
Fluch und Segen
Mitte der 1990er Jahre überwogen die kritischen Stimmen in der Fachliteratur. So stellten Sachs/Warner (1995) in einer empirischen Analyse von 97 Entwicklungsländern über den Zeitraum von 1971 bis 1989 fest, dass ressourcenreiche Länder langsamer wachsen als ressourcenarme Länder. Die Verfügbarkeit von hohen Ölerträgen führe zu Begehrlichkeiten und Verteilungskämpfen innerhalb der Elite. Der Rohstoffboom bewirke die Aufwertung der nationalen Währung mit der Folge, dass die Exporte des Nicht-Ölsektors auf dem Weltmarkt teurer würden. Dieser als "Dutch Disease" bezeichnete Effekt behindere die einheimische Industrie und verstärke die Abhängigkeit vom Öl.
Karl (1997) führte in dem Standardwerk "The Paradox of Plenty" diese Argumentation fort, indem er feststellte, dass der Ölreichtum eine entwicklungshemmende Anreizstruktur schaffe. Aufgrund außergewöhnlich hoher Abgaben auf den Ölexport könne der Staat seine Einnahmen steigern, ohne zusätzliche Entwicklungsanstrengungen unternehmen zu müssen.
Die Ölerträge stellten insofern eine Rente dar, das heißt ein nicht leistungsbezogenes Besitzeinkommen. Über ein System von Patronage-Netzwerken entstehe eine Gesellschaftsschicht, die von öffentlichen Aufträgen, Posten im Staatsdienst und sonstigen Begünstigungen unmittelbar von den Öleinnahmen des Staates profitiere und deren vorrangiges Ziel die Maximierung ihrer Renteneinkommen sei. Zum Wesen dieses Rentierstaates gehöre die Korruption.
Einen anderen Ansatz verfolgten Eifert/Gelb/Tallroth (2002). Sie sahen im Management der Öleinnahmen die wesentliche Herausforderung. Da der Ölpreis doppelt so stark schwanke wie die Preise anderer Rohstoffe und Preisschocks schwer vorauszusehen seien, gelte es mit unsicheren Einnahmen zu planen, Boom-Krisen-Zyklen zu vermeiden und vor allem genug für künftige Generationen zu sparen.
Strategien gegen Ölpreiskrisen
Viele Ölstaaten hingegen schätzten in Hochpreisphasen ihre künftigen Einnahmen optimistischer ein, als es gerechtfertigt wäre, und weiteten ihre Ausgaben aus. Laufende Kosten häuften sich auf und könnten beim nächsten Preisrückgang nicht nachhaltig bedient werden, oft mit der Folge zunehmender Verschuldung. Allerdings zeigten die Autoren am Beispiel Norwegens auf, wie es durch Ersparnisbildung während der Hochpreisphasen sowie durch eine konsequent antizyklische Fiskalpolitik möglich ist, sich gegen Ölpreiskrisen zu wappnen und ökonomisch nachhaltig mit dem Ölreichtum des Landes umzugehen.

Den Zusammenhang zwischen Rohstoffreichtum und der Qualität der Institutionen untersuchten Isham/Woolcock/Pritchett/Busby (2005). In einer Analyse von 90 Entwicklungsländern im Zeitraum von 1974 bis 1997 legten sie dar, dass Industrieexportländer bessere Governance-Indikatoren aufweisen als die Rohstoffexporteure. Der mit dem Ressourcenüberfluss verbundene Rentiereffekt unterminiert nach Auffassung der Autoren die Demokratie, verzögert die Modernisierung und erhöht die soziale Ungleichheit.
Ein Staat, der es sich leisten könne, von der eigenen Bevölkerung kaum Steuern zu erheben, sei weniger rechenschaftspflichtig. Auf der einen Seite könne er durch Wohlfahrtsprogramme und Transferzahlungen die Bevölkerung zufrieden halten. Andererseits verfüge er aber auch über Mittel, um möglichen Widerstand mit Gewalt zu unterdrücken. An der Industrialisierung des Landes habe die Elite wenig Interesse, da die damit entstehende städtische Arbeiterschaft, die Mittelschicht und das private Unternehmertum die Basis des Rentierstaates untergraben würden.
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