Arabische Israelis - ausgegrenzt und desillusioniert

Alle vier Jahre versuchen sich rechtsextreme jüdische Politiker in anti-arabischer Rhetorik, was zwar für Schlagzeilen sorgt, aber verdeckt, dass die "Ausbürgerung" der arabischen Israelis gesellschaftlich längst salonfähig geworden ist. Von Igal Avidan

​​Michael Kleiner ist ein Mann der klaren Worte. "Entweder wir oder sie!" lautete sein Wahlkampfslogan wenn es um die Palästinenser und auch israelischen Palästinenser geht. Deren Ausbürgerung steht ganz oben auf der Agenda seiner "Cherut"-Partei.

Kleiner ist ein Mann der Tat, und daher zog er jüngst mit einem Dutzend seiner Anhänger nach Jaffa, einem jüdisch-arabischen Stadtteil von Tel Aviv. Die Bewohner beschimpften ihn als Rassisten, der das Zusammenleben zerstören wolle. Er konterte: "Dies ist unser Land! Wir wollen Euch großzügig dafür entschädigen, dass ihr in eines der 22 arabischen Staaten auswandert."

Anti-arabische Rhetorik der Rechtsparteien

Um die Ernsthaftigkeit des Versprechens zu demonstrieren, zog ein "Cherut"-Aktivist mit starkem amerikanischem Akzent ein Bündel mit Tausenden Schekel und bot eine Vorauszahlung an. Ein arabischer Aktivist warf mit den Geldscheine um sich, die von Passanten gesammelt wurden, vermutlich auch von jüdischen. Erst nachdem ein Knaller auf die rechten Demonstranten geworfen wurde, zogen sie ab.

"Cherut" hatte keine großen Chancen ins Parlament zu ziehen. Aber noch zwei andere Parteien predigen die ethnische Säuberung der palästinensischen Israelis, ohne jedoch den Begriff "Transfer" in den Mund zu nehmen.

So betrachtet etwa der Rabbiner Benni Alon, ehemaliger Minister und Vorsitzender der "Nationalen Einheit/Mafdal", Jordanien als den eigentlichen Palästinenserstaat, zu dem auch die Araber des Westjordanlands gehören sollten.

Avigdor Liberman, Chef der Partei "Unser Heim Israel" , schlägt einen Gebietsaustausch vor: Die Grenzen werden so gezogen, dass die Palästinenser israelische Gebiete erhalten, in denen palästinensische Israelis leben, zum Beispiel Um-al-Fachem. Als Gegenleistung könnte Israel die grossen Siedlungsblöcke annektieren, wo nur Juden leben.

Dass "Kadima" den nächsten Regierungschef stellt und keinen arabischen Kandidaten auf einen realen Listenplatz platzierte, regte indes niemanden auf. Die Regierungspartei kam bei den Wahlen auf 28 Prozent der Stimmen und ist damit die stärkste politische Kraft in der Knesset.

Matti Golan, einer der renommiertesten israelischen Journalisten, schrieb vor kurzem in der Wirtschaftszeitung "Globes": "Es handelt sich um keinen Transfer, weil die israelischen Palästinenser nicht aus ihren Häusern vertrieben werden, sondern nur ausgebürgert werden. Dieses Angebot ist nicht inhuman, sondern im Gegenteil: Es führt Familien- und Völker zusammen."

Libermann wird sogar vom linksliberalen Politiker Yossi Beilin rehabilitiert, dem Chef der kleinen "Meretz"-Partei, der ihn öffentlich nach Hause zum Frühstück einlud und ihn als einen "sehr intelligenten Politiker, erstklassigen Aktivisten und einen weisen Juden" beschrieb.

Später besuchte Beilin zwar Jaffa und versprach den arabischen Einwohnern: "Dies ist euer Zuhause und wir werden alle Rassisten bekämpfen." Aber der Schaden war bereits verursacht.

In den arabischen Ortschaften war vom Wahlkampf kaum etwas zu spüren, vor allem in den Städten Jaffa, Lod und Ramle. Immer weniger israelisch-arabische Wähler glauben, dass ihre Stimme zählt und ihre Abgeordneten Einfluss üben können. Ehud Olmert hatte bereits vor seinem Wahlsieg angekündigt, er werde mit allen zionistischen Parteien Gespräche führen, die drei arabischen Parteien schloss er allerdings aus.

Kluft zwischen jüdischen und arabischen Israelis

Das Versprechen seines Widersachers Amir Peretz, Vorsitzender der Arbeitspartei, einen ersten arabischen Minister zu nominieren, änderte daran nichts, weil er als Junior-Partner in einer Koalition dies kaum realisieren wird.

Die Kluft zwischen jüdischen und arabischen Israelis nimmt durch die einseitige Trennung zu; diese wird demographisch begründet: Es geht um eine stabile jüdische Mehrheit in Israel. Und diese Kluft ist auch bei den Parlamentswahlen 2006 zu sehen.

Die arabischen Parteien erzielten bei den Wahlen zehn Prozent der Stimmen. Die "Vereinigte Arabische Liste - Arabische Erneuerung" verfügt fortan über vier Sitze in der Knesset. Die marxistische arabische "Hadasch" und die gemäßigt nationalistische arabische "Balad" kommen auf jeweils drei Mandate.

Bereits im Wahlkampf hatten arabische Politiker die Spaltungstendenzen verstärkt. Ahmad Tibi von der "Vereinigten Arabischen Liste - Arabische Erneuerung" forderte eine Autonomie für das arabisch-israelische Schulsystem und eine gleichberechtigte Aufteilung des Etats.

Azmi Bishara von "Balad" verlangte sogar ein eigenes Parlament für die israelischen Palästinenser, das sich zum Beispiel um die Auswanderung von palästinensisch-israelischen Intelektuellen in die USA oder nach Europa kümmert. Und Mohammad Barake, Chef der "Kommunistischen Partei", will eine neue israelische Fahne und Nationalhymne, die nicht nur die jüdische Mehrheit repräsentiert.

Lethargie und politischer Vertrauensverlust

So laut die Parolen im Wahlkampf skandiert wurden, so wenig erreichten die arabischen Politiker im israelischen Parlament. Nur acht Prozent ihrer Wähler fühlen sich durch sie vertreten, 83 Prozent sind der Ansicht, dass diese Politiker keinerlei Einfluss auf die Regierung haben. Daher war der Aufruf des "Volkskomitees zum Wahlboykott" populär und fand bei jedem Dritten Gehör.

Zum einen sollte durch das Fernbleiben von den Wahlurnen dem israelischen Regime die Legitimation genommen werden, zum anderen wurde dadurch die Ohnmacht der arabischen Politiker deutlich. Und schließlich sollte dadurch der "Kampf gegen den Zionismus" verschärft werden.

Igal Avidan

© Qantara.de 2006

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