"Facebook für Schafe"

Das Opferfest in Tunesien zeigt, wie weit das Land mit der Digitalisierung schon ist: Dort kann man die Lämmer fürs Opferfest jetzt online kaufen. Aus Tunis informiert Sarah Mersch.

Von Sarah Mersch

Eigentlich kaufen die tunesischen Familien ihr Schaf für das Opferfest auf dem Markt, wo sie zwischen Dutzenden Tieren das passende auswählen können. Sie schauen ihnen buchstäblich ins Maul um sicherzugehen, dass sie eine gute Qualität erhalten.

Auf der Webseite des "Sfar-Bauernhofs" kann man sich stattdessen durch einen Schaf-Katalog klicken: die Tiere lassen sich nach Preis und Gewicht, Fellfarbe und Hörnern filtern. Außerdem gibt es Porträts und Ganzkörperfotos. Jedes einzelne der 111 Schafe wurde von einer professionellen Fotografin abgelichtet, so dass potentielle Käufer sich ein Bild machen können.

Die Rechnung ist voll aufgegangen: Innerhalb von wenigen Tagen waren alle Schafe verkauft und die tunesische Presse berichtete erstaunt und belustigt über das "Facebook für Schafe".

Das Opferfest - eine logistische Herausforderung

Geliefert werden die Opferlämmer frei Haus ein bis zwei Tage vor dem Fest. "So muss sich niemand mehr darüber den Kopf zerbrechen, wie er das Tier nach Hause transportiert, füttert und ein, zwei Wochen auf dem Balkon oder dem Dach eines Wohnhauses unterbringt", erklärt Kais Assali, der die Marketingkampagne umgesetzt hat. Denn gerade in den Städten ist das Opferfest für viele Tunesier auch eine logistische Herausforderung.

Viele Kunden sind trotzdem bei Mohamed Hassine Sfar auf seinem Bauernhof, rund eine Stunde südlich der Hauptstadt Tunis, vorbeigekommen, um sich die Tiere vor dem Kauf anzuschauen. "Nächstes Jahr vertrauen sie uns dann hoffentlich direkt", so der Mittdreißiger, der den Familienbetrieb von seinem Vater geerbt hat.

Screenshot Webseite "Sfar-Bauernhof"
Hoch im KLurs: Bio-Opferlämmer online bestellen in Tunesien. Auf der Webseite des „Sfar-Bauernhofs“ kann man sich durch einen Schaf-Katalog klicken: die Tiere lassen sich nach Preis und Gewicht, Fellfarbe und Hörnern filtern. Außerdem gibt es Porträts und Ganzkörperfotos. Jedes einzelne der 111 Schafe wurde von einer professionellen Fotografin abgelichtet, so dass potentielle Käufer sich ein Bild machen können.

Onlinehandel: für viele Tunesier Neuland

Die Schafe verkauft er zum staatlich festgesetzten Preis von elf Dinar (3,80 Euro) pro Kilo für konventionelle Ware. Durch den Wegfall der Zwischenhändler ist das für ihn trotzdem kein Verlustgeschäft. "Und die Kunden profitieren ebenfalls, denn auf den normalen Schafmärkten wird das Gewicht nur geschätzt", erzählt er. Die Bestellungen kommen dabei sowohl aus einfachen Arbeitervierteln als auch aus sehr reichen Gegenden. "Einigen älteren Kunden mussten wir telefonisch bei der Bestellung helfen, weil sie noch nie etwas im Internet gekauft hatten und gar nicht wussten, wie das geht", so Assali.

Gedacht war die Kampagne eigentlich nur als Marketinggag, um die Marke von Sfar bekannter zu machen. Denn Mohamed Hassine Sfar hat ein Problem: Er kriegt seine Bioprodukte in Tunesien nicht los, da es keine etablierten Vertriebswege dafür gibt. Frisches Gemüse, Obst oder Fleisch in Bioqualität suchen Kunden auf dem Markt oder im Einzelhandel vergeblich. Die Webseite des tunesischen Landwirtschaftsministeriums listet gerade einmal sieben Verkaufsstellen für Biolebensmittel landesweit auf.

Zwar ist auch in dem Elf-Millionen-Einwohnerstaat Tunesien die Biolandwirtschaft auf dem Vormarsch, ihr Anteil an der Gesamtproduktion bleibt jedoch verschwindend gering und aktuelle Daten sind Mangelware. Obwohl es heute mehr als zehnmal so viel Anbaufläche wie noch vor 20 Jahren gibt, umfasst sie mit knapp 200.000 Hektar (2015) jedoch gerade einmal zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes. Insbesondere Bio-Datteln und Olivenöl werden fast ausschließlich für den Export angebaut und sind wichtige Devisenlieferanten für die schwächelnde tunesische Wirtschaft.

Mohamed Hassine Sfar; Foto: DW
Mohamed Hassine Sfar, Generaldirektor der Fermes Ali Sfar, hat ein Problem: Er kriegt seine Bioprodukte in Tunesien nicht los, da es keine etablierten Vertriebswege dafür gibt. Frisches Gemüse, Obst oder Fleisch in Bioqualität suchen Kunden auf dem Markt oder im Einzelhandel vergeblich. Die Webseite des tunesischen Landwirtschaftsministeriums listet gerade einmal sieben Verkaufsstellen für Biolebensmittel landesweit auf.

Direktvertrieb als Lösung?

Rund 180.000 Liter Olivenöl produziert Mohamed Hassine Sfar im Jahr. Einige Flaschen gehen an lokale Feinkostläden, der Rest in den Export. "Seit Anfang des Jahres kann man unser Öl auch bei einer Supermarktkette hier kaufen, aber das sind gerade einmal 10.000 Liter."

Um vermehrt tunesische Kunden zu erreichen, will Sfar seine Ware jetzt online vertreiben. Neben Olivenöl und Schafen hat er nämlich auch Kühe und Hühner, Granatäpfel, Honig und Mandeln im Sortiment, angebaut auf rund 500 Hektar und seit 2010 biozertifiziert.

Der junge Biounternehmer versucht seine Kunden zu überzeugen, dass seine Produkte nicht nur besser schmecken: "Sie sind auch besser für die Gesundheit: wir haben kein Fipronil in unseren Eiern und keine genmanipulierten Pflanzen." Vor allem hofft er aber darauf, dass sich das Kaufverhalten der Tunesier ändert. "Seit der Revolution gibt es zu viele Zwischenhändler. Das geht zu Lasten der Verbraucher, die draufzahlen."

Über den lokalen Direktverkauf, argumentiert er, würden sowohl die Produzenten als auch die Kunden gewinnen. "Am Ende zahlen sie für Bioqualität sogar weniger als für konventionelle Ware." Nach dem Opferfest will Sfar auch andere Produkte als nur Schafe online anbieten. Dann wird sich zeigen, ob seine Rechnung aufgeht.

Sarah Mersch

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