Kein Widerspruch zwischen Islam und Demokratie

Die erfolgreiche islamische Partei PKS stellt sich als gemäßigte Alternative zum radikalen Islamismus dar. Elizabeth Fuller Collins und Ihsan Ali Fauzi berichten über ein neues Parteienphänomen und das Programm der PKS in Indonesien.

Die erfolgreiche islamische Partei PKS stellt sich als gemäßigte Alternative zum radikalen Islamismus dar. Elizabeth Fuller Collins und Ihsan Ali Fauzi berichten über ein neues Parteienphänomen und die politischen Ziele der PKS in Indonesien.

photo: AP
Amien Rais war offizieller Kandidat der PKS bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen in Indonesien

​​Mit ihrer Anti-Korruptions-Kampagne hat sich die "Partai Keadilan Sejahtera" (Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit), PKS, bei den letzten Parlamentswahlen als politische Kraft erwiesen, der man Rechnung tragen muss.

Bei den Wahlen vom April 2004 übertraf sie die meisten Erwartungen, als sie ihren Stimmenanteil, der 1999 noch bei 1,4 Prozent lag – damals hieß sie noch "Partai Keadilan" (Partei für Gerechtigkeit) auf nunmehr 7,34 Prozent steigern konnte.

In der Hauptstadt Jakarta hat die PKS um 25 Prozent zugelegt – mehr als jede andere Partei, und damit die Demokratische Partei von Susilo Bambang Yudhoyono um 22 Prozent überholt. Diese zwei neuen politischen Parteien dominierten die Wahl wohl vor allem deshalb, weil viele Wähler in der Hauptstadt neue Gesichter und eine neue Politik wollten.

"Der Islam ist die Lösung"

Die Partei für Gerechtigkeit, der Vorgänger der PKS, war im Juli 1998 von Aktivisten einer islamistischen "Dakwah"-Bewegung gegründet worden. Dakwah, was "Mission" bedeutet, bezieht sich auf die Pflicht aller Muslime, andere zum Glauben zu bekehren.

Die "Dakwah"-Bewegung, die in den 80er Jahren an den Universitäten entstand, geht zurück auf die ägyptische Muslimbruderschaft ("Ikhwan al-Muslimin"). Der kraftvolle Slogan der Bewegung ("Der Islam ist die Lösung") suggerierte, die diversen Probleme Indonesiens könnten nur von einer Gesellschaft gelöst werden, die sich den islamischen Moralprinzipien verpflichtet weiß und von einer islamischen Regierung geführt wird.

Innerhalb der islamistischen "Dakwah"-Bewegung gibt es allerdings Differenzen im Hinblick auf die beste Strategie, die zu einer islamischen Regierung führen soll. Mitglieder der "Hizbut Tahrir" (Partei der islamischen Befreiung) argumentieren, der Islam stelle deshalb in der Weltpolitik keine entscheidende Größe dar, weil die Gemeinschaft der Muslime durch ein System von Nationalstaaten nach westlichem Vorbild zerschlagen worden sei.

Muslime müssten deshalb westliche Regierungsformen ablehnen, so auch die Demokratie, und stattdessen den Kalifatsstaat als Regierung aller Muslime etablieren. Wie "Hizbut Tahrir", so lehnen auch neo-salafitische Gruppierungen die Demokratie als unislamisch ab, glauben aber, dass Gewalt im Kampf gegen die Versuche der USA und Israels, den Islam zu zerstören, unvermeidbar ist.

Kein Widerspruch zwischen Islam und Demokratie

Im Gegensatz zu dieser Sichtweise argumentieren die Gründer der PKS, dass eine islamische Regierung durchaus auf demokratische Weise zustande kommen kann. Es gebe nicht notwendigerweise einen Widerspruch zwischen Islam und Demokratie.

Am einen Ende der Skala stehen neo-salafitische Gruppen, die Gewalt befürworten. Daneben ist die "Hizbut Tahrir" anzusiedeln, aus deren Sicht die Demokratie zwar unislamisch ist, aber nicht mit Gewalt bekämpft werden soll. Näher am Zentrum finden sich die "Partai Bintang Bulan" (Partei des Halbmondes) und ihre Anhänger.

