben Mauretanien auch Burkina Faso, Kamerun, Tschad, Gambia, Mali, Niger, Nigeria und Senegal.

Denn in ihrer Heimat fühlt sich die gläubige Muslima auch für Umweltschutz und Katastrophenmanagement verantwortlich. Mauretanien hat mit Wasserknappheit, Sandstürmen und der fortschreitenden Ausbreitung der Wüste zu kämpfen.

So organisiert die resolute Politikerin Workshops in Schulen, um Kinder und Jugendliche für Umweltthemen zu sensibilisieren. Sie startete Aktionen zum Schutz von Dünen, pflanzt mit Frauengruppen Dattelpalmen in der Stadt und ruft die Bevölkerung zu Säuberungsaktionen an die Strände.

Ihre ruhige, gelassene Art gehört wohl zu den Erfolgsrezepten von Fatimetou Mint Abdel Malick: Bereits zum dritten Mal wurde sie wiedergewählt, und hat noch Vorhaben und Pläne für die nächsten 20 Jahre im Kopf. Mauretanien steht beim Globalen Entwicklungsindex auf Platz 158 und damit weit unten auf der Skala.

Die rührige Bürgermeisterin hat noch viel Arbeit vor sich. Bei Facebook hat sie derzeit mehr als 3.000 Fans, im echten Leben dürften es noch einige mehr sein.

Elisa Rheinheimer

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