Atomprogramm auf Kosten der Bevölkerung

Irans Studenten stellen sich quer – gegen die Atompolitik ihres Präsidenten. In ihrem offenen Brief werfen sie der Staatsführung vor, einen Krieg mit den USA zu riskieren und den Interessen der Bevölkerung zu schaden. Von Davoud Khodabakhsh

Irans Studenten stellen sich quer – gegen die Atompolitik ihres Präsidenten. In ihrem offenen Brief werfen sie der Staatsführung vor, wegen des Atomprogramms einen Krieg mit den USA zu riskieren und den Interessen der Bevölkerung zu schaden. Einzelheiten von Davoud Khodabakhsh

Iranische Studierende protestieren an der Uni Teheran, Foto: AP
Sie wollen kein Blatt mehr vor den Mund nehmen, wenn es um die demokratische Zukunft ihres Landes geht - iranische Studenten und Studentinnen an der Uni Teheran

​​Der Iran ist wegen seiner umstrittenen Atompolitik ins Visier der internationalen Staatengemeinschaft geraten. Insbesondere die USA glauben nicht daran, dass Teheran mit seinem Atomprogramm friedliche Zwecke verfolgt. Selbst ein militärisches Vorgehen der USA gegen den Iran erscheint langfristig nicht ausgeschlossen.

Das prinzipielle Recht des Iran auf friedliche Nutzung der Atomenergie wird zwar nach allem, was man weiß, auch von zahlreichen iranischen Bürgern unterstützt. Aber es gibt auch andere Stimmen, etwa unter jüngeren Leuten.

Verletzung demokratischer Grundrechte

So haben sich am 9. April Vertreter von sechs oppositionellen Studentenverbänden in ungewohnt offener Weise öffentlich gegen die Atompolitik der Regierung Mahmud Ahmadinejads gewandt.

In einem offenen Brief beklagen sie die Verletzung der demokratischen Grundrechte des iranischen Volkes und werfen dem iranischen Präsidenten vor, einen Krieg mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu provozieren.

Genährt wurde dieser Vorwurf durch jüngst erschienene internationale Zeitungsberichte, nach denen die USA bereits militärische Planspiele anstellten, bei denen auch der Einsatz taktischer Atomwaffen erwogen werde.

Zwar halten auch iranische Oppositionelle einen militärischen Kriegseinsatz im Iran auf absehbare Zeit für unwahrscheinlich, doch zumindest einzelne Militärschläge seien möglich. So meint etwa Ebrahim Yazdi, ehemaliger Außenminister und Generalsekretär der Oppositionspartei "Freiheitsbewegung Iran":

"Ein militärischer Angriff der USA gegen den Iran wird zweifellos in dem Ausmaß, wie wir das im Irak oder Afghanistan erlebt haben, nicht möglich sein. Ich glaube, wenn die Amerikaner von einem militärischen Plan reden, meinen sie auch nicht einen Plan in diesem Ausmaß."

Yazdi glaubt, dass es durchaus sein kann, dass die Amerikaner eine lokale und punktuelle Bombardierung in Erwägung ziehen, jedoch keine breit angelegte, militärische Offensive wie im Falle Iraks.

Sinnvollere Investitionen angemahnt

In dem offenen Brief der Studenten wird das iranische Atomprogramm, das in Teilen der Bevölkerung durchaus populär ist, sehr fundamental kritisiert:

Während das iranische Volk unter Arbeitslosigkeit, Armut und unzureichender Gesundheitsversorgung leide, würde bereits seit über dreißig Jahren ein geheimes und undurchsichtiges Atomprogramm betrieben, das zweistellige Milliardenbeträge verschlungen habe. Geld, das nach Auffassung der Studenten wesentlich sinnvoller für das Bildungs- und Gesundheitswesen verwendet worden wäre.

Zum Schluss des Briefes schreiben die Verfasser, dass der derzeitige internationale Konflikt um den Iran keine Angelegenheit des iranischen Volkes sei. Es handele sich vielmehr um die Interessen einer Führung, die längst den Kontakt zu ihrer Bevölkerung verloren habe.

Auch diene die Nutzung der Atomenergie nicht dem Wohl der Bevölkerung, sondern sei von militärischen Interessen bestimmt. Mögliche Folgen - vom wirtschaftlichen Boykott bis hin zu Militärschlägen - widersprächen den nationalen Interessen.

Demokratische Willensbildung durch das Volk

Die Studenten gehen in ihrem offenen Brief sogar noch weiter: Sie fordern die iranische Führung dazu auf, die Macht zurück ans Volk zu geben. Nur durch demokratische Entscheidungen könne ein Ausweg aus der gegenwärtigen Krise gefunden werden, heißt es in dem Papier.

Morteza Eslahtchi, Vorstandsmitglied der Studentenvereinigung der Universität Tabatabai und Mit-Unterzeichner des Schreibens:

"In allen demokratischen Rechtsstaaten gilt doch: Wenn das Volk in einem demokratischen Prozess das Staatssystem selbst bestimmt, dann werden dadurch auch die Interessen des Volkes und des Staates übereinstimmen - und folglich wird sich eine Einheit zwischen Nation und Staat bilden", so Eslahtchi.

Aber in der Islamischen Republik Iran sei dies anders. "Hier sind wir mit einer Kluft zwischen den Forderungen des Staates und den Forderungen der Bevölkerung konfrontiert."

Davoud Khodabakhsh

© DEUTSCHE WELLE 2006

Qantara.de

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