Sie unterstützen die so genannte "Jakarta Charta", eine Präambel der reformierten Verfassung, die im Entwurf von 1945 enthalten war und die Scharia landesweit verankern sollte.

Auf der anderen Seite des Spektrums sind die fortschrittliche "Muhammadiyah"-Bewegung und die traditionalistische Organisation "Nahdlatul Ulama" (Renaissance der Rechtsgelehrten) anzusiedeln – die beiden mit Abstand größten islamischen Organisationen Indonesiens.

Beide distanzieren sich von dem Slogan "Der Islam ist die Lösung" und arbeiten mit demokratischen Mitteln auf eine bessere Gesellschaft hin.

1999 schloss sich die PKS mit der "Partai Amanat Nasional" (Nationale Mandatspartei) zusammen, um im nationalen Parlament eine Reformasi-Fraktion zu bilden.

Da die "Partai Amanat Nasional" eigentlich eher eine nationalistische als eine islamische Partei ist, enttäuschte diese Entscheidung viele Islamisten, die darin vor allem den politischen Pragmatismus der PKS erkannten. Zusammen mit der "Partai Amanat Nasional" stimmte die PKS im Jahr 2000 gegen die "Jakarta Charta".

Hidayat Nur Wahid erklärte, die PKS fühle sich eher der "Charta von Madinah" verpflichtet, die der Prophet Mohammed 500 Jahre vor der Magna Charta unterschrieben hat und in der Konzepte aus dem Koran in den Vordergrund treten: Gleichheit, Gerechtigkeit, verbindliche Gesetze und soziale Verantwortung. Als 2002 erneut über die "Jakarta Charta" abgestimmt wurde, enthielt sich die PKS jedoch der Stimme.

"Demokratie ist etwas für Verlierer"

Im Vorfeld der letzten Präsidentschaftswahlen entschied sich die Partei, ihren Vorsitzenden Hidayat Nur Wahid nicht als Kandidaten aufzustellen. Stattdessen wurde die Partei nun von General Wiranto umworben, der 1998 Allianzen mit islamistischen Gruppen gebildet hatte, die sich der Demokratiebewegung entgegenstellten.

Innerhalb der Partei entstand ein Bruch zwischen einer von Hidayat angeführten Fraktion, die sich dafür aussprach, das Bündnis der Partei mit Amien Rais nicht zu gefährden, und einer vom Generalsekretär der PKS, Anis Matta, repräsentierten Fraktion, die Wiranto vorzog.

Die "Hardliner"-Fraktion argumentierte, Wirantos Frau und Tochter trügen die traditionelle islamische Kopfbedeckung (jilbab), und sein Schwiegersohn sei Mitglied der PKS. Wiranto habe mit der Unterstützung der PKS eine reale Chance, die Wahlen zu gewinnen, während Amien Rais es vermutlich nicht bis in die Schlussrunde schaffen würde.

Die Anhänger Wirantos nahmen zudem einen zynischen Standpunkt ein und taten die Forderung nach demokratischen Reformen damit ab, dass stets nur die Machtlosen nach Demokratie riefen: "Demokratie ist etwas für Verlierer."

Die Spannungen innerhalb der PKS ließen deutlich die Spaltung erkennen zwischen einerseits solchen Kräften, die in den Regierungsrang streben, um islamistische Ziele zu verfolgen, und andererseits solchen jüngerer Idealisten, die sich dem Islam und der Demokratie verpflichtet fühlen.

Nach vielen Debatten erklärte die PKS nur wenige Tage vor dem Wahltag Amien Rais zu ihrem offiziellen Kandidaten. Eine offizielle Endabstimmung aller Mitglieder hatte es nicht gegeben, aber regionale Führer schätzten, dass etwa 70 Prozent der PKS-Anhänger hinter Amien Rais stünden.

In der Endrunde der letzten Präsidentschaftswahlen gab ihr Vorsitzender Hidayat Nur Wahid bekannt, dass die PKS Susilo Bambang Yudhoyono unterstützen werde. Einige Fraktionen innerhalb der PKS opponierten gegen diese Entscheidung, weil sie Susilo Bambang Yudhoyono als säkularen politischen Führer sahen, welcher der Einführung islamischer Gesetze Widerstand leisten würde.

