Der Siegeszug der Shisha

Im arabischen Raum sorgt die Wasserpfeife bereits seit dem 17. Jahrhundert für traditionelle Geselligkeit. Doch nicht nur im Orient sondern auch in Deutschlands Cafés erfreut sich die Shisha großer Beliebtheit - z.B. in Berlin, wie Ariana Mirza berichtet.

Im arabischen Raum sorgt die Wasserpfeife – oder Shisha – bereits seit dem 17. Jahrhundert für traditionelle Geselligkeit. Doch nicht nur im Orient sondern auch in Deutschlands Cafés erfreut sich die Shisha großer Beliebtheit. Ariana Mirza mit einem Beispiel aus Berlin

Foto: Stephan Schmidt
Wasserpfeife-Ritual in Berliner Kneipe

​​"Ich habe vor einem Jahr das erste Mal an einer Shisha gezogen, in den Ferien, in der Türkei." Seit seinem Urlaubserlebnis zählt der 25-jährige Stephan zu den Stammgästen der "Shisha Lounge" im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Auf fast jedem Tisch des Szenelokals steht eine kunstvoll vorbereitete Pfeife.

Wo sie blubbert, kreist alsbald das Mundstück am langen Schlauch. Shisha-Rauchen ist eine kommunikative Form des Genießens. So hat auch Stephans Arbeitskollege Sven schnell Gefallen an der orientalischen Wasserpfeife gefunden. "Ich trinke nie Alkohol und rauche auch keine Zigaretten, aber die Shisha ist was Besonderes. Der kalte Rauch ist angenehm, weil er gar nicht kratzt, das fruchtige Aroma gefällt mir, und natürlich die Geselligkeit."

Im arabischen Kulturkreis besitzt die Shisha, auch Nargile genannt, eine lange Tradition. Das Rauchen des mit Melasse und Fruchtaroma versetzten, groben Tabaks ist dort seit dem 17. Jahrhundert verbreitet. Doch im Gegensatz zu den Genussmitteln Kaffee und Tee konnte sich der Gebrauch der Wasserpfeife in Europa nie durchsetzen. Der sprunghafte Anstieg von Lokalen, die Shishas anbieten, scheint nun einen späten Siegeszug des süßen Dufts zu verkünden.

Immer mehr Deutsche entdecken das orientalische Rauch-Ritual für sich. Dass die Wasserpfeife neuerdings auf so viel Neugierde und Zuspruch trifft, freut den Besitzer der "Shisha Lounge". Aber als erfahrener Gastronom setzt der gebürtige Iraker auf doppeltes Vergnügen. "Wir bieten hier eine Mischung aus Cocktail- und Shishabar. Man kann das sehr gut kombinieren."

Nicht nur Männer dürfen an der Pfeife ziehen

Mreihil Amer, der libanesische Betreiber des Restaurants "Babel" sieht die Wasserpfeife als sinnliche Abrundung seines Angebots. "Nach dem Essen oder zum Feierabend ein, zwei Stunden gemütlich bei der Pfeife entspannen, so sollte die arabische Tradition auch in Europa verstanden werden."

Mit regelmäßigen Bauchtanzveranstaltungen und orientalischem Flair möchte der Gastronom ein seriöses und gut situiertes Publikum ansprechen. Er widerspricht der Behauptung, die Wasserpfeife sei nur bei jungen Leuten populär. "Die Wasserpfeife ist inzwischen bei Gästen aller Altersklassen und aus allen Bereichen beliebt, auch bei Rechtsanwälten und Ärzten. Und sie ist keine Männerdomäne."

In seinem Heimatland Libanon würden ebenso viele Frauen wie Männer die Wasserpfeife schätzen, erklärt Amer, das sei in Deutschland nur nicht so bekannt, weil die Frauen im arabischen Raum eher zuhause als in der Öffentlichkeit rauchen würden.

Die Shisha vermittelt ein Stück Heimat

Wie entspannend eine Shisha wirken kann, ist im "Babel" gut zu beobachten. Ein junges Paar hat es sich auf bestickten Kissen gemütlich gemacht. Die Verliebten wehren lachend einen Interviewversuch ab. Warum sie sich im orientalischen Ambiente beim Genuss der Wasserpfeife so wohl fühlen, verraten sie dennoch. "Das ist ein Stück Heimat für uns."

Ein Stück Heimat bieten auch die zahlreichen Teestuben und Kaffeehäuser in den ärmeren Stadtteilen Berlins. In diesen Treffpunkten verkehren fast ausschließlich türkisch- und arabischstämmige Gäste. Der Genuss der Wasserpfeife ist hier selbstverständlich; verzichten muss der männliche Besucher auf Alkohol, ein schickes Ambiente – und auf weibliche Gesellschaft.

Ganz so authentisch möchten deutsche Wasserpfeifenfans wie Sven und Stephan ihr Shisha-Rauchen gar nicht zelebrieren. "Für die orientalische Kultur interessiere ich mich eigentlich nicht besonders", sagt Stephan, der als Programmierer tätig ist. Doch die Shisha möchte er nicht missen. Irgendwann wird er sich vielleicht einmal eine eigene Pfeife zulegen.

Wasserpfeifen sind nicht billig, aber in großer Auswahl im Fachhandel oder per Internet erhältlich. Ebenso wie die Kohle zum Entzünden der Shisha und diverse Tabakmischungen, die vorwiegend aus dem Jemen importiert werden. Rund 10 Euro pro 250 Gramm Fruchttabak muss man als Privatverbraucher einkalkulieren.

Ob der Genuss der Wasserpfeife sich hierzulande breitflächig durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Mreihil Amer ist optimistisch: "In zehn Jahren werden in Deutschland mehr Leute Wasserpfeife rauchen als im Libanon."

Ariana Mirza, © Qantara.de 2003

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