Eka3 schafft eine Nische

Die Stars der arabischen Popwelt - Haifa, Nancy oder Elissa - beherrschen die TV-Musikkanäle und die großen Konzertsäle. Aber dass es jenseits dieses Mainstreams auch eine eigenständige kreative Szene gibt, zeigt die regional arbeitende Initiative Eka3. Mona Naggar stellt sie vor.

​​Die Musiker machen sich mit der Technik im Saal vertraut. Sängerin Donia Massoud testet das Mikro. Tamer Abu Ghazaleh, Mahmoud Radaideh und Zeid Hamdan packen ihre Instrumente aus: Langhalslaute, Laute, elektrische Gitarre, Synthesizer.

In ungefähr zwei Stunden geben sie ihr letztes Konzert in Beirut. Die nächsten Stationen der Tour sind Alexandria und Kairo. Die Gruppe heißt "KazaMada" und spielt erst seit kurzem zusammen. Ihr Programm ist das Produkt eines intentensiven fünftägigen Workshops, das von "Eka3" (arab. Rhythmus) organisiert wurde.

Die Künstler bringen sehr verschiedene langjährige Erfahrungen mit sich. Die Ägypterin Massoud hat sich als Sängerin von Folklore-Liedern einen Namen gemacht. Zeid Hamdan gehört zu den Gründern der bekannten libanesischen Elektromusik Gruppe "Soapkills" und "The Government".

Mahmoud Radaideh gehört der jordanischen Gruppe "Jadal" an, einer der ersten arabischen Rockformationen. Der Palästinenser Abu Ghazaleh ist Eka3-Gründer und Liedermacher, der bereits drei CDs veröffentlicht hat.

An diesem Abend mischen sich elektrische Gitarre, Synthesizer und Oud mit der kraftvollen Stimme von Donia Massoud. Es klingt wie ein neuer orientalischer, experimenteller Elektromix. Einige Stücke sind neu, andere Klassiker, die in gewagten neuen Arrangements aufgeführt werden.

Der arabischen Musik eine neue Identität geben

Kinda Hassan, Vertreterin von Eka3 in Beirut, nennt "KazaMada" ein Experiment - ein Versuch, etwas Neues zu schaffen, der arabischen Musik eine neue Identität zu geben. Hassan überlegt einen Moment, dann ergänzt sie: "Was wir machen ist zeitgenössische arabische Musik, ich denke, dass das die einfachste und treffendste Bezeichnung ist."

​​Eka3 entstand 2007 in Amman. "Wir sind arabische Künstler, die schon lange vor Eka3 in der Region künstlerisch gearbeitet haben", sagt Kinda Hassan, die von Beirut aus für die Initiative arbeitet. Sie studierte Videokunst an der Akadamie der schönen Künste in Beirut: "Ich habe festgestellt, dass viele Künstler sich in Antragschreiber verwandeln. Um eine Finanzierung für ihre Projekte zu bekommen, füllen sie unentwegt Anträge aus. Zeit für ihre eigene Arbeit bleibt kaum. Der einzige Ausweg ist, selbst etwas zu schaffen, in die Kunst einzutauchen."

Wichtig sei es, eine Kontinuität herzustellen, die bei einer ausländischen Finanzierung unmöglich sei: "Vielleicht interessieren sich gerade Europäer für unsere Musik, im nächsten Moment wieder nicht. Dann sitzen wir wieder auf dem Trockenen."

Eka3 ist Produzent, Agentur, Experimentierwerkstatt und Konzertverantalter. Sie arbeitet regional, produziert Platten mit origenellen Covers, schafft neue Vertriebswege, versucht Künstler bei Festivals unterzubringen und die Lizenzen der Musikstücke zu verkaufen.

Die wichtigste Voraussetzung für Künstler, die bei Eka3 mitmachen möchten, ist, "dass sie etwas zu sagen haben und eine künstlerische Identität haben", erklärt Kinda Hassan.

Die Liste der bisherigen Veröffentlichungen gibt Einblick in die heutige, reichhaltige arabische Musikszene - jenseits des Pop-Mainstreams. Bekannte Namen und viele junge Nachwuchsmusiker tauchen auf. Da ist etwa der renommierte palästinensische Oud-Spieler Khaled Jubran, I-Voice, eine Rapgruppe aus dem Palästinenserlager Burj Al-Barajneh in Beirut, die bereits eine lokale Fangemeinde hat oder die neue jordanische Gruppe "Sharq" mit ihrer ersten Platte.

Schwieriger Musikmarkt

Ägypter, Libanesen oder Syrer haben kaum eine Möglichkeit, diese und viele andere Vertreter neuer arabischer Musik in TV-Musikkanälen oder in Radiostationen kennenzulernen. Der Musikmarkt ist fest in der Hand mächtiger Unterhaltungskonzerne, wie etwa "Rotana". "Rotana" ist nicht nur der größte arabische Label, sondern betreibt auch diverse Satellitenkanäle, Radiosender und Hochglanzmagazine.

Eka3 versucht auf diesem schwierigen Musikmarkt, eine Nische zu schaffen und kann bereits erste kleine Erfolge vorweisen. Ihre CDs kann man seit letztem Jahr in den Läden einer internationalen Kette in Dubai, Beirut oder Amman kaufen.

Darüber hinaus versucht Eka3 direkt ihr Zielpublikum zu erreichen, die Kinda Hassan in der Altesgruppe zwischen 18 und 40 vermutet. In ausgesuchten Cafés, Musik- und DVD-Läden stehen kleine Ständer mit dem gelb-schwarzen Logo, wo ihre Produktionen zum Verkauf angeboten werden.

In Ägypten ist diese Vertriebsart wegen den Zensurbestimmungen nicht möglich. In Syrien lohnt sich ein Vertrieb wegen der Verbreitung der Raubkopien nicht.

Die Kritiken zu den Konzerten von "KazaMada" in Beirut waren durchwachsen. Einige Kritiker zeigten sich iriitiert über den experimentellen Stil, andere lobten gerade diesen Aspekt. Kinda Hassan ist optimistisch: "Ich blicke jetzt positiv in die Zukunft - ohne mich dazu zwingen zu müssen."

Mona Naggar

© Qantara.de 2011

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

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