Dessen Anhänger hingegen argumentierten, seine Wahl biete die besten Chancen für eine demokratische Reform, eine handlungsfähige Regierung und ein Ende der Korruption.

Zukünftige Herausforderungen

Zwei großen Herausforderungen wird die PKS sich innerhalb der nächsten fünf Jahre stellen müssen. Zunächst derjenigen, ihr Image als politische Reformpartei nicht zu beschädigen, während sie zugleich ganz pragmatisch Politik betreibt. Zum anderen aber auch derjenigen, ein breiteres gesellschaftliches Spektrum anzusprechen und ihre Basis über die Universitäten hinaus ausdehnen.

Die PKS hat sich einen eindrucksvollen Ruf als "saubere" Partei erarbeitet, seit sie sich 1999 dafür entschied, in die Opposition zu gehen, statt sich zum politischen Sprachrohr von Partikularinteressen machen zu lassen.

Konsequent enthielten sie sich fortan der Regierungsbeteiligung. Als Präsident Abdurrahman Wahid den ersten Vorsitzenden der Partei, Nur Mahmudi Ismail, ins Kabinett berief, gab dieser seine Position als Kopf der Partei auf. Als später Präsidentin Megawati der PKS eine ministeriale Position anbot, entschieden sich ihre Führer wieder dafür, in der Opposition zu bleiben.

Innerhalb der letzten fünf Jahre, sind Vertreter der PKS auf Provinz- und Distriktebene dafür bekannt geworden, den Versuchungen der Korruption zu widerstehen, die die Teilhabe an der politischen Macht in Indonesien stets mit sich bringt.

Im Jahr 2004 führte die PKS eine Kampagne durch, die den Titel trug: "24 Gründe, warum die PKS der Feind schlüpfriger Figuren ist". Sie basierte auf Zeitungsartikeln über PKS-Abgeordnete, die sich der Korruption verweigert hatten.

Als größte Partei im Provinzparlament von Jakarta muss die PKS nun eine Möglichkeit finden, der Macht des Geldes in der Gesetzgebung und der tief verwurzelten Korruption in der Verwaltungsbürokratie entgegenzuwirken.

Wird die PKS im Rahmen eines moralischen Reformkurses nun auch versuchen, den Gouverneur von Jakarta zu stellen und eine Kampagne gegen Prostitution, Glücksspiel und Alkoholmissbrauch in der Hauptstadt führen?

Die zweite Herausforderung, eine breitere Basis von Unterstützern für sich zu gewinnen, ist vielleicht sogar noch größer: Die PKS betont die Einheit der muslimischen Gemeinschaft (Umma) und weigert sich, klassenspezifische Interessen zu unterstützen. In einem Interview, das der PKS-Vorsitzende Nur Wahid gab, erklärte er, die Kluft zwischen arm und reich sei kein politisches, sondern ein religiöses Problem.

So lange die PKS an islamischen Werten festhalte und beispielsweise für soziale Einrichtungen sorge, könne sie den Bedürfnissen der Armen in ausreichender Weise entsprechen. Er fügte hinzu, die PKS sei eine Kaderpartei, die kein Interesse daran habe, eine Massenanhängerschaft für sich zu gewinnen, die die islamischen Prinzipien nicht achte.

Um nach und nach eine größere Unterstützerbasis aufzubauen, hat die PKS in der Vergangenheit den Opfern von gewalttätigen Auseinandersetzungen, von Naturkatastrophen und Armut Hilfe zur Verfügung gestellt. Das gesellschaftliche Engagement anderer Parteien, so betonten verschiedentlich PKS-Repräsentanten, beschränke sich im Wesentlichen auf den Wahlkampf.

Aber wird es der PKS gelingen, allein durch humanitäre Unterstützung bei Überschwemmungen, Erdrutschen und anderen Katastrophen eine breite Basis zu mobilisieren, die die Partei unterstützt? Oder wird die Partei nicht doch auch politische Antworten auf die Fragen finden müssen, die die Arbeiterklasse und die Armen betreffen?

© Inside Indonesia 2005

Elizabeth Fuller Collins ist Außerordentliche Professorin für Klassische Philologie und Weltreligionen an der Ohio University. Ihsan Ali Fauzi promoviert dort in Politikwissenschaft.

Übersetzung aus dem Englischen: Ilja Braun

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